Ernährung Aroma, die großregionale Essensoffensive

Ernährung  / Aroma, die großregionale Essensoffensive
Alle zwei Wochen gibt es regional und biologisch produziertes Essen im Collège Théodore Monod in Villerupt. Die Lieferanten dafür kommen aus der Großregion.   Foto: Editpress/Julien Garroy

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Wenn eine Französin über frisch zubereitetes Essen schwärmt und „regional“ oder „bio“ hervorhebt, klingt das merkwürdig. Wo doch Essen in Frankreich als immaterielles „Patrimoine“ anerkannt ist. Das Kulturgut pflegen Restaurants. Kantinenessen gilt dagegen als schlecht. Das Projekt „Aroma“ will das ändern – mit Lieferanten aus der Großregion.

620 Essen werden an vier Tagen im Collège Théodore Monod in Villerupt, kurz hinter der Grenze zu Luxemburg, zubereitet. „Frisch“, wie Sophie Lewandowski (47), „Chargée territoriale d’économie solidaire“ des Département Meurthe-et-Moselle betont. Alle zwei Wochen passiert das mit Produkten aus der Region, die aus Luxemburg, der Wallonie und Lothringen kommen – teilweise sogar biologisch produziert. 

„Aroma“ ist eine Offensive der französischen Region für gutes Essen – eben auch im öffentlichen Bereich und nicht nur in ausgewählten Restaurants. Eine „Charta“ legt fest, was „gut“ ist: Die Produkte kommen von Produzenten in der Nähe der Kantine, das Tierwohl wird berücksichtigt, die Herstellung ist umweltfreundlich und mit möglichst wenig CO2-Ausstoß. Die Wertschöpfung wird fair auf alle verteilt und nicht nur auf den Handel und zu guter Letzt sollen möglichst viele Konsumenten Zugang zu diesen Produkten haben.

In einer Testreihe sind insgesamt sieben Produzenten mit von der Partie, die nach Villerupt liefern. „Dudel Magie“ aus Sprinkingen vertritt bis jetzt Luxemburg in dem großregionalen Projekt. „Wir haben ein großes Interesse daran, mitzumachen, aber bis jetzt ist noch nicht so viel gelaufen“, sagt Marc Emering (51), Gründer von „Dudel Magie“.

Bisher ein Produzent aus Luxemburg – es sollen mehr werden

Das ist der Pandemie geschuldet. Eine Tonne Nudeln produziert Emering aus dem Bio-Dinkel pro Woche. In den letzten 15 Monaten hat er seine Erzeugnisse hauptsächlich an Geschäfte geliefert. Der Absatz an Kantinen sei in der Zeit um 60 bis 70 Prozent eingebrochen, sagt er. Das „Collège“ in Villerupt ist der Vorzeigekandidat für das Projekt „Aroma“, das noch eine andere Seite hat.

Letztendlich geht es neben dem Gesundheits- und Genussfaktor um Förderung der lothringischen Landwirtschaft. Die Großregion kommt ins Spiel, weil es rund um Villerupt wenig Auswahl gibt. „Für Obst und Gemüse müssen wir schon in die Wallonie gehen“, sagt die Projektverantwortliche Lewandowski.

In einem Grenzgebiet ist es leicht, über nationale Grenzen hinwegzuschauen und „proximité“ zu leben. Nähe oder Regionalität ist einer der Schlüsselbegriffe des Projektes. Die Auslegung ist großzügig. „Wenn Sie eine Karotte suchen, die unsere Kriterien erfüllen soll, und man findet das eben nur in der Wallonie, dann ist das für uns okay“, sagt Lewandowski.

Politisch gewollt – auf beiden Seiten der Grenze 

Hinter Bemühungen wie diesen steckt politischer Wille. Im November 2018 verabschiedet die französische Nationalversammlung das Gesetz „Egalim“. Demnach sollen national ab 1. Januar 2022 die Hälfte aller in Frankreichs öffentlichen Kantinen eingesetzten Produkte aus nachhaltiger oder sogar biologischer Herstellung stammen.

