Sipri-JahresberichtFriedensforscher warnen vor nuklearer Aufrüstung

Sipri-Jahresbericht / Friedensforscher warnen vor nuklearer Aufrüstung
Bild aus dem Jahr 2019 eines nordkoreanischen Raketentests. Eine atomwaffenfähige Rakete wird von einem U-Boot aus abgeschossen. Foto: KCNA via KNS/AFP

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Atomwaffen werden weltweit modernisiert. Die Abrüstung ist ins Stocken geraten. Deutlich vermehrt hat sich zudem die Anzahl von schnell einsetzbaren Nuklearwaffen, warnt das Stockholmer Friedensforschungsinstitut (Sipri) in seinem Jahresbericht.

Eine atomwaffenfreie Welt bleibt ein ferner Traum. Dabei schien sie kurz nach dem Ende des Kalten Krieges greifbarer denn je. Weitreichende Abrüstungsabkommen wurden geschlossen. Es gab Hoffnung. Doch drei Jahrzehnte danach will sich keines der neun Atomwaffenländer „in absehbarer Zeit“ von seinen Nuklearsprengköpfen trennen. Die Tendenz sei eher gegenteilig, warnt nun das Stockholmer Friedensforschungsinstitutes (Sipri) in seinem am Montag veröffentlichten Jahrbuch.

Die kleineren von insgesamt neun Atommächten haben demnach von Anfang 2020 bis Anfang 2021 gleichbleibende oder aufgerüstete Atomwaffenbestände. Unverändert blieb das Arsenal Frankreichs (290) und Israels (90). Aufgerüstet wurde in Großbritannien (von 220 auf 225), China (von 320 auf 350), Indien (von 150 auf 156), Pakistan (160 auf 165) und Nordkorea (von geschätzten 30 bis 40 auf 40 bis 50 Atomwaffen).

Abgerüstet wurde bei den für rund 90 Prozent aller Atomwaffen stehenden Supermächten USA (von 5.800 auf 5.550) und Russland (6.375 auf 6.275).

Die weltweite Anzahl von Atomwaffen ist damit von Anfang 2020 bis Anfang 2021 um 2,4 Prozent oder 320 Stück auf 13.080 gefallen. Immerhin: Die Proportionen im Kalten Krieg waren noch ganz andere. 1985 soll es über 60.000 Atombomben weltweit gegeben haben.

Neue Nuklearwaffen

Sorgen macht den Friedensforschern vor allem, dass die seit Ende des Kalten Krieges laufende Abrüstungsphase ins Stocken geraten ist. Der Trend gehe zu einer De-facto-Aufrüstung, die nicht einfach an Stückzahlen abzulesen ist. Trotz Gesamtrückgang ist etwa die Zahl der schnell einsetzbaren Atombomben von 3.720 auf 3.825 Anfang 2021 angestiegen. Rund 2.000 davon – fast alle aus Russland oder den USA – werden in höchster Alarmbereitschaft gehalten.

Russland und die USA entwickeln ganz neue nukleare Waffensysteme. Das betrifft Sprengköpfe, Trägerraketen sowie Flugzeuge. Neue Atomwaffen mit geringerem Streuungseffekt werden entwickelt, um gezielter eingesetzt werden zu können. Diese sogenannten Mini-Nukes könnten die Hemmschwelle zum Einsetzen von Nuklearwaffen deutlich herabsenken, so die Befürchtung.

Zudem scheint laut Sipri die Gesamtzahl von Sprengköpfen – inklusive konventionellen – deutlich zuzunehmen. „Dies ist ein besorgniserregendes Zeichen dafür, dass der rückläufige Trend, der die Nukleararsenale seit Ende des Kalten Krieges prägte, zum Stillstand gekommen ist“, warnt Sipri-Experte Hans Kristensen.

Die in letzter Minute erfolgte Verlängerung von New Start durch Russland und die USA im Februar sei eine Erleichterung gewesen. „Doch die Aussichten für eine zusätzliche, bilaterale nukleare Rüstungskontrolle zwischen den Supermächten bleiben schlecht“, so Kristensen. „Sowohl Russland als auch die USA scheinen die Bedeutung, die sie Nuklearwaffen in ihren nationalen Sicherheitsstrategien beimessen, zu erhöhen“, sagt der Experte weiter.

