UnternehmenSMS Group seit heute alleiniger Besitzer von Paul Wurth

Unternehmen / SMS Group seit heute alleiniger Besitzer von Paul Wurth
Nicht nur die Besitzverhältnisse verändern sich. Künftig will das Technologieunternehmen auch einen neuen Firmensitz in Hollerich errichten. Foto: Editpress/Alain Rischard

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Der Vertrag ist unterzeichnet: Der Luxemburger Staat hat seine Anteile an Paul Wurth an die SMS Group verkauft. Letztere wird damit zum alleinigen Besitzer des Technologie-Unternehmens. Im Gegenzug hat der deutsche Familienbetrieb der Regierung eine Reihe Versprechen gegeben. Im Rahmen einer Pressekonferenz standen die an der Transaktion beteiligten Parteien am Mittwoch der Presse Rede und Antwort.

Das 1870 als „Kesselfabrek“ in Hollerich gegründete Unternehmen Paul Wurth ist heute, laut eigenen Angaben, weltweit marktführend in der Auslegung und Lieferung von Technologien und Anlagen zur Roheisenerzeugung. Darüber hinaus hat sich Paul Wurth auch in der Planung und Koordinierung von großen regionalen Bau- und Infrastrukturprojekten spezialisiert. International ist Paul Wurth mit seinen über 1.500 Mitarbeitern und Standorten in etwa 20 Ländern in allen Regionen der Welt mit einer wesentlichen Eisen- und Stahlindustrie vertreten. Die Gesellschaft erwirtschaftete 2019 einen Umsatz von 479,2 Millionen Euro und einen Nettogewinn von 14,4 Millionen Euro.

Die Geschichte des Unternehmens ist eng verbunden mit der der Luxemburger Stahlindustrie. Seit 1926 war der Stahlhersteller Arbed wichtigster Anteilseigner des Technologie-Unternehmens. Nach und nach baute das Unternehmen seine Kenntnisse und seine Patente im Bereich des Anlagenbaus weiter aus, mal durch eigene Forschung, mal durch Zukäufe. Der erste komplett von Paul Wurth gebaute Hochofen wurde 1954 in Seraing (Belgien) errichtet. Etwa 240 Hochöfen hat die Gesellschaft seitdem gebaut. Bereits seit 1920 werden Anlagen nach China exportiert.

Als nach der Übernahme von Arcelor durch Mittal Steel der Konzern entschied, alle Bereiche, die nicht zum Kerngeschäft gehörten, zu veräußern, wurde die 48,1 prozentige Beteiligung, die der Stahlhersteller noch hielt, an die SMS Group verkauft. Zeitgleich hatte auch die Beteiligungsgesellschaft Luxempart ihre 11-prozentige Beteiligung dem deutschen Konzern verkauft. Seitdem hält die SMS Group die Mehrheit (59,1 Prozent) des Firmenkapitals. Im Rahmen der Stahlkrise hatte die Arbed 1982 etwa die Hälfte der Firmenanteile an Luxemburger Banken verkauft.

Eine Frage der industriellen Logik

Dass der deutsche Konzern alleiniger Besitzer des Unternehmens wird, war ursprünglich nicht geplant. „Dass der deutsche Konzern die absolute Mehrheit bei Paul Wurth ansteuert, befürchtet (Red.: Wirtschaftsminister Etienne) Schneider nicht“, hieß es damals. „Der Staat wolle die absolute Mehrheit auf keinen Fall abgeben und es sei nicht das Ziel von SMS, diese zu erlangen.“ Mittlerweile hat scheinbar jeder seine Meinung geändert. Wie vor wenigen Wochen bekannt wurde, wird der Staat nun doch seine Anteile (etwa 40 Prozent) an den deutschen Konzern verkaufen. Direkt hielt der Staat bisher 10,98 Prozent des Kapitals, die „Société nationale de crédit et d’investissement“ (SNCI) 18,84 Prozent und die Spuerkeess 10,98 Prozent. Gemeinsam mit dem Verkauf wurde eine Kooperationsvereinbarung ausgehandelt. Diese wurde am Mittwoch unterzeichnet.

Hinter der Meinungsänderung stehe eine strukturelle Veränderung in der Stahlindustrie und eine neue industrielle Logik, wurde am Mittwoch im Rahmen einer Pressekonferenz erklärt. „Die Stahlindustrie steht vor den größten Umwälzungen seit vielen Jahren“, so Edwin Eichler, Präsident des Verwaltungsrates der SMS Group. Es sei notwendig geworden, die Kräfte beider Firmen zu bündeln. Gemeint sind einerseits die aktuellen Überkapazitäten und andererseits der Kampf gegen den Klimawandel. Daher habe das Unternehmen vor etwa zwei Jahren Kontakt mit dem Wirtschaftsministerium aufgenommen.

Name und Logo von Paul Wurth werden künftig weltweit für mit Wasserstoff hergestelltem, grünen Stahl stehen

Georges Rassel, Generaldirektor von Paul Wurth

„Die Zeiten ändern sich“, sagt auch Georges Rassel, Generaldirektor von Paul Wurth. Auf dem Weg hin zu grünem Stahl gebe es Bedarf, um neue technische Lösungen zu entwickeln. Immerhin stehe der Sektor für rund acht Prozent des globalen CO2-Ausstoßes. „Der Wandel muss jetzt passieren, und er muss schnell passieren“, so Rassel. „Der Druck nimmt mit jedem Tag zu. Doch wir wollen beim grünen Stahl die Ersten sein.“ Unter anderem in China sind mittlerweile neue Konkurrenten entstanden. Auch Edwin Eichler ist in Eile: „Die nächsten 24 Monate werden entscheidend“, sagt er. „Da wird in der EU über die kommenden Großprojekte entschieden.“ Langfristig geht es um sehr viel Geld, das investiert werden muss. Er rechnet mit neuen Anlagen im Wert von rund 100 Milliarden Euro, die nötig sein werden.

