Israel„Die Angst ist schwer zu beschreiben“: Eine Studentin aus Luxemburg erlebt die Raketenangriffe

Israel / „Die Angst ist schwer zu beschreiben“: Eine Studentin aus Luxemburg erlebt die Raketenangriffe
Blick über die Stadt in friedlicheren Zeiten: Emilie Wildschutz studiert seit vergangenem Oktober in Israel – und steckt jetzt mitten in dem aufgeflammten Konflikt  Foto: privat

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Studenten unterbrechen ihren Zoomcall mit den Freunden daheim meist aus unwichtigeren Gründen als einem Raketenalarm. Doch die Luxemburgerin Emilie Wildschutz studiert in Israel, unweit von Tel Aviv. Und so sind einige ihrer Bekannten an ihren Laptops vom Großherzogtum aus live dabei, als Emilie am Mittwochabend die Panik ins Gesicht schießt.

Es wurde auch Emilie Wildschutz eingebläut, seit sie im vergangenen Oktober mit ihrem Master in Genetik am Weizmann Institute of Science begonnen hat: Wenn die Sirene aufheult, hast du 90 Sekunden bis zum nächsten Schutzraum. „Man weiß, dass es plus, minus okay ist, die Wahrscheinlichkeit gering bleibt, tatsächlich getroffen zu werden“, sagt Emilie, „aber die Angst, die durch den Körper fährt, wenn der Alarm losgeht, ist schwer zu beschreiben.“ Emilie nennt sie dann „Panikangst“. Ihren israelischen Freundinnen gehe es dabei nicht besser, sagt Emilie, obwohl sie die Erfahrung kennen. Offenbar lässt sich gegen Bomben keine Gewöhnung aneignen.

Es sind die schlimmsten Auseinandersetzungen zwischen Israel und den Palästinensern seit fast zehn Jahren. Israel fliegt Luftangriffe auf den Gazastreifen, die Hamas feuert Raketensalven nach Israel auf Städte wie Ashkelon oder Tel Aviv – Jehovot liegt ziemlich genau in der Mitte. In dem arabisch-jüdischen Chaos breiten sich rassistische Mob-Attacken immer weiter aus. Israels Militär plant jetzt eine mögliche Bodenoperation im Gazastreifen. Beide Seiten beklagen Tote: Auf palästinensischer Seite waren das bis Donnerstagmittag 67 Menschen, darunter 17 Kinder, auf israelischer Seite bislang sieben Menschen.

Nacht im Schutzraum

In diesem aufgeflammten Nahostkonflikt befindet sich jetzt auch Emilie Wildschutz. Es ist Mittwochabend, als wir sie am Telefon erreichen, knapp 24 Stunden nach dem von Sirenen abgebrochenen Video-Gespräch mit ihren Freunden daheim. Die 24-Jährige klingt müde und aufgekratzt. Sie hat den Großteil der vergangenen Nacht in einem Schutzraum verbracht, gerade eilt sie vom Einkaufen zurück – es gibt keine Zeit zu verlieren, mehrfach wurde sie tagsüber gewarnt, in E-Mails der Uni und in Chatgruppen auf WhatsApp, Facebook und Telegram: Die Angriffe werden weitergehen, entfernt euch nicht zu weit vom nächstgelegenen Schutzraum! Die Spannungen der vergangenen Wochen hätten alle mitbekommen, sagt die Studentin, „aber niemand hat gedacht, dass das passieren würde, was gestern geschehen ist“.

Raketenbeschuss aus Gaza: Kompromisslosigkeit herrscht auf beiden Seiten 
Raketenbeschuss aus Gaza: Kompromisslosigkeit herrscht auf beiden Seiten  Foto: AFP/Anas Baba

Mental bereitet Emilie sich bereits auf die anbrechende Nacht vor. In ihrem Wohngebäude am Campus hat jedes Stockwerk einen Schutzraum, meist recht normale Zimmer, die von ihrer Ausrichtung her schwer zu treffen sind, wo man eigentlich sicher ist. Aber es wird wieder über ihr knallen, sie wird die Einschläge wieder spüren, vielleicht wird sie wieder beobachten können, wie die israelische Verteidigungsanlage „Iron Dome“ Raketen der Hamas am Himmel abschießt.

Warten auf den Angriff

„Ein komisches Warten auf den nächsten Angriff“, sagt die Luxemburgerin, vorher habe sie das alles nur aus dem Fernsehen gekannt, aus Zeitungen. Doch sogar jetzt bleibe das alles irgendwie abstrakt. „Dass da Bomben hin- und herfliegen und auf beiden Seiten Menschen töten, ist schwer realisierbar – auch wenn man drinsteckt.“ 

Wenn alles gut geht, wird Emilie irgendwann am Donnerstagabend wieder in Luxemburg sein. Ihr Rückflug war schon länger geplant. Covid hatte ein Wiedersehen mit Familie und Freunden bislang unmöglich gemacht. Ob ihr Flug ins verlängerte Wochenende in der friedlichen Heimat abheben kann, entscheidet jetzt nicht mehr eine Gesundheitskrise, sondern ein aufgeflammter Konflikt, den die Welt am liebsten vergessen hätte.