KunsteckeDer „Schamane“ Beuys wäre heute 100 Jahre alt geworden

Kunstecke / Der „Schamane“ Beuys wäre heute 100 Jahre alt geworden
Joseph Beuys im Jahr 1979 Foto: dpa

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Am 12. Mai 1921 in Krefeld geboren, am 21. Januar 1986 in Düsseldorf gestorben, Joseph Beuys, der Künstler mit dem Filzhut, wäre heute 100 Jahre alt geworden. Auch wenn der Schamane nicht mehr unter uns weilt, seine Arbeiten sind in zahlreichen Museen präsent, seine Aktionen bleiben in Erinnerung. Das im Januar eingeläutete Beuys-Jahr zeigt: Sein Werk lebt, seine Gedankengänge und Gesinnungen liefern nach wie vor Stoff für Interpretationen, und internationale Anerkennung zeugt davon, dass der zwar umstrittene und unbequeme Künstler/Kunstprofessor viele seiner Schüler nachhaltig beeindruckt und die Kunstwelt generell geprägt hat. Im Rückblick, unter heutigen Gesichtspunkten betrachtet und an den Standards der globalen Weltentwicklung gemessen, erweisen sich viele seiner Theorien, Behauptungen und Forderungen als „realitätsfremd“. Wie er sich wohl heute, 35 Jahre nach seinem Tod, dazu äußern würde?! Wer sich eingehender mit der künstlerischen Erbschaft und der Lebensgeschichte dieses Ausnahmekünstlers beschäftigen möchte, dem sei zur Vorbereitung individueller Kunstreisen zu den zahlreichen Ausstellungen die Webseite www.beuys2021.de empfohlen. Das Kunstmagazin „art“ hat 33 temporäre Ausstellungen für das laufende Jahr sowie elf Sammlungen wie Dauer-Ausstellungen mit dem Logo „Beuys“ in seiner April-Ausgabe aufgelistet. Auf zur Beuys-Tour!

Einige Lichtpunkte im Beuys-Jahr

Jedes Museum, das Werke besitzt, und jede Stadt, die sich irgendwie im Leben und Werk des Joseph Beuys wiederfindet, organisieren heuer eine Retrospektive, ein Symposium und/oder eine offizielle Gedenkveranstaltung, kurzum Deutschland erinnert an seinen berühmten Sohn. Die seit Januar laufende Ausstellung mit einer Gegenüberstellung der Werke von Schülern und Lehrern in der Akademie-Galerie Die Neue Sammlung in Düsseldorf ist dabei sicherlich ein Lichtpunkt. Dazu eine kurze Rückblende: 1947 wurde Beuys als Schüler in die Klasse von Ewald Mataré aufgenommen, 1951 wurde er gar sein Meisterschüler. Beuys war zu der Zeit stark von der Ästhetik des Werkes von Mataré beeinflusst. Parallel zu dieser Schau wird eine Widmung des Künstlers Jörg Immenhoff an Beuys gezeigt, der diesen, wie viele seiner Mitstreiter, als Lehrer und „charismatische Künstlerpersönlichkeit“ präsentiert. Wichtig bei Beuys sind bekanntlich nicht nur das geschaffene Werk, sondern auch seine zahlreichen kunsttheoretischen wie politischen Aussagen, die weit über das rein künstlerische Element hinausreichen. Darum konzentriert sich die K20 Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf auf den Einfluss und die Darstellung des globalen Denkens im Werk des visionären Schamanen, auch wird der famose Satz „Jeder ist ein Künstler“ unter die Lupe genommen. Doch damit nicht genug. In Konferenzen und auf einer öffentlichen Plattform wird das Demokratie-Konzept des Künstlers sowohl sachlich dargelegt als auch kontrovers diskutiert.

Neben der langjährigen Wirkungsstätte von Beuys tun sich mehrere Städte bei der Ehrung dieses Ausnahmekünstlers hervor, etwa Aachen mit einem Symposium „Beuys, Fluxus und Impakt“ im Juni oder Bedburg-Hau mit einer Ausstellung „J B und die Schamanen“ seit Anfang Mai, derweil in Bonn das Verhältnis „Beuys – Lehmdruck“ ab dem 25. Juni untersucht wird. Beuys hatte zu diesem ein besonderes Verhältnis, da er durch eine Skulptur von Wilhelm Lehmdruck seine Auseinandersetzung mit der Plastik neu und intensiver anging. Ein paar Tage vor seinem Tod 1986 erhielt Beuys den Wilhelm-Lehmdruck Preis.

Aus den zahlreichen Expo-Terminen seien nur einige hervorgehoben. Wichtig für den Künstler war stets der Blick nach vorn: „Die unsichtbare Skulptur“, eine Projektion über die Zukunft der Kunst nach Beuys, läuft aktuell in der Stiftung Zollverein/Ruhr Museum. Gab es Vorbilder für den deutschen Allroundkünstler? Eine interessante Frage fürwahr, der man mit der Konfrontation „Beuys und Duchamp“ im Kunstmuseum Krefeld, Kaiser-Wilhelm-Museum, ab Oktober nachgehen wird. Empfehlenswert auch die Expo „Der Katalysator“ zum Thema „Beuys und die Demokratie heute“ im Museum Morsbroich in Leverkusen.

