GastbeitragRassismus aus kapitalistischer Perspektive

Gastbeitrag / Rassismus aus kapitalistischer Perspektive
 Foto: Editpress/Julien Garroy

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Der Kapitalismus braucht Machthierarchien, um die (Un-)Gleichverteilung zu rechtfertigen. Die Benachteiligung betrifft verschiedene Gruppen, deren Vereinigung durch diverse Machtdynamiken unterminiert wird. Ein Blick auf eine dieser Machtdynamiken zeigt, inwiefern Rassismus und die Geschichte des Kapitalismus verwoben sind.

Marx nannte die Übergangszeit vom Feudalismus zum Kapitalismus „ursprüngliche Akkumulation“. In Europa wurden während dieser Phase Kleinbauer*innen enteignet und in die Lohnarbeit getrieben. Doch nicht nur diese Menschen in Europa wurden enteignet. In den Kolonien, deren Ausbeutung die Existenz des heutigen Kapitalismus erst ermöglichte, wurden die dort lebenden Menschen ebenfalls enteignet. Viele Menschen wurden getötet. Überlebende wurde zur Zwangsarbeit herangezogen und versklavt.

Der Rassismus, den wir heute kennen, entstand genau in dieser Zeit. In den europäischen Ländern werden die „Eroberer“ bis heute geehrt. Die Glorifizierung dieser „Helden“ reicht vom Geschichtsunterricht bis hin zu Statuen auf öffentlichen Plätzen. Es wurden und werden Geschichten von „Fremden“ erzählt, geraubte Kulturgüter, Häute, Knochen wurden ausgestellt und schwarze Menschen wurden in Zoos verschleppt.

Schwarze Menschen wurden als Objekte und Ware missbraucht. Diese Entmenschlichung „half“ der kapitalistischen Logik und hatte einen eindeutigen Nutzen für das System. Die Entmenschlichung rechtfertigte den unmenschlichen Umgang und verhinderte, dass Solidarität aufkommen könnte. Eine „Vermischung“ zwischen weißen Arbeiter*innen und Schwarzen wurde unterbunden, um das klare Hierarchieverhältnis, das der Kapitalismus brauch, zu gewährleisten.

Rassismus auch nach der Unabhängigkeit der Kolonien

Nachdem die Kolonien im Laufe der Zeit ihre offizielle Unabhängigkeit erlangt hatten, wirkte der Rassismus fort. Rassismus und Ausbeutung wirken fort, weil der Kapitalismus seit der Kolonialisierung in einer globalen Arbeitsteilung funktioniert, die jedem Menschen und jedem Land seinen*ihren Platz in diesem Produktionsprozess zuweisen will.

Die vermeintlichen unabhängigen Staaten waren und sind weiterhin ökonomisch abhängig von den ehemaligen imperialen Staaten, da sie weiterhin Teil der kapitalistischen Struktur sind.

Die Abwertung der Betroffenen legitimiert dabei deren Ausbeutung. Afrikanischen und asiatischen Ländern wird ein Versagen unterstellt, sich wirtschaftlich zu entwickeln. Dabei ist die Armut dieser Länder ein gewollter Teufelskreis, der bewusst von westlichen Staaten aufrechterhalten wird. Die westlichen Staaten profitieren bis heute von der ökonomischen Abhängigkeit der ehemaligen Kolonien, da Produkte, die in westlichen Ländern konsumiert werden, unter Ausbeutung günstig produziert werden können. Von diesem Prozess profitierten viele, sogar der Kapitalismus-Kritiker, der seine Ausführung auf einem Laptop schreibt.

