EditorialEin Blick in den Schritt: Über Sexismus im Frauensport

Editorial / Ein Blick in den Schritt: Über Sexismus im Frauensport
Der Leistung von Turnerin Sarah Voss (D) hat das zusätzliche Polyester nicht geschadet … Foto: AFP/Fabrice Coffrini

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Einst sagte einer dieser alten weißen Männer: „Lassen wir Frauen doch in anderen Tenues spielen als Männer.“ Es blieb (leider) nicht beim peinlichen Zitat des damaligen FIFA-Präsidenten Sepp Blatter – 2004 im Interview mit dem Schweizer Boulevardblatt Blick –, der mit seiner Aussage „heutzutage spielen schöne Frauen Fußball“ sogar noch etwas tiefer in die Sexismus-Kiste griff.

Dass der unangenehme Senior damals jeglichen Respekt vor Fußballerinnen vermissen ließ, verdeutlichten zudem seine gravierenden Wissenslücken in Bezug auf das Regelwerk: So behauptete Blatter tatsächlich, man hätte den Damen einen leichteren Ball zur Verfügung gestellt, um der weiblichen Ästhetik entgegenzukommen. Nicht nur, dass die erste Behauptung schlicht und ergreifend falsch ist – auch wird durch die herablassende Erklärung im zweiten Teil der Aussage deutlich, worauf scheinbar der eigentliche Fokus liegt: Frauen dürfen gerne Fußball spielen, solange sie dabei schön anzusehen sind.

Bekleidung und Erscheinung – in der weiblichen (!) Sportwelt – sind auch 17 Jahre später noch immer brandaktuell. Bei der Turn-Europameisterschaft in Basel hat die Deutsche Sarah Voss in der vergangenen Woche ein Zeichen für mehr Selbstbestimmung gesetzt. Nicht etwa durch laute Parolen, sondern ganz einfach durch etwas mehr Stoff, als es in dieser Disziplin üblich ist. Sie bedeckte ihre Beine komplett und turnte in einem langen Gymnastikanzug. 

Ihre Mannschaftskollegin Elisabeth Seitz erklärte gegenüber stern.de, warum das gesamte Team am finalen Tag auf den ungewohnten Look setzte: Im Internet finden sich immer wieder Fotos, „die mir auch überhaupt nicht gefallen, eben weil mir in den Schritt fotografiert wurde. Turnen ist viel zu schön, um genau so ein Bild nehmen zu müssen“, sagte die 27-Jährige. Wenn Fußballer nach einem Sieg oben ohne für die Memoiren und Facebook posieren, geschieht das aus freien Stücken. Bei unglücklichen Schnappschüssen teils minderjähriger Turnerinnen, deren tiefe Einblicke in die Privatsphäre die Runde im Internet machen, ist die Sachlage definitiv anders.

Besonders trist ist allerdings die Tatsache, dass zusätzlicher Stoff nach den Regeln des „Code de pointage“ durchaus erlaubt ist, sich die Athletinnen aus „sportlichen“ Gründen aber nicht trauen, ihre Garderobe (trotz des Unwohlseins) den eigenen Präferenzen anzupassen. Es könnte ja einer der Juroren die Kleiderwahl unterbewusst abschätzend benoten. 

Das eigentliche Problem hat also nichts mit der Länge des Anzugs zu tun, sondern mit altbackenen Einstellungen gegenüber Frauen in der Sportwelt. Auch Turnerinnen müssen bei ihren Ausführungen an die Leistungsgrenze gehen – und am besten Schmerzen weglächeln. Solange die Kleidung keinen Einfluss auf die sportliche Leistung hat, sollte jedes Mädchen, jede Dame frei über ihren Grad an Freizügigkeit entscheiden dürfen. Gleiches galt bereits im Februar für zwei deutsche Beachvolleyballerinnen, die eine Turnierteilnahme in Katar absagten, weil man sie dort nur in längeren Shorts sehen wollte. 

Ästhetik ist ein subjektiver Blickwinkel – aber er darf die Grenze zum Sexismus nicht überschreiten. Schon gar nicht, wenn es ältere weiße Männer irgendwann einmal so entschieden haben.

de spëtzbouf
1. Mai 2021 - 9.52

Es gibt halt Leute, Menschen, Frauen, Männer, denen kann man es nicht recht machen, die finden überall ein Haar in der Suppe und wenn nicht spucken sie selbst in die selbige.

Nomi
28. April 2021 - 17.44

D'Problemer sin net vum selwen do, mee d'Problemer gin vun den Menschen gemeet ! Geif et keng Menschen ob der Aerd, wiren keng Problemer do !

jean
28. April 2021 - 14.51

oh my God!

Blücher
28. April 2021 - 7.17

@Diederich: Zum Thema „ alte weiße Männer „. In einer belebten Fußgängerzone konnte ich am helllichten Tag letztlich die lauthalsigen anzüglichen Bemerkungen einer Gruppe von Männern im Alter zwischen 25 und. 35 Jahren über enge Kleidung , Aussehen ,...passierender Frauen, Fräuleins mithören. Als inzwischen ergrauter , alter Mann der 68 Bewegung finde ich diesen pauschalen. Begriff eine Diskriminierung , abwertende Stigmatisierung aller alten , ergrauten Männer. Eigentlich müsste in Zeiten wo die Diskussionen über Rassismus, Ethnien , Wörter wie Indianer oder Indianerbilder schon als abwertend angesehen werden, sogar eine grüne Politikerin im Ausland sich für den Kindertraum des Indianer entschuldigen musste, auch der pauschalisierende Begriff „ alter weisser Mann „aus dem Sprachgebrauch verbannt und Index gesetzt werden. Ohne die Mithilfe , die Unterstützung vieler alten , weißen Männer der 68 Bewegung ,...hätten Sie , die Frauen im Allgemeinen nicht die heutigen Freiheiten .Übrigens gibt es inzwischen genug Literatur, Presseartikel , geschrieben von fortschrittlichen Frauen,zum abwertenden Begriff des „ alten weißen Mannes“