DeutschlandIn Sachsen-Anhalt erleben die Grünen erneut ein Benzinpreisdebakel – und bleiben trotzdem bei ihrer Forderung

Deutschland / In Sachsen-Anhalt erleben die Grünen erneut ein Benzinpreisdebakel – und bleiben trotzdem bei ihrer Forderung
Hat sich Annalena Baerbock mit der Ankündigung, den Benzinpreis erhöhen zu wollen, vertan? Foto: Kay Nietfeld/dpa

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Wiederholt sich Geschichte so exakt? Vor 23 Jahren wurden die Grünen schon einmal wegen einer Benzinpreisdebatte von den Wählern verprügelt. Jetzt wieder.

In Sachsen-Anhalt erlebte Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock am Sonntag einen herben Dämpfer für ihre Ambitionen, auch weil sie mitten in der Schlussphase des Wahlkampfes eine Erhöhung des Benzinpreises um 16 Cent ab 2023 ins Gespräch gebracht hatte. Die Ähnlichkeiten sind frappierend. Im März 1998 waren die Grünen eigentlich ebenfalls im Höhenflug, als ihre Delegierten ausgerechnet in Magdeburg auf einem Bundesparteitag einen höheren Benzinpreis beschlossen. In jährlichen Schritten sollte er im Rahmen einer „ökologischen Steuerreform“ auf fünf D-Mark gebracht werden. Das wären nach heutigen Preisen ungefähr vier Euro je Liter.

Als „Benzinpreis-Beschluss“ ging das in die Geschichte ein. Es setzte Prügel von allen Seiten. Die CDU startete eine Kampagne „Lass dich nicht anzapfen“, und SPD-Kanzlerkandidat Gerhard Schröder erklärte den potenziellen Koalitionspartner für nicht regierungsfähig. „Grüner Alptraum“, titelte Bild. Dass die Grünen die Einnahmen in Form einer wegfallenden Kfz-Steuer an die Bürger zurückgeben wollten, ging unter. In Magdeburg flog die Partei, die dort gerade noch mitregiert hatte, bei den unmittelbar folgenden Wahlen aus dem Landtag und auch bei der Bundestagswahl im Herbst sackte sie auf 6,7 Prozent ab. Dass es damals doch noch für Rot-Grün im Bund reichte, lag einzig an der starken SPD.

An einem Punkt endet die Parallele: Heute haben sich mit Ausnahme der AfD alle Parteien dem Klimaschutz verschrieben. Gerade erst haben CDU und SPD per Kabinettsbeschluss Minderungsziele für den CO2-Ausstoß in allen Sektoren vorgelegt. Demnach soll der Verkehr allein bis 2030 rund 43 Prozent weniger Kohlendioxid produzieren. Ab 2025 will auch die Koalition 55 Euro je Tonne CO2 nehmen. Baerbock nur zwei Jahre früher. Ein CO2-Preis von 25 Euro ist schon großkoalitionäres Gesetz und hat das Benzin seit Anfang des Jahres um rund sechs Cent verteuert.

Verdrusspotenzial

Der Co-Vorsitzende Robert Habeck nannte nach den Beratungen des Parteivorstandes am Montag als Hauptproblem des grünen Wahlkampfes in Sachsen-Anhalt, dass man das Benzinpreisthema „nicht hinreichend gut erklärt“ habe. Vor allem sei nicht klargemacht worden, dass die Einnahmen aus der CO2-Steuer auf Benzin komplett an die Bürger zurückgegeben werden sollen. Und zwar zu gleichen Teilen, sodass Wenigverbraucher sogar noch Geld verdienen. Dass dieses Modell mal „Energiegeld“, mal „Klimabonus“ heiße, sei möglicherweise schon ein Teil des Problems. Außerdem hätten die Grünen den anderen Parteien durchgehen lassen, dass sie nicht nach den Konsequenzen ihrer Klimakonzepte gefragt worden seien. Das Vorantreiben des Klimaschutzes lasse „auf der Rückseite Verdrusspotenzial entstehen“, analysierte Habeck. Allerdings sei es bundesweit wohl nicht so schwierig wie in Sachsen-Anhalt.

Ungeachtet aller negativen Erfahrungen jetzt und vor 23 Jahren soll die Benzinpreis-Forderung am kommenden Wochenende nun förmlich von einem digitalen Parteitag als Teil des Wahlprogramms beschlossen werden. Auch Baerbock bekräftigte am Wahlabend trotzig, dass es kein Zurück gebe und auch keine unterschiedlichen Wahlaussagen in Ost und West: „Wir werden mit unseren Themen klar, offen und ehrlich in den Wahlkampf gehen.“