Der Star von Bayern München gilt als Perfektionist, der seinen Körper stählt, seine Ernährung abstimmt, der versucht, das Training, den Sport, die Karriere genau durchzuplanen. „Maschine“ wird er in der deutschen Presse genannt, und dieses Maschinenhafte, Emotionslose verbinden viele Polen mit den Deutschen – und nicht im Guten.
Spontane Aktionen, das Aufbäumen gegen die Spielordnungen, symptomatisch für die Spieler in Weiß-Rot, sind dem 32-Jährigen fremd, ganz zu schweigen von Alkoholeskapaden.
Vom Alltag der Durchschnittspolen ist der Kapitän der Elf auch durch seine Millionen weit weg und auch durch sein Denken: „Fußball ist Kapitalismus pur“, so ein Lewandowski-Spruch. Der weckt kein Gemeinschaftsgefühl. Und im nationalkonservativ regierten Polen, wo die „gewöhnlichen Polen“ gegenüber der „arroganten Elite“ wieder zu Würde und Recht kommen sollen, erst recht nicht.
Auch die aktuelle Mannschaft hat an die Lewandowski-Businessdenke angedockt – seit 2016 hat die Nationalmannschaft einen Vertrag mit einem polnischen Modelabel und zeigt sich in eleganter Herrenkonfektion als Geschäftsleute.
Darum denken viele Polen gerne an die Siebziger- und Achzigerjahre zurück, selbst wenn sie sie nicht erlebt haben. In Zeiten des sonst kargen Sozialismus konnte man den Vertretern des Westens mit einer hochmotivierten Mannschaft Paroli bieten und es kam Glanz in die Plattenbauten. Damals gab es Medaillen – Polen kam bei der Weltmeisterschaft 1974 und 1982 auf den dritten Platz
Letztens waren die Ergebnisse der polnischen Nationalmannschaft bescheiden, Lewandowski fällt das Toreschießen im Zusammenspiel mit den Mitspielern von Bayern München weit leichter.
„Ihm wird ein Thomas Müller fehlen“, heißt es in den sozialen Netzwerken, eine Anspielung auf die mangelnde Koordination in der polnischen Mannschaft.
Zugleich fielen die von dem portugiesischen Trainer Paulo Sousa aufgestellten Stürmer Arkadiusz Milik und Krzysztof Piatek verletzungsbedingt aus.
Doch vor allem die Spiele und das frühe Ausscheiden bei der WM 2018 enttäuschten. Damals gab der Ausnahmespieler den Teamkameraden die Schuld, sie hätten ihn nicht genügend zugespielt. Somit wollte er die „Marke Lewandowski“ rein halten, was ihm Ärger einbrachte.
Kritisch wurden auch die Leistung im Vorfeld gesehen – Polen schaffte beim letzten Freundschaftsspiel gegen Island nur ein Unentschieden (2:2). Dabei klappte erneut das Zusammenspiel mit Lewandowski nicht; Kritiker erregte, dass er zu sehr auf dem Feld herumdirigiert habe.
Nun hofft Polen, dass am heutigen Montag im Krestowski-Stadion in St. Petersburg der Mannschaftsgeist urplötzlich aus der Flasche entweicht. Denn die Slowaken, die sich knapp qualifiziert haben, besitzen, was dem Nachbarn im Norden fehlt – Enthusiasmus.
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