Mindestsatz für UnternehmenssteuernDie Luxemburger Wirtschaft bleibt vorsichtig und hat viele Fragen

Mindestsatz für Unternehmenssteuern / Die Luxemburger Wirtschaft bleibt vorsichtig und hat viele Fragen
In Luxemburg schaut die Wirtschaft aufmerksam zu, wie sich die Debatte um Unternehmensteuern entwickelt Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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In der Luxemburger Wirtschaft wird der Vorstoß von US-Präsident Joe Biden mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Man hat viele offene Fragen und macht sich Gedanken um die Einnahmen der Zukunft.

Um den Klimawandel und die Folgen der Corona-Krise anzugehen, „brauchen wir eine starke Wirtschaft und Solidarität zwischen den Ländern“, so Jean-Paul Olinger, Direktor der „Union des entreprises luxembourgeoises“ (UEL), gegenüber dem Tageblatt. Ansonsten gebe es das Risiko von globalen Spannungen und Handelsstreitigkeiten, sagt er. „Das ist nicht gut für die Wirtschaft – und weniger Investitionen sind schlecht für jeden.“ Ein Regelwerk hingegen helfe beim Abbau von Spannungen. Demnach sei der Vorstoß als „positiv“ zu begrüßen, „ein Schritt in die richtige Richtung“.

Jedoch müssten die gleichen Regeln für alle gelten, und sie müssen klar sein, fügt Olinger hinzu. „Da hat jeder ein Interesse daran.“ Alles andere könnte zu unterschiedlichen Interpretationen und Unruhen zu führen. Die Weltwirtschaft könne nur mit einheitlichen Regeln „ein Spiel sein, das schön anzuschauen ist. Mit der OECD als Schiedsrichter.“ Ein Fußballspiel, in dem jeder nach den eigenen Regeln spielt, könne auch nur zu Streit führen.

Dann weist Olinger darauf hin, dass eigentlich nichts Neues passiert sei. Die OECD hatte bereits geplant, bis Ende dieses Sommers eine Einigung bei der Mindestbesteuerung zu erzielen. „Jedoch stand alles auf der Kippe. Covid hatte alles gebremst“, so Olinger. „Neu ist nun, dass die USA mit dabei sind.“ Und das wiederum könne aber helfen, eine politische Einigung zu erzielen.

Wie es aber weitergehen wird, wagt er nicht vorherzusagen. „Das werden wir sehen. Es gibt noch viel Arbeit zu erledigen. Der Teufel steckt im Detail. Zumeist ziehen sich solche Projekte über Jahre hin.“ Viele Fragen seien zudem noch ungeklärt, etwa wer wo besteuert wird. „Es ist ein sehr mühseliger Prozess.“ Auch die Umsetzung werde Zeit in Anspruch nehmen. Wenn der politische Wille hingegen da sei, könne es schneller gehen.

Steuern werden langfristig eine kleinere Rolle spielen

Dass der Standort Luxemburg dabei an Attraktivität verlieren würde, befürchtet Olinger nicht. „Für den Finanzplatz sind Steuern nur ein Element. Luxemburg hat ein gutes Regelwerk, Rechtssicherheit, ein AAA, Stabilität und Kompetenzen. Die Expertise bleibt bestehen“, unterstreicht er. „Steuern werden langfristig wohl eine kleinere Rolle spielen.“ Doch auch mit höheren Steuern wird das Geld für Investitionen weiter fließen, so der Direktor der UEL. Wichtig sei das Vertrauen, das die Investoren in den Standort haben. Zudem „können globale Regeln einem Finanzplatz, der auf internationale Investitionen spezialisiert ist, nur helfen“, fügt er hinzu.

Jean-Paul Olinger: „Der Teufel steckt im Detail. Zumeist ziehen sich solche Projekte über Jahre hin.“
Jean-Paul Olinger: „Der Teufel steckt im Detail. Zumeist ziehen sich solche Projekte über Jahre hin.“ Foto: Editpress/Julien Garroy

Auf seine Wettbewerbsfähigkeit müsste der Standort dennoch achten, so Olinger. Auch wenn der Wettbewerb zwischen den großen Wirtschaftsblöcken in puncto Steuersatz abnehmen werde, so werde er in anderen Bereichen (etwa Innovation) zulegen. Zudem sei der Steuersatz hierzulande im internationalen Vergleich mit 24,94 Prozent zu hoch. Über dem EU- und über dem OECD-Durchschnitt.

