MeinungDer Antisemitismus und der Nahost-Konflikt auf deutschen Straßen

Meinung / Der Antisemitismus und der Nahost-Konflikt auf deutschen Straßen
Protest am Samstag auf dem Hermannplatz in Berlin: Antisemitismus muss entschieden bekämpft werden, Proteste und Kritik an der israelischen Besatzungspolitik im Westjordanland und Ostjerusalem gehören aber zur Meinungsfreiheit dazu Foto: AFP/Stefanie Loos

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Was sich erneut am Wochenende auf deutschen Straßen abgespielt hat, ist zutiefst beschämend und schockierend. Der offene Antisemitismus, der gegrölte Hass gegen Juden, die daraus folgende Gewaltbereitschaft und die Attacken auf die Polizei – all das muss Konsequenzen haben.

Innenminister Horst Seehofer ist zwar immer rasch zur Stelle, wenn es darum geht, „die volle Härte des Rechtsstaates“ einsetzen zu wollen. Jetzt wieder. Meist passiert dann aber wenig. Doch diesmal können sich der Staat und seine Repräsentanten dies erst recht nicht erlauben: Deutschland hat eine ganz besondere Verantwortung für den Schutz jüdischer Menschen und ihrer Gemeinden; die Sicherheit jüdischen Lebens und das Existenzrecht Israels sind Staatsräson und damit nicht verhandelbar. Das sind Lehre und Verpflichtung aus der deutschen Geschichte und dem Holocaust. Kanzlerin und Bundespräsident betonen das immer wieder. Angela Merkel tat dies sogar 2008 bei ihrer viel beachteten Rede vor der israelischen Knesset.

Im Berliner Stadtteil Neukölln und anderswo hat sich gezeigt, dass angesichts des neuen Gaza-Krieges der Hass gegen Juden diesmal vor allem von radikalen Muslimen, türkischen Nationalisten und Anhängern der palästinensischen Hamas ausgeht. Das ist nicht neu und genauso wenig akzeptabel und tolerierbar wie der Alltags-Antisemitismus. Selbstverständlich darf auch hierzulande für Palästina demonstriert werden; die israelische Regierung und ihre Politik zu kritisieren sind kein Tabu, wie mitunter suggeriert wird.

Doch wer israelische Fahnen verbrennt, „den Juden“ den Tod wünscht und wie ein Mob durch die Straßen zieht, hat in Deutschland schlichtweg nichts verloren. Das ist das eine. Das andere ist: Wenn erwartbar auf Demonstrationen die Vernichtung Israels gefordert wird, dann muss die Versammlung auch verboten und das Verbot durchgesetzt werden. Wer hier also keine klaren Kanten einzieht und durchgreift, der bereitet dem Antisemitismus weiter den Boden und bestärkt nur jene, die ihn predigen. Jetzt muss der Staat alle Hebel in Bewegung setzen, um die Täter zu identifizieren und sie zu belangen. Macht er dies nicht, wird der Nahost-Konflikt noch länger auf deutschen Straßen ausgetragen werden.

Hassdelikte

Allerdings verbreitet sich der Antisemitismus zunehmend auch in der Mehrheitsgesellschaft, nicht zuletzt durch unsägliche Verschwörungstheorien in der Corona-Pandemie. Die kürzlich vorgestellte Statistik der politisch motivierten Kriminalität belegt ebenfalls, dass die antisemitischen Hassdelikte weiter auf dem Vormarsch sind – im vergangenen Jahr stiegen sie um 15 Prozent auf über 2.300 Taten. Dem Einhalt zu gebieten, ist gewiss keine einfache Aufgabe; es ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, die bei der Wahl der Worte beginnt und im Miteinander nicht endet. Was übrigens nicht hilft, ist ein politisch wie neuerdings auch medial ausgetragener Streit darüber, wer sich nun am klarsten gegen offenen Antisemitismus positioniert und wer nicht. Am Ende bleiben dann nur die Taten aus.

Palamunitan
20. Mai 2021 - 16.40

Die Asselbornsche und Brüsseler Hetzkampagne gegen Israel trägt ihre Früchte... Kein weiteres Kommentar... Kauft Kamele und werdet Kameltreiber... Es gibt höhere Interessen.

Taxpayer
20. Mai 2021 - 8.57

Methusalem: Soso. Gaza ist also wie das Warschauer Judenghetto und die armen Palästinenser haben keine Waffen. Faktencheck: Nach Angaben der World Diabetes Foundation gehört Diabetes Typ 2 zu den häufigsten chronischen Krankheitsbildern in Gaza und der Westbank, und zwar mit erwiesenen 15,3% sowie geschätzten 18-21% (verglichen mit einem durchschnittlichen 6%-Anteil für den Rest der Welt). Ein Vergleich mit einem Warschauer Ghetto, wo die Menschen bekanntlich auf der Strasse vor Hunger tot umfielen ist daher nicht nur historisch unsinnig und moralisch unmöglich, er ist geradezu grotesk. Und ob die bisher abgeschossenen knapp 4000 Raketen einer "ungenügenden" Bewaffnung entsprechen, wage ich ebenfalls zu bezweifeln.

