ParlamentHenri Kox bedauert Eingriff in Pressefreiheit – und liefert seltsame Begründung

Parlament / Henri Kox bedauert Eingriff in Pressefreiheit – und liefert seltsame Begründung
Äußerte sich das Ministerium von Henri Kox allzu salopp, weil der Platz so knapp war? Dazu bestand kein Grund, zumal in einer Mail: Das Pressegesetz sieht vor, dass Gegendarstellungen per Post eingereicht werden. Fotomontage: Frank Goebel

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Im Streit um einen angeblich fehlerhaften Artikel beim Magazin „reporter.lu“ schlägt eine Sprecherin von Polizeiminister Kox vor, den Text gleich ganz zu löschen. Der Minister entschuldigt sich zwar später dafür – doch das betreffende Dokument lässt erneut Fragen offen an der Aufrichtigkeit.

„Die Pressefreiheit in Luxemburg ist ein Grundrecht und eine verfassungsrechtliche Garantie und damit einer der Eckpfeiler jeder Demokratie“ – mit diesen weihevollen Worten beginnt Henri Kox seine Antwort auf die dringende parlamentarische Frage der ADR (Nr. 4385 – Antwort als PDF).

Henri Kox ist als Minister für innere Sicherheit auch für die Belange der Polizei zuständig. In diesem Zusammenhang hatte eine Mitarbeiterin des Ministers eine Journalistin des Netzmagazins reporter.lu kontaktiert. Der Journalistin wurde vorgehalten, ein Artikel über die Reform der Polizei enthalte mehrere Fehler – was mit dem Vorschlag resümiert wurde, den Artikel doch am besten gleich komplett zu löschen.

Kox’ parlamentarische Antwort ist einerseits ein Zurückrudern nach der Intervention, die man nun „unglücklich“ nennt – gleichzeitig antwortet der Minister aber nicht nur der anfragenden ADR, sondern auch auf einen Kommentar zur Affäre, den reporter.lu am 31. Mai veröffentlicht hat.

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Zunächst versichert Kox, es sei nie Absicht des Ministeriums gewesen, Journalisten „zu zensieren oder an ihrer Arbeit zu hindern“. Die Formulierung „Ich bitte Sie, den Artikel zu entfernen“ (im Original: „je vous demande de bien vouloir supprimer l’article“) sei jedenfalls „sehr unglücklich“: „Sollte dieses Vorgehen Zweifel an der Pressefreiheit aufkommen lassen, bitten wir, dies offiziell zu entschuldigen“, erklärt Kox – um dann die Hintergründe der unpassenden Bitte aus Sicht des Ministeriums darzustellen: Im Artikel um die Polizeireform habe es „eine Reihe von sachlichen Fehlern“ gegeben: „Das Ministerium identifizierte insgesamt zwölf Passagen, die nicht wirklich stimmten“, behauptet Kox. Diese hätten dem Artikel einen „fehlerhaften und irreführenden Charakter“ gegeben.

Eine Sprecherin habe daher der Journalistin eine Mail geschrieben, um sie auf die mutmaßlichen Sachfehler hinzuweisen – und das Anschreiben mit der saloppen Bitte beschlossen, den Artikel doch gleich komplett zu löschen. Das sei nämlich am wenigsten kompliziert gewesen – schließlich sei „das Recht auf Gegendarstellung auf 1.000 Zeichen beschränkt, was es ihr nicht erlaubte, auf alle notwendigen Punkte einzugehen“, versucht Kox, das Verhalten zu rechtfertigen.

Eine Erklärung, die Fragen aufwirft. Wenn das Schreiben tatsächlich explizit als „réponse“ gedacht gewesen sein sollte, hätte sie gar nicht per Mail versandt werden dürfen: Das „Gesetz zur Freiheit der Meinungsäußerung in den Medien“ verlangt im Artikel 37 zum Recht auf Antwort („Du droit de réponse“) jedenfalls eine andere Form: „Der Antrag ist spätestens am neunzigsten Tag nach der Ausstrahlung per Einschreiben mit Rückschein an den Verlag zu senden.“

Rechen-Schwäche?