Auch Carlo Thelen, Direktor der Luxemburger Handelskammer, sieht noch viele Hürden, ehe es zu einer Einigung zwischen den großen Ländern kommen kann. „Wie werden die europäischen Länder reagieren? Wie werden die anderen Kontinente reagieren? Der irische Finanzminister ist nicht sehr begeistert und in Steuerangelegenheiten gilt immer noch die Einstimmigkeitsregel“, sagt er. „Diese Angelegenheit ist viel weiter gefasst als nur der Finanzsektor. Auch große Unternehmen in Frankreich, Deutschland usw. dürften betroffen sein.“ Zudem bleibe abzuwarten, ob der US-Kongress dem Vorschlag überhaupt zustimmt.

Die allgemeine Begeisterung kann Thelen nicht teilen. Es seien noch sehr wenige Details bekannt, und zudem handle es sich nur um eine Folge der großen Fortschritte der letzten Jahrzehnte, sagt er. Etwa die Behandlung von Rulings, den automatischen Informationsaustausch oder die BEPS-Bestimmungen. „Wir fangen sicherlich nicht bei null an.“

Handlungsspielraum der Länder könnte enger werden

Den Mindestsatz von 21 Prozent, den die USA auf die Auslandsaktivitäten ihrer Großunternehmen anwenden wollen, bezeichnet Thelen als „hoch“. Der durchschnittliche Standard-Körperschaftssteuersatz in der Europäischen Union beträgt bereits 21 Prozent. Er befürchtet, dass der Handlungsspielraum der Länder derart eingeengt würde, dass es den Staaten künftig nicht mehr möglich sei, ein „tugendhaftes“ Verhalten der betroffenen Firmen, nicht nur in wirtschaftlicher, sondern auch in sozialer oder ökologischer Hinsicht, wirksam zu fördern.

Carlo Thelen: Auch kleine Firmen könnten von Maßnahmen, die nicht sorgfältig durchdacht sind, indirekt getroffen werden
Carlo Thelen: Auch kleine Firmen könnten von Maßnahmen, die nicht sorgfältig durchdacht sind, indirekt getroffen werden Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Auf die Frage, ob es sich bei dem Unterfangen um ein Projekt handelt, das die Welt gerechter macht, antwortet Thelen mit einer Gegenfrage: „Jeder Staat hat das Recht auf fiskalische Autonomie, die es ihm erlaubt, auf die unterschiedlichen Präferenzen der Bürger in Bezug auf öffentliche Politik, sozialen Schutz oder öffentliche Güter zu reagieren. Ist es wirklich fair, auf diese unterschiedlichen Bestrebungen nicht angemessen reagieren zu können?“ Außerdem klinge es zwar schön, multinationale Konzerne anzugreifen, aber Wirtschaft bedeutet Interaktion, sagt er. „Diese großen Unternehmen arbeiten natürlich nicht als geschlossene Silos, als Elfenbeintürme. Im Gegenteil, sie sind auf die Dienstleistungen und Produkte vieler viel kleinerer Unternehmen angewiesen.“ Diese Wertschöpfungsketten könnten von Maßnahmen, die nicht sorgfältig durchdacht sind, indirekt getroffen werden.

Carlo Thelen sieht mögliche Lösungsansätze im bestehenden Forderungskatalog der Handelskammer. Sollte der Vorschlag umgesetzt werden, dann müsste Luxemburg noch mehr auf seine Attraktivität für kleine und mittlere Unternehmen und für Start-ups sowie auf die persönliche Einkommenssteuer und ihre Attraktivität für „Talente“ achten. Darüber hinaus sollte sich das Land mehr denn je auf das Anbieten einer hochwertigen Verkehrs-, Bildungs-, Ausbildungs- und digitalen Infrastruktur konzentrieren, die Verwaltungsvereinfachung beschleunigen, die Diversifizierung der Wirtschaft vorantreiben, das Beibehalten des AAA-Ratings sichern und andere Steueraspekte unter die Lupe nehmen.

