Monnerich/Dippach Schwimmlehrer aus Leidenschaft: Joseph Grüneisen (59) geht in Pension

Monnerich/Dippach  / Schwimmlehrer aus Leidenschaft: Joseph Grüneisen (59) geht in Pension
Seit 40 Jahren im Beruf: Mittlerweile sind seine ehemaligen Schüler Großeltern und kommen mit den Enkelkindern Foto: Editpress/Alain Rischard

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Der Schwimmlehrer einer Gemeinde ist bekannt wie ein bunter Hund. Mehrere Generationen durchlaufen seine Schule. Joseph Grüneisen ist so eine Instanz. 40 Jahre lang unterrichtet er Nichtschwimmer, 14 Jahre davon im Schulschwimmbad, das die Gemeinden Dippach und Monnerich betreiben. Mit 59 Jahren geht er nun in Pension mit dem Wissen, dass sein Beruf so gefährdet ist wie nie.

Trillerpfeifen sind für Joseph Grüneinsen (59) das letzte Mittel, sich Gehör zu verschaffen. Obwohl er an diesem Tag nur sechs Schüler trainiert, ist es laut. Das Wasser des Monnericher Schulschwimmbades gluckst vor sich hin, die Filteranlagen rauschen. Wenn er unterrichtet, kommt Kindergeschrei hinzu. Seine Stimmbänder seien daran gewöhnt, sagt er.

Nach knapp 40 Jahren Arbeit am Beckenrand sind sie trainiert. Rückenkraul steht an diesem Morgen für die Elf- und 12-Jährigen auf dem Programm. Grüneisens Stimme ist nicht zu überhören. Wenn er „streckt euch mit den Armen … und los!“ ruft, setzen sich alle in Bewegung. Immer wieder korrigiert und fordert er die Schüler: „Mehr Beinarbeit!“ 

Sie sollen sich irgendwann frei im Wasser drehen und wenden können, ohne Angst zu haben. „Viele Kinder können heute keine richtige Spannung mehr aufbauen“, sagt er nachdenklich. „Sie bewegen sich zu wenig.“ Der gebürtige Differdinger selbst ist Geburtsjahr 1962. Da sah die Welt noch anders aus.

Wasser ist sein Metier 

Nach einer Lehre als Elektriker im Stahlwerk weiß er schnell, dass es nicht das ist, was er ein Leben lang machen will. Da hieß die Hütte noch Arbed und lag in den letzten Zügen. Schon er ist 1982 in der „Division de crise“ für Personal, das woandershin delegiert werden sollen. Glücklicherweise hat er da schon die ersten Abschlüsse als Schwimmlehrer in der Tasche.

Er hört auf sein Bauchgefühl und macht weiter bis zum Meistertitel. Die „Coque“ ist die erste Station einer knapp 40 Jahre langen Karriere als Schwimmlehrer. Diese Entscheidung bereut er nie. Wasser, Wärme, die Arbeit in kurzen Shorts, Badeschlappen und T-Shirt bei knapp 30 Grad, das ist sein Metier.

Deshalb friert er im Winter schnell, hüllt sich in Daunenjacken, wenn andere im Freien noch mit leichteren Jacken zurechtkommen. Atlantik? „Zu kalt“, sagt er, ohne zu zögern. „Mittelmeer, das ist schön warm.“ Schwimmen und alles, was damit zusammenhängt, ist seine Leidenschaft. Ihr räumt er viel Platz im Leben ein. Nicht nur, dass er täglich acht Stunden unterrichtet.

Engagement für den Beruf 

Er sitzt in Prüfungskommissionen, bildet angehende Kollegen aus und engagiert sich im Berufsverband, der „Association luxembourgeoise des instructeurs de natation“ (ALIN). Seit Ewigkeiten ist er deren Präsident und erlebt in der letzten Zeit mehr Tiefen als Höhen. Sein Beruf gilt immer weniger.

