Prozess um Todesfahrt in WiltzUnfall, so die Verteidigung, Mord, so die Staatsanwaltschaft 

Prozess um Todesfahrt in Wiltz / Unfall, so die Verteidigung, Mord, so die Staatsanwaltschaft 
Die Aussagen der Experten belasten den Angeklagten schwer. Die Staatsanwaltschaft fordert deshalb eine lebenslängliche Haftstrafe. Die Verteidigung bleibt dabei, dass es ein Unfall gewesen sei.  Foto: Editpress/Julien Garroy

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In Wiltz bekommt am 2. Januar 2019 ein Auto eine Menschenmenge zu fassen. Ein Kind kommt dabei ums Leben, vier Erwachsene werden schwer verletzt. Es war ein Unfall, sagt die Verteidigung am Ende von drei Prozesstagen. Es war eindeutig Mord, so die Staatsanwaltschaft und fordert lebenslänglich. Am 15. Juli geben die Richter ihr Urteil bekannt. Fest dürfte heute schon stehen, dass das Ganze bei allen Beteiligten Spuren hinterlässt – auch ein Leben lang.

Auf den Stufen des Bezirksgerichtes Diekirch steht Herr S. und raucht eine Zigarette. Sein Gang ist unsicher und wird es wohl immer bleiben. Die Ursache dafür liegt zweieinhalb Jahre zurück.

Als am 2. Januar 2019 ein Auto eine Menschenmenge in Wiltz auf dem Bürgersteig nahe dem Krankenhaus erfasst, ist S. eines der Opfer. Drei weitere Menschen werden schwer verletzt. Ein Kind von zwei Jahren stirbt. Ein Vorkommnis, das nicht nur in der „Ville martyre“ für Entsetzen sorgt und bei allen direkt Beteiligten Spuren hinterlässt – zeit ihres Lebens, wie der Prozess diese Woche in Diekirch zeigt.

Kein Unfall

Nein, ein Unfall sei es nicht gewesen. Es war Mord, sagt die Staatsanwaltschaft am Freitag, am Schluss des dreitägigen Prozesses gegen Herrn K., und fordert lebenslängliche Haft. K. ist der Mann am Steuer des Tatautos. Er habe sein Auto als Mordwaffe benutzt und sei absichtlich auf die Menschen zugerast, hasserfüllt, habe deren Tod gewollt oder in Kauf genommen. Zu einem anderen Schluss könne man gar nicht kommen.

Der Angeklagte bleibt auch am dritten Prozesstag dabei, sich nicht an die Tat zu erinnern. 

Dabei handelt es sich beim toten Buben um seinen eigenen Sohn. Eine der verletzten Frauen ist seine Ex-Partnerin und Mutter des Kindes. S. ist ein früherer Schulkollege und der neue Partner der Frau. Alles Elemente, die man für eine Beziehungstat braucht. Hinzu kommt ein Drehbuch, das, dermaßen verstörend, wohl nur das Leben selbst so schreiben kann. Acht Jahre lang sind K. und die Frau ein Paar. Ende 2018 geht die Beziehung in die Brüche. Zwei Jahre vorher kommt Sohn Calvin zur Welt.

Im Januar 2019 zieht K. aus der gemeinsamen Wohnung in eine neue um. Beim Transport von Umzugskartons erblickt er am Nachmittag des 2. Januar in der Hauptstraße von Wiltz seine Ex-Freundin. Er wendet das Auto, will mit ihr reden. Dann kommt es anders. Ganz anders.

Keine Absicht

Die Verteidigung von K. bestreitet vehement, dass Tötungsabsicht bestanden habe. Die Tat sei schlimm. Aber sie sei die Folge eines Unfalls, keine Kurzschlussreaktion, basierend auf Wut und Eifersucht. Erklärungen, was genau zu dem Unfall geführt haben könne, hat der Verteidiger nicht wirklich. K. sei damals wegen der Trennung in einem emotional stark aufgewühlten Zustand gewesen. Er sei deshalb überaus froh gewesen, seine frühere Partnerin mit dem Sohn im Kinderwagen in Wiltz zu erblicken. Er habe die Hoffnung gehabt, mit ihnen zu sprechen. Warum sollte er sie dann umbringen? Das ergebe doch keinen Sinn. Auch lasse nichts in der Vergangenheit von K. auf einen aggressiven Menschen schließen und Vorstrafen habe er auch keine. Er habe an dem Tag einen Blackout gehabt. Genau lasse sich der ganze Verlauf aber nicht mehr rekonstruieren, weder vor noch während und nach der Tat.

Der Vertreter der Staatsanwaltschaft ist überzeugt, dass es nicht so war. Er sieht den Angeklagten als voll schuldfähig an. Dass er während der drei Prozesssitzungen den Namen seines Jungen nur dreimal erwähnt habe, lasse tief blicken, so die Anklage. Was mögliche medizinische Ursachen wie Unterzuckerung oder eine epileptische Krise anbelangt, schließt sie sich der Meinung diverser Experten an, die diese Theorie deutlich verworfen haben.

Als Strafe für die Tat von K. fordert die Staatsanwaltschaft lebenslänglich. Die Vertreter der Zivilparteien, also der Opfer der Todesfahrt in Wiltz, erheben hohe Schadenersatzforderungen. Von seinem Recht, am Ende der Sitzung das Wort zu ergreifen, macht der Angeklagte keinen Gebrauch.

Am 15. Juli wird das Urteil gesprochen.