Alain spannt den BogenAuf Entdeckungsreisen

Alain spannt den Bogen / Auf Entdeckungsreisen
Dirigent Christoph König Foto: Christian Wind

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Für das SEL-Konzert vom vergangenen Montag hatte Dirigent Christoph König wieder einmal ein interessantes Werk ausgegraben. Diesmal handelte es sich um das Violinkonzert von Albert Hermann Dietrich, einem Freund von Johannes Brahms und Robert Schumann.

Es ist denn auch ein Konzert im klassischem Sinne und lehnt sich eng an die von Brahms und Max Bruch an, ohne allerdings deren Meisterschaft zu erreichen. Dietrichs Tonsprache ist interessant, auch sein Umgang mit der Violine und dem Orchesterapparat.

Allerdings fehlen dem Violinkonzert wirklich zündende Ideen und schöne Melodien, insbesondere in den beiden Ecksätzen. Dem Solisten Klaidi Sahazci, Konzertmeister der Solistes Européens Luxembourg und des Orchesters der Tonhalle Zürich, stellte das Werk dann auch keine Probleme.

Mit sattem, erdigem Ton einerseits, einer angenehmen, nie aufdringlich wirkenden Virtuosität andererseits lotete er das Stück bis ins kleinste Detail aus und bot somit eine herausragende Leistung. Auch die SEL unter Christoph König spielten das Dietrich-Werk mit größtem Engagement und absoluter Perfektion.

Begonnen hatte das Konzert mit drei z.T. rasant und stimmungsvoll gespielten Ungarischen Tänzen – Nr. 1, 3 und 10. Schon hier merkte das Publikum, dass sich das Orchester in sehr guter Verfassung und in bester Spiellaune präsentierte. Und die wurden dann besonders in der 3. Symphonie von Robert Schumann sehr deutlich.

Ein großes Lob geht hier an die fantastischen Blechbläser; der goldene Klang der Hörner-Gruppe ist absolut Weltklasse! Christoph König dirigierte die Symphonie mit unbändiger Gestaltungslust und lud seine Musiker quasi dazu ein, einfach mitzumachen. Das Resultat konnte sich hören lassen. Eine wundervoll gespielte, dynamische und mit höchster Innenspannung und natürlichem Atem versehene Rheinische war das Resultat, die, wie auch das Violinkonzert von Dietrich, lautstark bejubelt wurden. Den 1. Ungarischen Tanz von Brahms gab es dann noch einmal als Zugabe.

Am Vormittag hatte dann auch die Pressekonferenz der Solistes Européens Luxembourg stattgefunden. Auch für die Spielzeit ’21/’22 haben die Verantwortlichen wieder ein spannendes Programm mit außergewöhnlichen Werken auf die Beine gestellt und verfolgen so konsequent ihr musikpädagogisches Konzept weiter, Unbekanntes mit den großen Werken der Musikliteratur zu kombinieren.

So werden wir in der nächsten Spielzeit Bekanntschaft mit der Musik von Josef Suk, William Boyce, Ernest Chausson und Georges Auric machen. Starviolinist Gil Shaham wird das Violinkonzert von Beethoven spielen, Gerhard Oppitz wird mit dem 2. Saint-Saëns-Konzert zu hören sein und der Trompeter Sergej Nakariakov wird Jörg Widmanns Ad absurdum interpretieren.

Ein besonderer Leckerbissen erwartet die Opernfreunde. Startenor Juan Diego Florez wird zusammen mit den Solistes Européens Luxembourg und Christoph König eine Opern-Gala geben. Dieses Konzert findet in Zusammenarbeit mit Les Amis de l’Opéra statt, die sich vor kurzem endgültig aufgelöst haben. Neben den sechs Orchesterkonzerten laden ebenfalls sechs Camerata-Konzerte zur Begegnung mit interessanter Kammermusik und jungen Künstlern ein.

Und eine gute Nachricht noch zum Schluss. Christoph König, der ab der Spielzeit ’22/’23 den Posten des musikalischen Direktors beim Spanischen Radio-Sinfonie-Orchester übernimmt, hat seinen Vertrag mit den SEL bis Ende ’24/’25 verlängert und wird somit auch weiterhin seine Arbeit in Luxemburg mit Dynamik, Fantasie und Kompetenz weiterführen. (weitere Informationen: www.sel.lu)

Kraft und Kontrast

Die soeben erschienene neue CD des Orchestre Philharmonique du Luxembourg auf Pentatone ist eine kleine Sensation. Gustavo Gimeno und seine Musiker sind das Risiko eingegangen, eine CD mit ausschließlich Werken des zeitgenössischen spanischen Komponisten Francisco Coll (*1985) einzuspielen. Die Idee dazu ging wohl auf das Auftragswerk zurück, das das Orchester bei Coll bestellt hatte. Dieses Violinkonzert wurde 2019 mit der Geigerin Patricia Kopatchinskaja uraufgeführt und ein Jahr später für diese CD aufgenommen.

Coll ist ein noch junger Komponist, doch werden seine Werke bereits von den großen Orchestern weltweit gespielt. Alleine das macht schon hellhörig. In der Tat schreibt Francisco eine ungemein spannende Musik, der man sich als Hörer nicht entziehen kann und die auch auf CD ihre Wirkung voll entfaltet. Ähnlich wie die Musik von Magnus Lindberg oder Christopher Rouse lebt sie von Kraft und Kontrasten.

Die hier eingespielten Werke – neben dem Violinkonzert sind es Hidd’n Blue op. 6 (2009-11), Mural (2013-15), For Iberian Miniatures (2014) und Aqua Cinerea op. 1 (2005/19) – zeigen dann auch die Entwicklung Colls, vor allem aber beeindrucken sie durch eine sichere, klangprächtige und äußerst ansprechende Musiksprache.

Gustavo Gimeno scheint dann auch mit der Musik seines Landsmannes bestens vertraut. Mit großem Können und Gefühl führt er das OPL durch diese tolle, anregende Musik, regelt die Dynamik, gibt Raum zum Atmen und vermittelt während der 80 Minuten Spieldauer Konzentration, Innenspannung und Interpretationsfreude.

Und die Musiker des OPL folgen ihrem Chef ohne zu zögern und liefern eine grandiose Leistung bei allen Werken. Ehrlich, hört man diese CD blind ab, so könnte man genauso gut auf das London Symphony Orchestra oder auf die Berliner Philharmoniker tippen.

Dass das OPL hier so klar und farbenprächtig klingt, liegt natürlich auch an dem exzellenten Aufnahmeteam von Polyhymnia International, das hier beste Arbeit leistet und Colls Musik wie auch die Interpretationen ideal in Szene setzt.

Patricia Kopatchinskaja, die ja sehr aufgeschlossen für neue Musik ist, begeistert denn auch durch höchste Intensität und Spielkultur, das sowohl beim Violinkonzert als auch bei den Four Iberian Miniatures für Violine und Kammerorchester. Eine in jeder Hinsicht hörenswerte und preisverdächtige Aufnahme!