Kox beschreibt im weiteren Verlauf seiner parlamentarischen Antwort, dass die Journalistin den Vorschlag zur Löschung des Artikels zwar entrüstet zurückgewiesen habe, es später aber doch zu einem konstruktiven Dialog gekommen sei: „Unserer Meinung nach ist dieses Gespräch positiv verlaufen“, schreibt Kox und erklärt, die Journalistin habe den Abdruck eines „Dementis“ abgelehnt – aber dann den Weg einer offiziellen Gegendarstellung angeregt, was man angenommen habe:

„En éischten Droit de réponse ass de 5. Mee u reporter.lu adresséiert ginn“, schreibt Kox. Damit räumt der Minister hier ein, dass erst dies die erste formelle Eingabe war. Tatsächlich war diese dann auch so verschickt worden, wie es das Gesetz vorsieht – nämlich als Brief.

Dass Kox wenige Zeilen zuvor die Lösch-Aufforderung seiner Sprecherin damit zu relativieren versuchte, dass man nicht zu viele Worte habe machen dürfen, wirft Fragen auf: Entweder kennen oder verstehen der Minister und seine Sprecher nicht das Gesetz zur Pressefreiheit, die zu schützen sie per Amtseid geschworen haben – oder sie benutzen das Gesetz für den Versuch, eine Verfehlung gegenüber dem politischen Gegner und der Öffentlichkeit zu kaschieren.

Es geht auch anders

Für reporter.lu-Chef Christoph Bumb drängt sich der „Eindruck eines – im Vergleich mit allen anderen staatlichen Verwaltungen – äußerst unprofessionellen Umgangs von Minister Kox und seinen Mitarbeitern mit Journalisten“ auf. Die erste eingesandte Gegendarstellung sei im Übrigen viermal so lang gewesen wie erlaubt, erst nach einem weiteren Anlauf veröffentlichte man den Einwurf aus dem Ministerium – dem man inhaltlich nach wie vor entgegentrete: Eine missverständliche Formulierung habe man frühzeitig als solche erkannt und geändert. Den Vorwurf, dass der Artikel vor Fehlern nur so strotze, weise man mit Nachdruck zurück. Dieser Hinweis auf „vermeintliche Fehler“, so Bumb, sei  „offensichtlich die Fortsetzung einer politischen Einflussnahme auf kritischen Journalismus mit fragwürdigen Mitteln“.

Zudem zeige die Regierung ja auch, wie es anders geht: Eine weitere, parallel erfolgte parlamentarische Antwort zum gleichen Thema (aber auf Anfrage von CSV-Abgeordneten) durch Staats- und Medienminister Xavier Bettel sei „eine aufrichtige Entschuldigung und professionelle Klarstellung“, findet Bumb.

Aioli
10. Juni 2021 - 19.28

Herr Kox wäre gut beraten endlich seinen Stuhl zu verlassen. Inklusiv mit verschiedenen anderen Kumpanen.

Gilles Louschetter
10. Juni 2021 - 16.16

Herr Kox ist sicher hundertprozentig mit seinem Wohnungsnot Ministerium ausgelastet, so dass die fleißigen Beamten im Polizei Ministerium sich verselbständigen. Hauptsache man ist nachgerückter Doppelminister. Mann darf gespannt sein auf das Ranking der Politelite in der Sonntagsfrage.

trotinette josy
10. Juni 2021 - 15.21

Den Här Kox dierft bekannt sinn fir vill ze soen wann den Dag laang ass.

MmeCecile
9. Juni 2021 - 18.46

Bei dem Schwachsinn was auf der genannten Seite geschrieben wird, ist es normal, dass man danach fragt einen Artikel mit einer katastrophal hohen Anzahl an Fehlern zu Löschen. Freiheit für Journalismus ist keine Karte, die man ziehen kann, wenn die Qualität schlimmer ist als ein Aufsatz eines Grundschülers.

Robert Jeanpaul
9. Juni 2021 - 18.36

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Blücher
9. Juni 2021 - 17.50

Den Gründerväter/mütter der Grünen müssen sich schaudern, ihre Ziehsöhne/töchter in den politischen Gefilden und Benehmen angekommen sind, das sie einst bekämpften.