Es gelte nun, Fachwissen und Kompetenzen zusammenzulegen, so Rassel weiter. Nur zusammen könne man „alles“ anbieten. Luxemburg soll dabei, wie bereits angekündigt zum Kompetenzzentrum für grünen Stahl innerhalb der SMS-Gruppe werden. Dazu werde mit der Universität zusammengearbeitet. Und der laufende „Plan de maintien dans l’emploi“ soll bei der Umschulung von Mitarbeitern helfen. Gemeinsam mit SMS habe man mehr Möglichkeiten, um neue Technologien zu entwickeln, und auch bei Dienstleistungen werde man wettbewerbsfähiger. „Zusammen sind wir bereit für die nächste Etappe von Paul Wurth in Luxemburg“, so Rassel. „Name und Logo von Paul Wurth werden künftig weltweit für mit Wasserstoff hergestellten, grünen Stahl stehen.“

Ausschlaggebend war eine Veränderung in der Stahlindustrie, unterstreicht auch Michel Wurth, Präsident des Verwaltungsrates des 151 Jahre alten Luxemburger Technologieunternehmens. „Und auch der Wille, die Technologien in Luxemburg zu entwickeln.“ Es sei ein „wichtiger Tag in der Geschichte der Gesellschaft“, so der Urenkel von Paul Wurth. Den Käufer aus Deutschland kennt er bereits sehr gut. Seit 2014 ist er Mitglied im Verwaltungsrat der SMS-Gruppe.

Die Reise in Richtung „grüner Stahl“

Auch Luxemburgs Wirtschaftsminister Franz Fayot unterstreicht, die industrielle Logik hinter der Transaktion. „Der Verkauf macht absolut Sinn“, sagt er. Der Zusammenschluss schaffe ein „neues zukunftsorientiertes Paul Wurth“. Er sei „sehr froh“ über diese Entwicklung. Die Gesellschaft habe zudem „eine Zukunftsvision, die voll in unser Konzept passt“. Zudem bleibt der Name bestehen und auch für die Beschäftigung gibt es – zumindest kurzfristig – eine Garantie. „Wir haben einen neuen Champion in der Metallurgie geschaffen“, sagt der Minister. Am langfristigen Erfolg zweifelt Fayot nicht. „Wir liegen voll im Trend. Es ist ein guter Tag für die Luxemburger Wirtschaft.“ Zudem hat der Käufer Interesse an einer regelmäßigen Zusammenarbeit mit der Luxemburger Regierung. Zumindest in den kommenden paar Jahren wird er zwei Vertreter der Regierung in den Verwaltungsrat von Paul Wurth berufen.

„In vielen Ländern waren die Ingenieure von Paul Wurth früher wie die Botschafter des Landes“, so Geschäftsführer Georges Rassel
„In vielen Ländern waren die Ingenieure von Paul Wurth früher wie die Botschafter des Landes“, so Geschäftsführer Georges Rassel Foto: Editpress/Alain Rischard

Über den Verkaufspreis wurde Stillschweigen vereinbart. Der Staat hat aber mit Sicherheit einen guten Gewinn erwirtschaftet. Immerhin hatte er seine 11 Prozent im Jahre 2008, mitten in der Finanzkrise, für nur einen Euro von Fortis erhalten. Im Gegenzug wurde damals die Bank vor dem Zusammenbruch gerettet, was sich schlussendlich auch als gutes Geschäft herausstellte. Die eine Hälfte des nun erhaltenen Kaufpreises soll in den Staatshaushalt einfließen, die andere Hälfte soll in den Luxemburger Zukunftsfonds/Staatsfonds fließen, sagte Fayot.

Die Immobilien und Grundstücke, die im Besitz von Paul Wurth waren, wurden in eine neue gemeinsame Gesellschaft ausgegliedert. Hier gelten weiter Anteile wie bisher. In dem neuen Stadtviertel, das auf diesem Gelände in Hollerich entstehen wird, wird Paul Wurth ebenfalls eine neue moderne Firmenzentrale errichten.

Die SMS Group ist ein deutsches Familienunternehmen, in vierter Generation, das wie Paul Wurth auf industriellen Anlagenbau spezialisiert ist. Die Gruppe ist jedoch deutlich breiter aufgestellt und beschäftigt fast zehnmal so viele Mitarbeiter (15.000). Weltweit sei die Gruppe am Wachsen, so Edwin Eichler. In Deutschland gehe die Zahl der Mitarbeiter etwas zurück. Die Ursprünge der Gesellschaft liegen in einer 1871 gegründeten Schmiede aus Siegen, aus der sich in den folgenden Jahren die Siegener Maschinenbau AG (Siemag) entwickelte, ist bei Wikipedia nachzulesen. Nach der Übernahme der Hütten- und Walzwerktechnikaktivitäten der Mannesmann-Sparte Demag nannte sich das Unternehmen ab 1999 einige Jahre SMS Demag AG.

Michel Wurth, Franz Fayot, Edwin Eichler und Georges Rassel
Michel Wurth, Franz Fayot, Edwin Eichler und Georges Rassel Foto: Editpress/Alain Rischard
Roland
23. April 2021 - 8.15

ech hätt mech geschummt fir op d'Foto ze kommen.

Jacques
22. April 2021 - 8.21

Alt erem een Stéck Lëtzebuerg verkaaft