RümelingenDas Projekt Albert-Hames-Haus – eine neue Form des Tourismus und kreativen Schaffens

Rümelingen / Das Projekt Albert-Hames-Haus – eine neue Form des Tourismus und kreativen Schaffens
Das Albert-Hames-Haus soll zu einem touristischen und kulturellen Anziehungspunkt werden Foto: Lucien Montebrusco

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Das alte Bergarbeiterstädtchen Rümelingen will sich neu erfinden – nicht auf industrieller, sondern auf kultureller Basis. Geburtshelfer ist das Atelier- und Wohnhaus des Bildhauers Albert Hames. In der rue des Bruyères soll eine neue Form des Tourismus gefördert werden.

Ein schmiedeeisernes Tor verschließt derzeit noch den Zugang zu diesem nach Aussagen von Experten einmaligen Schatz. Begeistert sei man gewesen, als Kulturverantwortliche erstmals einen Blick in die Werkstätte des Künstlers werfen konnten, erinnert sich Bürgermeister Henri Haine. So, als ob Albert Hames seine Wirkungsstätte soeben verlassen habe, hieß es. Tatsächlich verstarb Hames im Jahr 1989. Das 2011 unter Denkmalschutz gestellte Gebäude wurde 2019 an die Stadt Rümelingen verkauft. Seither machte man sich Gedanken über die Nutzung der Immobilie.

Eine Wiederholung bestehender kultureller Einrichtungen habe man unbedingt vermeiden wollen, sagt Haine. Der Süden ist bereits reich an Orten, die an die industrielle Vergangenheit erinnern. Das Albert-Hames-Haus selbst grenzt an das Nationale Bergbaumuseum.

Pünktlich zum Jahr Europäische Kulturstadt „Esch2022“ präsentiert Rümelingen Rëm.xx – ein von NJoY und The Impact Lab entwickeltes Projekt des kreativen Tourismus und ein bisher in Luxemburg und in der Großregion einmaliges Konzept. Die Gäste, die auf Wunsch auch während einiger Tage im Haus selbst leben können, sollen Kultur nicht nur passiv konsumieren. Sie können sich aktiv einbringen, selbst kreativ werden. „Le tourisme créatif est considéré comme une nouvelle génération de tourisme pour son caractère interactif qui invite les touristes à découvrir la culture locale en participant à des activités artistiques et créatives avec les autochtones (co-création d’expériences)“, definiert das „creativetourismnetwork“ das Konzept. Das in Barcelona angesiedelte Netzwerk zählt laut eigener Internetseite u.a. die Unesco und mehrere Hochschulen zu seinen Partnern.

Die Vergangenheit (fast) hautnah erleben

In Rümelingen werden den Besuchern und Bewohnern Instrumente zum Erleben und Mitgestalten von Virtual-Reality- und Augmented-Reality-Inhalten zur Verfügung stehen. Sie können in die Vergangenheit der Ortschaft und der Region, aber auch in die Schaffenswelt des Bildhauers eintauchen. Sie werden dort weilenden Künstlern über die Schulter schauen und, falls erwünscht, sich selbst einbringen können. Je nach Lust und Laune. Mithilfe der digitalen Technologien kann an bestehenden Kunstwerken experimentiert werden. Wer möchte, kann selbst neue virtuelle Kunstwerke schaffen, allein oder zusammen mit anderen Kunstinteressierten, sogar aus der weit entfernten anderen Kulturhauptstadt 2022, Kaunas in Litauen. Der Besucher wird bei der Buchung selbst bestimmen, wie tief er in diese kreative Atmosphäre eintauchen will: Verbraucher, Beobachter, Voyeur, Teilnehmer, Mitgestalter oder als für den kreativen Prozess verantwortlicher Künstler, heißt es in der Beschreibung des Projekts.

