KlangweltenEin Album, zwei Meinungen: Die neue Platte von „Rise Against“ polarisiert

Klangwelten / Ein Album, zwei Meinungen: Die neue Platte von „Rise Against“ polarisiert
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Nora Schloesser findet: „Uniformierter Melodic Hardcore“

Mit ihrem neunten Studioalbum liefern Rise Against nach den zwei letzten, eher unspektakulären Alben „Wolves“ (2017) und „The Black Market“ (2014) endlich wieder eine Platte, die sich zeigen oder wohl eher hören lässt. Auch wenn die kürzlich erschienene LP „Nowhere Generation“ etwas durchwachsen ist, weiß die aus Chicago stammende Band erneut mit politischen und weltumfassenden Inhalten zu überzeugen. Die Auseinandersetzung mit dem American Dream, mit Freiheit und den desillusionierenden Aussichten einer ganzen Generation dominiert dabei die Songtexte, die stellenweise etwas mehr Feuer vertragen könnten.

Schnelle, dynamische Strophen und ein etwas sachterer Chorus formen den vielversprechenden Opener „The Numbers“ des Albums, der von der Spannung zwischen Machthaber und denjenigen, die regiert werden, handelt. Der Folgetitel „Sudden Urge“ kann zwar inhaltlich nicht zwingend mit dem Albumeröffner mithalten, so reizt der Song dennoch mit seinen punkig-rockigen Gitarrenriffs. Dagegen wirkt die Single „Nowhere Generation“, die durchaus mit ihren Lyrics über die hoffnungslose Zukunft einer jungen Generation punkten kann, beinahe eintönig – Rise Against scheint hier fast schon in den Mainstream abzurutschen.

Die Platte droht in der Mitte mit den Tracks „Talking To Ourselves“ und „Broken Dreams, Inc.“ ebenfalls etwas abzuflachen. Selbst „Forfeit“, der obligatorische Akustiksong, wie man ihn von den meisten Rise-Against-Platten kennt, kommt sowohl inhaltlich als auch instrumental nicht an Titel wie „Hero of War“ oder „Swing Life Away“ heran. Mit „Monarch“ verleiht die Punkrockband ihrem Album wieder etwas mehr Energie, Wut und Geschwindigkeit, die sich in „Sounds Like“ nur bedingt fortsetzen, wobei dieser Song doch Elemente enthält, die an frühere Tracks der Band erinnern. Während „Sooner or Later“ mit seinem Refrain von Ohrwurmpotenzial zeugt, können die Schlusstitel der Platte, die überdies keine besonderen Erkennungsmerkmale beinhalten, nur halbwegs überzeugen – ein überraschendes Finale bleibt somit aus.

Rise Against beweisen mit „Nowhere Generation“, dass sie nach 20 Jahren immer noch im Melodic Hardcore und Punkrock zu Hause sind, riskieren mit ihrem neuen Album allerdings keine experimentellen Sprünge und bleiben in den meisten Songs des Albums demselben etwas monotonen Grundton treu. (Nora Schloesser)

Anspieltipps: The Numbers, Sudden Urge, Monarch und Sounds Like

Bewertung: 6/10

Jeff Schinker findet: Stop Them If You Think You’ve Heard This One Before

Es ist das ewige Problem alternder Punkbands, die einen festen Platz im Mainstream haben – nicht nur wird es im Laufe der Karriere immer schwieriger, innerhalb eines Genres, das auf simplen Strukturen und Riffs basiert, neue Akzente zu setzen, die Glaubwürdigkeit einer kritisch-linken Band schwindet zudem quasi proportional mit dem Hymnen-Charakter von radiotauglichen Songs.

Bands wie Green Day haben so seit dem plakativ-eingängigen „American Idiot“ Authentizität gegen Mainstream und Radio-Airplay eingetauscht. Ganz so tief sind Rise Against nicht gesunken – nachdem die Band um Sänger Tim McIlrath auf Alben wie „Sireng Song of the Counter Culture“ (2003) und „The Sufferer and the Witness“ (2006) melodischen Punkrock mit Hardcore-Elementen gekonnt kombinierten und diese auf den Nachfolgealben „Appeal to Reason“ (2008) und „Endgame“ (2011) gleichzeitig perfektionierten und massentauglicher gestalteten, gingen der Band auf „The Black Market“ (2014) und „Wolves“ (2017) die Ideen etwas aus.

„Nowhere Generation“ will wieder auf alte Stärken und Wut setzen, irgendwie kauft man dies der Band aber nicht wirklich ab. Klar, Songs wie Opener „The Numbers“ oder das namengebende „Nowhere Generation“ bieten eingängigen, treibenden Punkrock mit Mitsing-Chorus, die Produktion ist allerdings sehr glatt – und für jede gute Nummer gibt es auch verzichtbare Langweiler wie „Talking to Ourselves“. Zudem hat man einfach zu sehr den Eindruck, man habe die meisten dieser Songs bereits gehört. So fällt der Band als Gegenpart zum treibenden Punkrocker („Monarch“) bloß eine weitere pathosgeladene Mid-Album-Ballade („Forfeit“) ein – und selbst die Synthies, die „Sooner or Later“ zu Beginn herausstechen lassen, weichen schnell der üblichen Rise-Against-Formel (auch wenn Tim McIlrath hier endlich mal wieder ein bisschen wütet).

Das ist alles gut gemacht und gekonnt eingespielt, geht aber leider nirgendwohin, sodass man sich fragt, ob der Albumtitel nicht doch die Ziellosigkeit einer Band auf Identitätssuche beschreibt – eine Band, die ihre Songs mittlerweile (und da ist der Songtitel des Openers dann auch wegweisend) „by the numbers“ komponiert. Wer es sich im Mainstream bequem gemacht hat, muss einerseits darauf Acht geben, die Massen nicht zu enttäuschen – und ist wohl andererseits einfach nicht mehr wütend genug. (Jeff Schinker)

Bewertung: 4/10