Blücher
19. Mai 2021 - 13.52

@Methusalem:Nachtrag zu meinem vorherigen Kommentar und vielleicht Ihnen begreiflich zumachen in welchen trüben Gewässer Sie umhersegeln.Semit ist ein pseudowissenschaftlicher Begriff der Rassentheorie der Antisemiten.(Judenfeinde) . Dühring 1833-1921, Vordenker des Nationalsozialismus)hatte schon im 19 Jahrhundert das Wort des Antisemitismus dem Wort des Antihebraismus gleichgestellt.

Methusalem
19. Mai 2021 - 8.35

Antisemitismus ist wenn man Semiten (= Nachkommen von Sem) attackiert. Dazu gehören auch die palästinensischen Araber. Ihnen wurde 1948 ihr Land gestohlen (oder sie wurden Jahrzehnte vorher schon unter Morddrohung gezwungen es zu verkaufen), ihnen wurden die elementarsten Rechte als Staatsbürger verweigert, sie leben wie einst die Juden im Warschauer Ghetto (Gaza), ihre Grenzen sind hermetisch abgeriegelt, die Besatzungsmacht kassiert Steuern auf Handelswaren, sie werden bis heute zwangsenteignet, tausende sind ohne Grund in Gefängnissen der Besatzungsmacht, sie haben ungenügend Waffen um sich zu verteidigen, usw usw ... Wer ist also Antisemit ?

Realist
17. Mai 2021 - 16.10

Antisemitismus im Gewand der mit gespielter "Man wird doch noch sagen dürfen..."-Empörung vorgetragenen Israelkritik gibt es europaweit. Und das nicht nur seitens der Migranten-Community aus dem islamischen Kulturkreis, deren Mitglieder - sorry, liebe political correctness - den in ihren Heimatländern endemischen Judenhass ungestört importieren, sondern auch anderswo. Hierzulande erstaunlicherweise eher weniger vernehmlich aus dem Paralleluniversum unserer paar rechtsextremen Spinner heraus, dafür um so öfter und lauter im politisch links bis linksextrem verorteten Milieu. So kann es heute durchaus vorkommen, dass man von nassforschen "Systemchangern" und Antifas, die womöglich gerade eben noch neben BLM-Aktivisten gegen "strukturellen Rassismus" demonstrierten, in den Kommentarspalten der Presseartikel und Leserbriefen zum Thema Nahost als "Juden-Sympathisant" (sic!) angeraunzt wird, nur weil man die Mär von den Palästinensern als unschuldigen "Opfern" des "Aggressors" Israel nach soundsoviel tausend Raketen und soundsoviel verpulverten EU-Steuermilliarden nicht mehr hören mag. Und es sind unzweifelhaft dieselben Leute, welche dieses verlogene Narrativ im Internet bedienen, die aktuell auch mit ihren roten Fahnen und ihren historisch bedrückend wirkenden "Boycott Israel"-Schildern daneben stehen, wenn ein türkisch- oder arabischsprachiger Mob vor deutschen, belgischen, niederländischen (bald auch luxemburgischen?) Synagogen judenfeindliche Sprechchöre skandiert. Vermutlich ist im Umgang mit solchen Phänomenen ein Paradigmenwechsel überfällig. Nämlich die Anerkennung der simplen Tatsache, dass der bei jeder israelischen Replik auf palästinensische Terrorangriffe unverhohlen gezeigte Antisemitismus auf den Strassen Europas weder "neu", noch eine irgendwie "verständliche" Folge des Nahostkonfliktes ist, sondern der Nahostkonflikt ganz einfach das Resultat des alten und altbekannten Antisemitismus.

Blücher
17. Mai 2021 - 11.37

Eigentlich müsste die europäische Politik aufhorchen. Dieser Konflikt zeigt uns eindeutig auf , konventionelle Kriege durch bürgerkriegsähnliche Zustände ,Terror wie die Hamas ihn praktiziert abgelöst werden. Auch in Europa besteht diese Gefahr der Destabilisierung durch solche Kräfte. Gerade die Gewaltbereitschaft und das agressive Vorgehen der Demonstranten gegen die Politik Israels auf europäischen Straßen lässt die Äußerungen der französischen Militärs in Neuem Lichte erscheinen. Das als nationale Gefasel abgetane Kommuniqué zu den Risiken von Bürgerkriegen dieser Soldaten scheint mir doch nicht so abwegig zusein.