Umwelt Müllerthal: Die Sache mit dem Müll und wie Corona ein zeitloses Problem verschärft

Umwelt  / Müllerthal: Die Sache mit dem Müll und wie Corona ein zeitloses Problem verschärft
„Wanterbaach“ in der Gemeinde Berdorf: Hierhin zieht es schon immer viele Kletterer Foto: Editpress/Claude Lenert

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Das Problem ist so alt, wie es Verpackungen gibt. Die Corona-Krise hat es nur verschärft. Mitten im Wald, auf Waldparkplätzen oder an Einfahrten zu den Forstwegen: Müll im Wald schadet der Natur, die viele gerade als neue (Bewegungs-)Freiheit schätzen lernen.

Förster wie Fränk Adam (36) spüren die Symptome als erste. „Spätestens nach Pfingsten wussten wir, was auf uns zukommt“, sagt er. „Am ‚Schéissendëmpel’ standen die geparkten Autos kilometerweit entlang der Straße und daneben lag der Müll.“ 

Er spricht vom Mai 2020. Alles ist damals geschlossen. Die Menschen suchen nach Alternativen, ihre vier Wände zu verlassen. Fast taggleich mit dem Ausnahmezustand beginnt schönstes Frühlingswetter. Da liegt es nahe, den Sonnenschein in der Natur zu genießen.

Im Mai 2020 zählt der Tourismusverband „Office régional du tourisme Région Mullerthal – Petite Suisse luxembourgeoise“ (ORT) mit etwas mehr als 14.500 Besuchern knapp 2.000 mehr als im gleichen Monat des Jahres 2019. Der Aufwärtstrend hält das ganze Jahr über.

Der „Run“ auf die Natur

Im November 2020 verdoppelt sich die Besucherzahl auf den Wanderwegen in der Region Müllerthal von rund 6.000 im Jahr 2019 auf rund 12.000. Für Adam und seine Kollegen heißt das mehr Arbeit. 930 Hektar groß und größtenteils im Besitz der Gemeinde Berdorf ist das Waldgebiet, das er betreut. Die Touristikgemeinde mit rund 2.000 Einwohnern ist vor allem bei Kletterern ein Begriff.

Bei gutem Wetter tummeln sie sich an Standorten wie „Wanterbaach“ mit den tief abfallenden Felsen und dem weiten Blick. Als Klientel, deren Sport eng mit einer intakten Natur verbunden ist, wissen sie, sich im Wald zu bewegen.

Der Lockdown bringt neue und in der Natur unerfahrene Besucher auf das 400 Kilometer lange Wanderwegenetz der Region. „Der Bezug zur Natur ist heute – je nach Wohnsituation – ein anderer als früher“, sagt Anette Peiter (46), Geschäftsführerin der Initiative „Leader Regioun Mëllerdall“.

Respekt für den Wald 

„Vielen fehlt der Sinn für einen respektvollen Umgang“, sagt sie. Peiter sitzt als einer der Projektpartner in der Arbeitsgruppe, die die Sensibilisierungsaktion „Propper Regioun“ entwickelt. Förster Adam beschäftigen achtlos weggeworfene Zigarettenkippen oder Plastikverpackungen schon seit seiner Anfangszeit in der Gemeinde Berdorf vor zehn Jahren.

Mit dem coronabedingten Ansturm an Besuchern wird das Verhalten zum Problem. „Vielen Leuten fehlen die Reflexe“, sagt er. „Wir vergiften uns selbst, das ist nicht allen bewusst.“ Im Wald lassen, was dorthin gehört, und wieder mitnehmen, was nicht hineingehört, ist seine Philosophie.

Diese Überzeugung teilen auch andere. Dafür, dass sie bei möglichst vielen ankommt, unternehmen die Touristikexperten vor Ort einiges. Für die Kampagne „Däi Bësch – mäi Bësch“ gibt es 2014 den „Eco Award“ der Europäischen Wandervereinigung (EWV). 2020 knüpft das ORT an die internationalen „Clean Up Days“ an.

Zu viel Müll 

Zwar macht die „Fédération luxembourgeoise d’escalade, de randonnée sportive et d’alpinisme“ (Flera) jedes Jahr eine Putzaktion. 2020 ist es jedoch ein Event in der ganzen Region Müllerthal. 2021 folgt das Sensibilisierungsprojekt „Propper Regioun“. „Wir sind dafür da, das zu erklären“, sagt die Geschäftsführerin des ORT, Linda Salentin (36). „Natur und Tourismus kann nur funktionieren, wenn jeder seins dazu beiträgt.“

Das heißt Piktogramme mit Verhaltensregeln statt Verboten an den Wegen sowie Sensibilisierung und Begleitung. Für Förster Adam bedeutet das neben Naturschutz und Waldbewirtschaftung: Mülltonnen an strategisch wichtigen Punkten wie den Ein- und Ausgängen in den Wald aufstellen und regelmäßige Reinigungsaktionen.

Zwei Mitarbeiter sind montags und freitags jeweils acht Stunden lang damit beschäftigt, den Wald sauber zu halten. Adam und seine Kollegen von der Forstverwaltung sind am Wochenende an den einschlägigen Plätzen unterwegs und sprechen Besucher an. So wie am Grillplatz auf „Kasselt“, der ein Treffpunkt ist. Der Wald ist ein empfindliches Ökosystem, das ohnehin zu kämpfen hat.

Der Klimawandel setzt ihm zu. Sich mit dem Wald zu beschäftigen, heißt, in langen Zeiträumen von 200 bis 300 Jahren zu denken. „Worüber wir heute entscheiden, beurteilen die Menschen drei bis vier Generationen später“, sagt Adam. Förster und Naturverwaltungen bemühen sich überall im Land, die Wald-Ökosysteme nach bestem Wissen und Gewissen zu schützen. Dabei müssen alle helfen.

Müll ist überall ein Problem

Das Problem Müll gibt es nicht nur im Wald. Jedes Jahr werden Tonnen von Verpackungen entlang von Straßen und Gehwegen entsorgt. Die letzte in Luxemburg durchgeführte Studie zum Thema stammt aus dem Jahr 2015. Damals wurden allein entlang der Autobahnen durchschnittlich 216 Kilogramm Abfall pro Kilometer gesammelt, entlang der Nationalstraßen 103 Kilogramm. Da gab es noch kein Corona. Für die Reinigung entlang dieser Straßen beziffert das Landwirtschaftsministerium auf seiner Webseite Kosten in Höhe von rund 1,2 Millionen Euro pro Jahr. Metalldosen gehören mit 18 Prozent Anteil am Gesamtvolumen zu den am häufigsten weggeworfenen Gegenständen. Der zweithäufigste Abfall waren Plastikflaschen (15 Prozent des Gesamtvolumens) und die mit Abstand größte Fraktion, der Kunststoffabfall, macht rund 29 Prozent des Gesamtvolumens aus. Die nächste Studie zum Thema soll Ende 2021/Mitte 2022 realisiert werden.