Der Run auf Beuys und sein Werk schreckt vor fast nichts zurück. Es werden selbst Radtouren unter dem Motto „Beuys & Bike“ vorbei an „Spuren und Zeugnissen“ angeboten, um das „Leben und Wirken von Beuys aktiv erfahrbar“ zu machen. Sanfter Kunsttourismus in einer gestressten Zeit.

Stichworte zu Leben und Werk

In Krefeld geboren und in Kleve als Kleinkind herangewachsen, war Beuys im entsprechenden Alter und musste im Zweiten Weltkrieg Militärdienst absolvieren. Der Legende nach wurde sein Flugzeug abgeschossen, er als verletzter Soldat von russischen Bauern aufgenommen und gesundgepflegt. Zeitweilig in Filz eingehüllt, um die Kälte zu überstehen, entwickelte er später ein eigenartiges und ganz persönliches Verhältnis zu diesem Material, das neben Fett und Wachs in zahlreichen Arbeiten eine große Rolle spielte.

Nach dem Krieg besuchte er von 1947 bis 1951 die Kunstakademie in Düsseldorf, war Schüler von Ewald Mataré, um später zwischen 1961 und 1972 selbst Lehrer an dieser Akademie zu werden. Beuys drückte sich anfangs in Zeichnungen aus, erweiterte in den 60er Jahren den Kunstbegriff, artikulierte dies in rätselhaften Zeichnungen mit Figur und Knäuel sowie Objekten. Aus dem Chaos-Begriff leitete er Formgestaltung ab, nutzte oben genannte Materialien, da sie den Gegensatz von fest und flüssig mittels Einwirkungen perfekt illustrierten. Der Künstler mochte Gegensätze, spielte mit diesen in Aktionen, mit Objekten aller Art und überraschenden Theorien. Seine unzähligen fast rituellen Aktionen, ob in Galerien oder anlässlich der Documenta in Kassel, bleiben im Bewusstsein vieler Kunstfreunde. Anlässlich der bedeutenden Documenta in Kassel lancierte er auch seine Bewaldungsaktion mit 7.000 Eichen, die er ab 1982 dort im öffentlichen Raum anpflanzen ließ. Mit Objekten wie der „Honigmaschine“ oder anderen Initiativen bewegte er sich progressiv von der Objektplastik zum Konzept der „sozialen Plastik“, eine Vision, die ihn in den ökologischen Raum und die Notwendigkeit des Natur- und Klimaschutzes orientierte. Er trat selbst bei den Europawahlen 1979 auf der Liste der Grünen an. Er warb für kreatives Denken, basisdemokratisches Handeln, kurzum, er ermutigte die Menschen, „mitzudenken“, sich in die Gestaltung der Gesellschaft einzubringen. Dass er vor recht kuriosen Aktionen nicht zurückschreckte, davon zeugt u.a. sein bekanntes 24-Stunden-Happening 1965 in Wuppertal. Beuys inspirierte sich an diversen Strömungen, seine politische Haltung war nicht immer eindeutig, doch das Wohl des Menschen als „Ganzes“ betrachtet und sein Wunsch nach einer besseren, gerechteren Welt standen stets im Mittelpunkt, wobei sein Ego sich selbstredend vielseitig entfaltete.

Das Gesamtwerk des Joseph Beuys ist komplex. Ob in seiner Heimat oder anderswo, der Künstler hat überall eindrucksvolle Spuren hinterlassen. Kritiker und Experten werden sich ein ganzes Jahr lang in Deutungen ergehen. Uns bleibt der ihm zugesprochene Raum im Hamburger Bahnhof oder die monumentale Raumplastik im Museum für Moderne Kunst in Frankfurt genau wie unsere Begegnung in Kassel anlässlich einer seiner legendären freien Konferenzen im Rahmen der Documenta in guter Erinnerung.

Wie stets bei solchen Anlässen kramen Sammler und Kunstbegeisterte sowohl Fotografien als auch Objekte und Werke hervor, Andenken an den zu ehrenden Meister, die es gilt, stolz den Mitmenschen vorzuführen. Die Ausstellung „Torn out of Time“ mit Fotografien von Ute Klophaus zeigt Joseph Beuys in Aktion. Diese Lichtbilder sind ab dem 21. September im Von der Heydt-Museum in Wuppertal zu sehen.

Ob es auch in Luxemburg zu einer Hommage in Form einer Konferenz oder einer Ausstellung kommen wird, sei dahingestellt. Multiples, signierte Postkarten sowie kleinere Werke des Künstlers hat es vor Jahren mal in einer Luxemburger Galerie gegeben. Trotz Reiseeinschränkungen ist es uns wichtig, auf einige Veranstaltungen im Beuys-Jahr hinzuweisen, denn er und seine Kunst können uns nicht gleichgültig sein, auch in Luxemburg, da sowohl gestandene heimische Künstler als auch viele Kunstfreunde ihn etwa in Kassel anlässlich der Documenta oder in der Akademie in Düsseldorf live in Aktion erlebt haben.

Claude
12. Mai 2021 - 14.18

"Ist das Kunst oder kann das weg?"

Lucilinburhuc
12. Mai 2021 - 10.23

Beuys ist einer dieser Menschen die man besser als Marketing Genie statt Künstler bezeichnen soll.