„In jedem Fall wird Luxemburg weiterhin von wichtigen Nischen der Souveränität profitieren, die umso effektiver mobilisiert werden sollten“, so Thelen. „Die Aufrechterhaltung unseres Wirtschafts- und Sozialmodells steht auf dem Spiel.“

ABBL besorgt über mögliche Neuverteilung der Besteuerungsrechte

Die Mindestbesteuerung von Unternehmensgewinnen ist Teil des Zwei-Säulen-Konzepts der OECD zur Besteuerung der digitalisierten Wirtschaft, erläutert Camille Seillès, Generalsekretär vom Luxemburger Bankenverband. „Dadurch wird einerseits die Gewinnverlagerung weniger attraktiv und andererseits das Steueraufkommen gesichert.“ Die geplante Maßnahme an sich sei nicht besonders besorgniserregend, so der Vertreter der „Association des banques et banquiers, Luxembourg“ (ABBL) weiter. „Der in Luxemburg geltende nominale Steuersatz für Unternehmen liegt nämlich über dem OECD- bzw. EU-Durchschnitt und die effektive Besteuerung der Banken im Lande liegt auf einem relativ hohem Niveau. Darüber hinaus betreiben unsere Mitgliedsbanken in der Regel keine Aktivitäten in sogenannten Niedrigsteuerländern.“

Mehr Gedanken macht sich die ABBL jedoch über die andere Säule des OECD-Konzepts, wo es um eine neue Verteilung der Besteuerungsrechte auf digitalen Dienstleistungen geht, so Camille Seillès weiter. Die sehe vor, dass die Körperschaftssteuer nicht mehr nur am Firmensitz bzw. an Orten mit Produktionsstätten gezahlt wird, sondern teilweise auch in den jeweiligen Staaten, wo die Kunden sitzen und die Umsätze erzielt werden. „Luxemburg ist bekanntlich ein Nettoexporteur von Finanzdienstleistungen und könnte daher, in Abwesenheit von angemessenen Schutzmechanismen, wie z.B. eine Ausnahmeregelung für Bankdienstleistungen, langfristig eine erhebliche Verringerung der Steuereinnahmen erleiden.“

CSL warnt vor Harmonisierung auf dem niedrigsten Nenner

Sylvain Hoffmann von der „Chambre des salariés“ (CSL) gibt sich zufrieden mit dem Vorstoß aus den USA. Vom Prinzip her habe sich die Arbeitnehmerkammer immer für eine Eindämmung der Steuerkonkurrenz und für gemeinsame Regeln eingesetzt. Im Detail sei es kompliziert, sich auf einen bestimmten Steuersatz festzulegen, sagt er. Es dürfe aber vor allem keine Harmonisierung auf dem niedrigsten gemeinsamen Nenner werden.

Des Weiteren erinnert er daran, dass das Steuersystem trotz der unbestrittenen Notwendigkeit, die Steuerlast der ärmsten Haushalte und der Mittelschicht zu senken, immer noch in der Lage sein muss, um den Staat mit ausreichend Einnahmen zur Deckung des Investitionsbedarfs und zur Bewältigung der aktuellen Herausforderungen (etwa Klimawandel) zu versorgen. Es gelte, das Land auf zukünftige Herausforderungen vorzubereiten und gleichzeitig Steuergerechtigkeit, ein hohes Maß an sozialem Zusammenhalt, nachhaltiges Wachstum und unsere natürliche Umwelt zu bewahren.

Um dies zu erreichen, muss ein fairer Beitrag zu den Steuereinnahmen durch die verschiedenen Wirtschaftsakteure, d.h. Einzelpersonen und Unternehmen, sichergestellt werden. Seit vielen Jahren sei jedoch zu beobachten, dass Einzelpersonen einen zunehmenden Beitrag zur Staatskasse leisten, während Gesellschaften von einer zunehmenden Anzahl an Steuererleichterungen und Anreizen im Namen der Wettbewerbsfähigkeit des Landes profitieren. Es gelte, das notorische Ungleichgewicht zwischen der Besteuerung von Arbeit und von Kapitaleinkünften zu beheben.

Sepp
22. April 2021 - 16.17

Was gibt es denn da für Fragen: Die einzige Frage ist doch, wie die EU und die USA es handhaben, wenn die Unternehmen in andere Länder gehen wo die Steuern niedriger sind. Wenn die ganze Welt nicht bei den Steuern mitmacht, seh ich nicht viel Zukunft für Mindeststeuern, da verlagern die Unternehmen ihre Sitze einfach in andere Länder.

lucilinburhuc
16. April 2021 - 14.27

Meine Bemerkung off-topic: welches Kunstwerk hängt denn seitlich an der Rote Brücke, zu erkennen im Bild von idesem Artikel ?