EuropameisterschaftIn Finnland herrscht Begeisterung: „Underdogs“ auf dem Weg nach oben

Europameisterschaft / In Finnland herrscht Begeisterung: „Underdogs“ auf dem Weg nach oben
Joel Pohjanpalo ist zuversichtlich, dass Finnland gegen Belgien gewinnen wird Foto: Dmitri Lovetsky/AFP

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Heben sich die „Eulen“ ins Achtfinale? Kann sich der Teamgeist der finnischen Elf gegenüber den spielstarken Belgiern am heutigen Montag in St. Petersburg durchsetzen?

In Finnland herrscht Begeisterung über die Erfolge ihrer Elf. Nach dem 1:0 gegen Dänemark folgte zwar eine 0:1-Niederlage gegen Russland. „Wir haben uns jedoch im Spiel gesteigert“, so Joel Pohjanpalo gegenüber den Medien. Der Stürmer (Bayer Leverkusen/Union Berlin) schoss das Tor gegen Dänemark und traf gegen Russland im Abseits ins Rechteck. Der 26-Jährige ist einer der nur drei finnischen Spieler, die in namhaften Klubs unterwegs sind.

„Es muss nun vorangehen, wir werden Belgien besiegen“, meint er unfinnisch unbescheiden. Ein Teil des Erfolgs wird in den Medien der Nationaleigenschaft „Sisu“ zugeschrieben, das kann mit „Zähigkeit“ übersetzt werde. Und zäh mussten die Finnen lange sein.

Nicht die Zeit für Pessimismus

Gegründet wurde der Finnische Fußballverband (SPL) bereits 1907, damals noch im „Großfürstentum Finnland“, einem Teil des russischen Zarenreichs. Doch über hundert Jahre lang konnte sich keine finnische Mannschaft für eine internationale Fußball-Meisterschaft qualifizieren.

Zur Verbesserung des Ballsports der Weiß-Blauen trug auch der Bau von Fußball-Hallen bei, um das Training auch bei kaltem Wetter zu ermöglichen – nicht umsonst ist Eishockey der Nationalsport des Landes im Nordosten Europas.

Via Internet konnten moderne Trainingsmethoden angeeignet werden, zusätzlich hat der skandinavische Außenseiter Island mit dem Erreichen des Viertelfinals bei der EM 2016 die finnischen Sportler motiviert.

Stars hatte Finnland in seiner langen Fußballgeschichte durchaus – wie den heute 50-jährigen Jari Litmanen, der vor zwanzig Jahren für Ajax Amsterdam und FC Barcelona Tore schoss. Teemu Pukki kann dessen Torrekord vielleicht sogar bald brechen.

Der Vollbärtige ist der erfolgreichste Sportler der aktuellen finnischen Auswahl, in der Saison 2018/19 wurde er für Norwich City Torschützenkönig der zweiten englischen Liga, als sein Klub den Aufstieg in die Premier League schaffte. Eine Knöchelverletzung hinderte jedoch den 31-Jährigen bislang daran, auf dem EM-Rasen richtig aufzuspielen. Seine Form am Montag beschäftigt die Nation. Pukkis Äußerungen vor dem Spiel gegen die Belgier sind etwas verhaltener als die von Pohjanpalo, er kritisierte das Spiel seiner Mannschaft als zu defensiv.

Und er betonte, dass Finnland die „Underdogs“ seien. Nicht nur eine Aussage, sondern auch ein Appell. Denn Finnen laufen im Sport zur Höchstform auf, wenn sie sich unterschätzt fühlen.

Auf der anderen Seite bekommen sie Schwierigkeiten, wenn eine zu hohe Erwartungshaltung an sie herangetragen wird – so verlor Finnland eine Woche vor der EM bezeichnenderweise gegen Estland 0:1 – eine Mannschaft, die in der FIFA-Rangliste auf Platz 116 geführt wird und somit das Prädikat Underdog noch mehr verdiente.

„Jetzt ist nicht die Zeit für Pessimismus“, mahnt darum die Zeitung Ilta-Sanomat ihre Leser vor dem Spiel gegen Belgien, um auch die vielen Schwarzseher in Finnland aufzumuntern. Denn die langjährige Erfolglosigkeit der finnischen Nationalmannschaft hat durchaus ihre Spuren im Selbstwertgefühl der Nation mit gerade mal 5,5 Millionen Einwohnern hinterlassen.

Für die finnische Fußballkultur wurde ein extra Wort kreiert – „Potkupallo“, was sich mit „unambitioniert einen Ball bewegen“ übersetzen lässt. Das soll nun vergessen sein. Schließlich ist beim derzeitigen Spielstand alles möglich – auch der Aufstieg als Gruppensieger für die „Eulen“, die den Spitznamen nach dem Besuch eines Uhus bei einem EM-Qualifikationsspiel 2007 bekamen.

„Finnland auf die Weltkarte bringen“ ist ein geflügeltes Wort für die Notwendigkeit, dass die globale Öffentlichkeit von der Existenz der militärisch neutralen Nation erfährt. Die finnischen Fußballer haben dazu ihren Beitrag geleistet, wie das heutige Spiel auch ausgehen mag.