In Luxemburg gibt es ähnliche Bestrebungen. Bis 2025 sollen in der staatlich subventionierten Gemeinschaftsgastronomie 50 Prozent der Produkte aus der luxemburgischen Landwirtschaft stammen. Zwei Fünftel davon sollen biologisch produziert, der Rest und damit drei Fünftel soll aus der lokalen Landwirtschaft stammen. Das steht im Bioaktionsplan „PAN-Bio 2025“.

Das Landwirtschaftsministerium unter Romain Schneider (LSAP) bezuschusst das mit bislang fünf Millionen Euro, wie auf der Seite des Ministeriums nachzulesen ist. Klingt gut, birgt aber auch strukturelle Probleme. Viele Küchen in den Kantinen in Luxemburgs Schulen, Krankenhäusern oder Altenheimen werden zentral von Restopolis beliefert.

Öffentliche Kantinen produzieren in großem Umfang 

Restopolis ist eine Abteilung des Ministeriums für Bildung, Kinder und Jugend und betreibt nach eigenen Angaben 81 öffentliche Kantinen, 52 Cafeterias, sechs Tagesstätten, vier Internate und zwei Foodtrucks. Dazu gehört die Gastronomie der Uni.lu. Insgesamt waren das 2020 im Durchschnitt täglich bedingt durch die Corona-Pandemie 10.995 Mahlzeiten. 

2019 wurden durchschnittlich täglich 15.200 Mahlzeiten serviert. Das zeigt die Dimensionen, über die man im öffentlichen Kantinenbereich spricht. Aktuell stammen gerade mal sechs Prozent aller eingesetzten Produkte aus Bio-Produktion. Davon stammen nur ein Prozent aus der biologischen Landwirtschaft Luxemburgs, wie Restopolis weiter mitteilt.

Bei den lokal produzierten Waren sieht es besser aus. 35 Prozent aller Produkte, die der staatliche Service einsetzt, stammen von lokalen Produzenten, also aus dem Land. Wenn sich aber die Realitäten im Einkauf von Produkten aus biologischer Landwirtschaft von bislang sechs auf 50 Prozent erhöhen sollen, müssen noch sehr viel Betriebe im Land umstellen.

Der Anfang ist gemacht

Zurück nach Villerupt: Jeden Tag bio und lokal einkaufen ist finanziell nicht zu leisten, obwohl das Département Meurthe-et-Moselle diese Einkäufe mit einem 20-prozentigen Zuschuss unterstützt. Genau das ist die Differenz zu konventionellen Produkten, wenn frisch vor Ort oder biologisch produziert eingekauft wird.

Deshalb kochen die fünf Köche des „Collège“ im Durchschnitt nur alle zwei Wochen mit diesen Produkten. Dennoch bleiben schon jetzt mehrere Erfahrungen. „Die Kinder essen eher ihren Teller leer, wenn es ‚Aroma’-Essen gibt“, sagt der kaufmännische Leiter des Collège Monod, Jonathan Caristo (38).

Ergo gibt es viel weniger Essensabfälle an diesen Tagen. Und Caristo, der ebenfalls jeden Tag in der Schulkantine isst, stellt für sich selbst fest: „Das Essen ist abwechslungsreicher.“ Die Initiative „Aroma“ ist sicherlich ein erstes, kleines, zartes Pflänzchen, das noch wachsen muss. Geplant ist, später Produzenten aus Rheinland-Pfalz und dem Saarland einzubinden.

Das passiert, wenn am Ende dieses Monats Bilanz gezogen wird. „Aroma kann nicht alles verändern, aber wir können dabei helfen, ein besseres System auf die Beine zu stellen“, sagt Lewandowski, die als „Cheffe du Projet“ das Ganze von Anfang an begleitet.

„Besser machen“ heißt in diesem Fall, ein möglichst großes Lieferantennetz derer, die sich an die Aroma-Charta halten, aufzubauen – unabhängig von ihrer Betriebsgröße. Die Krise hat die Schwachstellen des bisherigen „Systems“ Ernährung sichtbar gemacht. Es hat sich gezeigt, wie wichtig die Unabhängigkeit vom weit entfernten Ausland und damit die inländische Produktion ist. In diesem Fall ist es die großregionale.

Zum Nachlesen 

www.restopolis.lu
www.aroma-interreg.eu