Zu den Zeiten eines Mark Spitz, Michael Phelps oder des wegen seiner großen Armspannweite „Albatros“ genannten Deutschen Michael Groß geht es ihm gut. Die Bedingungen sind optimal. An diese Spitzensportlegenden erinnert er sich gut. „Sie waren perfekt in allen vier Schwimmstilen“, sagt Grüneisen, den alle „Jupp“ nennen.

Brustschwimmen, Kraul, Rückenkraul und Schmetterling, Millionen sahen zu, wenn es um Medaillen für einen von ihnen ging. „Das lernen wir Schwimmlehrer in der Ausbildung auch“, sagt er. „Und wir lernen, das Nichtschwimmern Schritt für Schritt beizubringen.“ Sicherlich nicht auf Weltrekordniveau, aber mit einem Anspruch, den er für sich seit Beginn seiner Laufbahn formuliert hat.

Abwertung seiner Zunft 

„Kinder sollen sich im Wasser wohlfühlen, angstfrei mit dem Kopf unter Wasser gehen können, richtig atmen und Spaß haben“, sagt er. Das hat mit Sich-über-Wasser-halten-können nichts zu tun. Schwimmlehrer sein ist bis heute für ihn nicht nur ein „Job“ wie alle anderen. Er trägt Verantwortung.

Bis heute freut er sich, wenn seine Schüler sich gut entwickeln und mit einem Lachen im Gesicht ins Wasser steigen. Deshalb schmerzt ihn die Abwertung seines Berufsstandes umso mehr. „Das passiert seit der Reform der Grundschule 2010 systematisch“, sagt er. Damals werden die Aufgaben der Schwimmlehrer im Schulsport auf die Grundschullehrer übertragen.

Die Zahl der Schwimmlehrer sei dadurch erheblich zurückgegangen, heißt es auf der Seite nager.lu. Gerechtfertigt wird das damit, dass Grundschullehrer einen Rettungsschwimmerschein während ihrer eigenen Ausbildung machen müssen und einen kleinen Ausschnitt aus dem Programm für angehende Schwimmlehrer absolvieren.

„Darunter leidet die Qualität“, sagt Grüneisen aus seiner täglichen Erfahrung heraus. Reden tut darüber niemand. So lange, bis etwas passiert. Dann gewinnt das an trauriger Aktualität – wie zuletzt beim Badeunfall an den „Baggerweieren“ im Jahr 2018. 

„Systematische“ Abwertung schmerzt 

2013 geht es in seinen Augen weiter bergab. Der Gesetzgeber verfügt, dass der Grundschullehrer allein für den Schwimmunterricht verantwortlich ist. Der Bademeister regelt nur noch die allgemeine Sicherheit im Becken und am Beckenrand. „Wir haben etwas gelernt, was kein anderer im Land lernt – auch Sportlehrer nicht“, sagt Grüneisen. „Und unser Beruf fällt einer Reform nach der anderen zum Opfer.“

Eine Petition, bei der über 7.000 Unterschriften zusammenkommen, bringt 2015 kein Umdenken. Der jüngste Schlag ins Gesicht der Schwimmlehrer ist das Corona-bedingte Gesetz vom Oktober 2020. Demnach muss Ersatzpersonal in den Grundschulen keinen Rettungsschwimmerschein mehr vorweisen, um eingestellt zu werden. Damit entfällt die gesetzliche Mindestanforderung für den Schwimmunterricht in der Schule.

Grüneisen schmerzt das ungemein – nicht nur als Präsident des Berufsverbandes ALIN. Wenn er im November in Pension geht, ist die Zukunft seines Berufes ungewiss. Seine 40 Berufsjahre sind eine lange Zeit. „Zu mir kommen mittlerweile Großeltern, die bei mir Schwimmen gelernt haben, mit ihren Enkeln“, sagt er nicht ohne Stolz.

Kann er überhaupt aufhören? In Frieden die Schwimmhalle endgültig hinter sich lassen? „Vor einem Jahr wäre es schwierig gewesen, aber jetzt ist der richtige Zeitpunkt“, sagt er. Und er wird nicht ganz weg sein. Das Babyschwimmen will er noch eine Weile weitermachen.