Nordkorea baut aus

Auch die anderen sieben atomar bewaffneten Staaten entwickeln oder stationieren neue Waffensysteme oder haben das angekündigt. Großbritannien machte eine Kehrtwende. Statt weiterer Abrüstung will London seine Obergrenze für Nuklearwaffen von 180 auf 260 erhöhen. China befindet sich mitten in einer gewaltigen Modernisierung und Erweiterung seines Nuklearwaffenbestandes, und auch Indien und Pakistan scheinen ihre Nukleararsenale zu erweitern.

Nordkorea baut sein militärisches Nuklearprogramm als zentrales Element seiner nationalen Sicherheitsstrategie weiter aus. Während es im Jahr 2020 keine nuklearen Testexplosionen oder ballistischen Langstreckenraketentests durchführte, setzte es die Produktion von spaltbarem Material und die Entwicklung von ballistischen Kurz- und Langstreckenraketen fort.

„Noch immer können wir die gesamte Welt mehrfach vernichten mit dem Atomwaffenarsenal, das wir heute haben, auch wenn es deutlich weniger sind als noch im Kalten Krieg. Eine Welt ohne Atomwaffen wird es wohl nie geben, das ist reine Fantasie. Sie spielen ihre Rolle, und solange ein Land Atomwaffen hat, wollen andere sie auch. Russland beispielsweise sieht sich noch immer als Supermacht. Aber das stimmt bei weitem nicht mehr. Deshalb ist es Moskau so wichtig, an seinem großen Atomwaffenvorrat festzuhalten“, sagt Sipri-Forscher Shannon Kile gegenüber dem Tageblatt.

Wie sah die globale Sicherheitslage 2020 aus?

„Trotz Konfliktausbrüchen, steigender Militärausgaben und dem ersten Jahr einer verheerenden globalen Pandemie, hat sich die globale Sicherheit für Menschen im Jahr 2020 nicht weiter verschlechtert. Ein kleiner Erfolg ist es, dass deutlich weniger Menschen in bewaffneten Konflikten gestorben sind weltweit. Anders als in den Vorjahren hat sich auch der internationale Waffenhandel nicht ausgeweitet. Und der Klimagipfel hat einige bemerkenswerte – wenn auch immer noch unzureichende – Fortschritte bei den Klimazielen erzielt“, fasst Sipri-Direktor Dan Smith die Analyse seines Expertenteams für 2020 zusammen.
Neben einem ausführlichen Bericht zur nuklearen Rüstungskontrolle und der Nichtverbreitung enthält das neue Sipri-Jahrbuch Einblicke in die Entwicklungen konventioneller Rüstungskontrolle für 2020 wie auch regionale Übersichten über bewaffnete Konflikte und Konfliktmanagement, Daten zu Militärausgaben, internationalen Waffentransfers sowie zum Waffenproduktionswesen. Hinzu kommt ein umfassender Bericht über die Bemühungen zur Abwehr chemischer und biologischer Sicherheitsbedrohungen.

Nomi
15. Juni 2021 - 10.11

Geint Atomwaffen gin keng Jonk mei' ob d'Strooss : Wann eng Kei'er een geckeg genuch ass fir ob den Knaepchen ze drecken, dann war et daat mat der Menschheet hirer intelligenz !

jean-pierre goelff
14. Juni 2021 - 10.29

Na,dann forscht mal schön weiter,es wird schon schiefgehen!

Blücher
14. Juni 2021 - 7.34

Die Grünen einst Teil der Kriegsgegner , der Friedensbewegung , sind heute Teil der militärischen Aufrüstung , der militärischen Allianzen . In Deutschland gaben die Grünen am Wochenende bekannt , die Einsätze von Drohnen nicht mehr ablehnen. So werden Wendehälse zu strammen Soldaten , am Ende des politischen Tunnels der Geldbeutel klingelt , kann die Sipri noch so oft vor konventioneller, atomarer Aufrüstung warnen.