Das Hames-Haus werde ein „lieu de création, d’apprentissage et d’experimentation artistique“ sein, wo immersive Technologien wie Virtual Reality und Augmented Reality als Vektor genutzt werden, fasst Remo Bei, Koordinator des Projekts, das Vorhaben zusammen. „Wir suchen künstlerische Interdisziplinarität. Wie können wir die neuen immersiven Technologien mit den klassischen Kunstrichtungen zusammenarbeiten lassen, um etwas Neues zu schaffen, eventuell eine neue Disziplin?“ Bildhauer, Maler, Musiker, jeder sei willkommen, sagt Bei. Die Gästezimmer stünden Touristen, aber auch Künstlern zur Verfügung, die in Rümelingen Workshops durchführen möchten.

Die Skulptur mit dem Titel „Familie“ von Albert Hames steht vor dem Kayler Rathaus
Die Skulptur mit dem Titel „Familie“ von Albert Hames steht vor dem Kayler Rathaus Foto: Lucien Montebrusco

Da auch das Virtuelle einer konkreten materiellen Grundlage bedarf, muss in einer ersten Phase das Atelier- und Wohnhaus des Künstlers instandgesetzt werden. Das derzeit leerstehende Atelier wird so wieder hergerichtet, wie man es vorfand. Es soll den zukünftigen Besuchern Einblick in das Schaffen des Bildhauers ermöglichen. Die Werkstatt selbst ist nicht zugänglich. Über sogenannte „Chambres-voyeur“ wird man jedoch hineinspähen können. Das Haus wird des Weiteren über mehrere Kreativräume und eine Galerie/Lounge verfügen. Gästezimmer stehen für Künstler und Touristen bereit.

Ein Neubau kommt hinzu

Die große Neuerung ist die geplante, 14 Meter lange und 11 breite Annexe hinter dem Hames-Haus, vom Architektenbüro Architecture 2001 entwickelt. Hier sind u.a. mehrere Ateliers vorgesehen. Das wird eine hauptsächlich in Leichtbauweise errichtete, lichtdurchflutete Struktur, betont Bürgermeister Haine. Eine vier Meter lange Passerelle verbindet sie mit dem Wohnhaus des Bildhauers. An den Seitenmauern der beiden Gebäude zieht sie ein 27 Meter langer Wintergarten, in dem u.a. Ausstellungen und Toninstallationen ausgerichtet werden können. Das Nachbarhaus, in dem die Eltern des Bildhauers lebten, werde erst in einer zweiten Phase erneuert und genutzt werden, so Bürgermeister Haine. Hier sind insbesondere weitere Gästezimmer vorgesehen.

Die Stadt lässt sich das Ganze einen schönen Batzen Geld kosten. Allein für die Instandsetzung des ehemaligen Atelier- und Wohnhauses, den Bau der Annexe und des Wintergartens sind rund vier Millionen Euro veranschlagt. Angesichts rapide steigender Baukosten könnten noch zusätzliche Mittel erforderlich sein. Hinzu kommen nochmals 900.000 Euro für das Rëm.xx-Projekt, wobei bei letzterem die „Esch2022 asbl.“ die Hälfte beisteuern wird. In Rümelingen hofft man ebenfalls auf Unterstützung seitens des Kulturministeriums, nicht nur bei der Realisierung des aktuellen Projektes, sondern auch bei der Finanzierung der zukünftigen Betriebskosten.

Das Projekt soll nachhaltig sein und eine neue Form des Tourismus fördern, wobei auch die lokale Bevölkerung einbezogen werden soll. So können u.a. örtliche Vereine die Ateliers nutzen. Man wolle das künstlerische Kapital der Bürger ergründen, herausfinden, wer was kann und wer bereit ist, mitzuwirken, sagt Remo Bei. „Wir stellen die Räumlichkeiten zur Verfügung, wo Interessierte Workshops anbieten können. Wir bringen die Touristen, die sich eben für genau das interessieren, was sie anbieten.“

Der lokalen Geschäftswelt will man das Vorhaben Hames-Haus am 28. April vorstellen. Zu einem späteren Zeitpunkt folgt die Bevölkerung, der man auch die anderen Projekte der Stadt für „Esch2022“ vorlegen will. Der Gemeinderat gab dem definitiven Haus-Hames-Projekt vor knapp zwei Wochen grünes Licht.