BoomWieso Australiens Wirtschaft trotz Handelskrieg mit China und Pandemie wächst und wächst

Boom / Wieso Australiens Wirtschaft trotz Handelskrieg mit China und Pandemie wächst und wächst
EU-Ratspräsident Charles Michel und Australiens Premier Scott Morrison beim G7-Gipfel: Der Streit mit China führt Australien wirtschaftlich näher an Europa heran Foto: dpa/PA Wire/Phil Noble

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Australien liefert sich seit Monaten Wortgefechte mit seinem größten Handelspartner China. Peking straft Australien dafür mit hohen Zöllen auf einzelne Waren. Doch trotz Handelskrieg und Pandemie boomt die Wirtschaft des fünften Kontinents. Wie ist das möglich?

Die australische Wirtschaft erholt sich vom Schock der Pandemie schneller als erwartet. Die Rating-Agentur Standard and Poor’s hat ihren Ausblick für Australiens AAA-Kreditrating von negativ auf stabil angehoben und die „schnelle und entschlossene Reaktion der Finanz- und Gesundheitspolitik“ sowie die „starke wirtschaftliche Erholung“ der Regierung unter Scott Morrison gelobt.

Gerechnet hat damit kaum jemand: Noch bevor die Pandemie das Land traf, war Australien von einer langanhaltenden Dürre und extremen Buschfeuern gebeutelt worden. Zeitgleich mit Ausgangssperren und geschlossenen Grenzen verschlechterte sich zudem das Verhältnis zu China. Dies lag unter anderem daran, dass die Regierung in Canberra forsch gegenüber der kommunistischen Führung in Peking auftrat, Chinas Menschenrechtsverletzungen anmahnte, die Telekommunikationsfirma Huawei beim Ausbau des 5G-Netzes ausschloss, eine unabhängige Untersuchung des Pandemieursprungs forderte und vor Kurzem auch noch aus dem neuen „Seidenstraßen-Projekt“ Chinas ausstieg.

Chinas Retourkutschen

Auf Australiens Verhalten reagiert China seit Monaten mit Retourkutschen: Verbale Schlagabtausche, massive Strafzölle auf australische Weine, hohe Tarife für Gerste, wartende Kohleschiffe vor der chinesischen Küste und Handelsbarrieren beim Baumwolle-, Rindfleisch- oder Hummer-Import folgten. China wollte Australien wirtschaftlich in die Knie zwingen, quasi ein Exempel statuieren, was Ländern blüht, die aufmüpfig werden.

Doch derzeit sieht es ganz danach aus, als habe sich die Volksrepublik eher selbst geschadet. Laut der australischen Handelsorganisation Austrade sind Australiens Rohstoff-, Energie- und Agrarexporte in den vergangenen Monaten trotz der chinesischen Verstimmung sogar weiter gewachsen. Auch im Land läuft es gut, nachdem ein fiskalischer Anreiz in Höhe von 18 Prozent des australischen Bruttoinlandprodukts Haushalte und Unternehmen im Land gestützt hat. Außerdem verhalfen die rigorosen Maßnahmen bei der Eindämmung der Pandemie – geschlossene Grenzen, Blitzlockdowns und Kontaktverfolgung – „der australischen Wirtschaft im weltweiten Vergleich zu einer Outperformance“, wie es vonseiten der Handelsorganisation heißt. Zwar war das australische Bruttoinlandsprodukt 2020 um 2,4 Prozent niedriger als noch 2019, doch dieser Rückgang war immer noch weitaus geringer als der Durchschnitt der meisten anderen großen Volkswirtschaften.

„Ein versteckter Segen“

Laut des Internationalen Währungsfonds wird die australische Wirtschaft im Jahr 2021 sogar die zwölftgrößte Volkswirtschaft der Welt werden und damit seit 2019 um zwei Plätze noch oben rutschen. Australiens Bruttoinlandsprodukt wird vermutlich zwei Billionen Australische Dollar oder umgerechnet 1,27 Billionen Euro erreichen. Obwohl die rund 25 Millionen Australien nur 0,3 Prozent der Weltbevölkerung entsprechen, machen sie damit 1,6 Prozent der Weltwirtschaft aus.

„Aus längerfristiger strategischer Sicht könnte die Wut, die aus China auf uns gelenkt wurde, ein versteckter Segen sein“, schrieb ein prominenter Wirtschafts-Kommentator des Senders ABC vor Kurzem in einem Meinungsstück. Viele der betroffenen Branchen seien wegen der hohen chinesischen Zölle gezwungen gewesen, andere Märkte zu suchen. Das werde letztendlich „unsere ungesunde Abhängigkeit von nur einem Hauptkunden, und zwar einem stets unberechenbaren, verringern“. Tatsächlich fanden die Winzer nach der „chinesischen Ohrfeige“ neue Abnehmer in Europa und den USA, die Gerstenbauern schicken ihr Getreide nun vermehrt nach Thailand und Vietnam und die Hummerlieferanten haben neue Kunden in Hongkong anstatt auf dem chinesischen Festland gefunden.

Große Kluft zwischen Rhetorik und Realität

Zudem fällt auf, dass China bei Weitem nicht mehr nur den Australiern das Leben schwer macht. Die kommunistische Führung in Peking setzt auch Taiwan vermehrt unter Druck und verstärkt die Kontrolle über Hongkong. An der Grenze zu Indien kam es bereits zu militärischen Auseinandersetzungen und erst Ende Mai drangen 16 chinesische Militärflugzeuge in den malaysischen Luftraum ein. Auch mit den Philippinen hat sich das Reich der Mitte wegen seiner maritimen Ansprüche in der Region verkracht.

Da scheinen die Wortgefechte und Zölle gegen Australien plötzlich harmlose Episoden zu sein – etwas das auch die South China Morning Post vor Kurzem in einem Artikel festhielt. Die Handelsbeziehungen zwischen den Ländern seien „immer noch stark“, hieß es darin, die „Kluft zwischen Rhetorik und Realität“ werde immer größer. Im Mai seien Chinas Gesamtimporte aus Australien gegenüber dem Vormonat sogar um mehr als 55 Prozent gestiegen.

Tatsächlich scheint sich China mit seinen Strafaktionen gegen Australien eher ins eigene Fleisch zu schneiden. Nachdem das Land Anfang des Jahres keine australische Kohle mehr ins Land ließ, kam es zu Stromausfällen in Schanghai und im Süden Chinas. Und während die Chinesen auf australisches Rindfleisch, auf Wein oder auf Hummer verzichteten, konnten sie den wichtigsten Import – das Eisenerz – nicht ersetzen. Dessen Preis kletterte derweil in Rekordhöhe und ließ die australische Kasse klingeln.