Abwertung hilft beim Wegschauen

Dieser Prozess der Abwertung rechtfertigt, dass schwarze Menschen und Migrantin*innen am wenigsten vom Profit in westlichen Ländern profitieren. Die Abwertung hilft, wegzuschauen, wenn vor den Toren Europas Menschen ertrinken beim Versuch, sich ein besseres Leben zu ermöglichen. Die Abwertung hilft bei der Produktion unserer Kleider unter unmenschlichen Konditionen. Ein Beispiel wäre die Kleiderproduktion bekannter Marken in Bangladesch, bei denen Arbeiter*innen nicht genügend verdienen, um zu überleben. Der Wohlstand, von dem viele in westlichen Ländern profitieren, ist dabei oft verantwortlich für ihre Armut oder die ihrer Herkunftsländer. Die Abwertung, die bei der Rechtfertigung dieser Gegebenheit hilft, ist eine Form von Rassismus.

Das Ansprechen und die Aufarbeitung dieser Tatsache dient nicht der Schuldzuweisung aller westlichen Länder und aller weißen Menschen. Es geht dabei um eine Bewusstseinsentwicklung. Rassismus ist heute noch extrem präsent. Die verschiedene Formen und Ebenen von Rassismus wirken dabei teilweise bewusst und sichtbar und teilweise unbewusst. Es bedarf vieler Reflexion, um die internalisierten, in unserer Gesellschaft fest verankerten Formen von Rassismus abzulegen. Die Schuld, dass es diese Ausbeutungsstrukturen von westlichen Ländern gibt, liegt nicht bei uns individuell, die Verantwortung, diese Strukturen wahrzunehmen und abzubauen, allerdings schon.

Rassismus als Machtinstrument

Rassismus dient dabei nicht nur als Abwertung einer bestimmten Gruppe, sondern verhindert außerdem, dass sich Ausgebeutete zusammentun. Menschen, die unter Ausbeutung leiden, werden unter anderem durch Rassismus getrennt. Diese Überschreitung der Klassengrenzen hilft dabei, auch die bestehende Machtdynamik zu erhalten. Solange Bewegungen wie Antirassismus, Feminismus, Umweltschutz und Klassenkampf getrennt geführt werden, dient es der Struktur und den Menschen, die von der Ausbeutung am meisten profitieren.

Um die Machtverhältnisse, Ausbeutung und enormen Grenzen zwischen wirtschaftlich Bevorteilten und Benachteiligten infrage zu stellen und abzubauen, müssen diese Bewegungen zusammen gedacht werden.

* Andy Schammo studiert Erziehungswissenschaften an der Universität Luxemburg und schreibt seine Abschlussarbeit zum Thema „Institutionelle Diskriminierung im Luxemburger Bildungswesen“. Er setzt sich privat gegen Diskriminierung und Ungleichheiten ein.

Realist
12. April 2021 - 14.25

Blücher: Sie verstehen nicht. Die LSAP ist nicht "sozialistisch". Auch die DDR, die SU, die Roten Khmer oder heute Nordkorea , Venezuela und Cuba und wie die allerletzten "Arbeiter- und Bauernparadiese" auch immer heissen, waren und sind es nicht. Der "wahre" Sozialismus ist aus Prinzip nie der aktuelle, der gerade in diesem oder jenem Land mit katastrophalen Auswirkungen ausprobiert wird, sondern liegt immer in der Zukunft. Was vermutlich das Geheimnis seines für uns zynische Kapitalisten so unverständlichen Erfolges ist. Dereinst, eines wundervollen Tages, wird der Sozialismus funktionieren und eine wunderbare Welt gebären. Ganz sicher. Es hat zwar noch nie geklappt und wird auch nie klappen - ganz einfach weil die menschliche Natur sowie die böse Realität dem hehren, schönen Ideal partout nicht ensprechen wollen - aber was soll's? So lange es nationale Wirtschaften gibt, die übernommen und dann zügig ruiniert werden können, so lange wird es Leute wie Herrn Schammo oder Herrn/Frau CDS geben, die vom "Systemwechsel" und dem "neuen Menschen" träumen. Was dann mit dem "alten Menschen" geschieht, kann man in der Geschichte des 20. Jahrhunderts nachlesen.

Blücher
12. April 2021 - 13.17

@CDS: Seit die LSAP mit in Regierungskoalitionen ist , sind Lebenshaltungskosten gestiegen, Wohnungsnot, sich breit gemacht,Schwächelung des Gesundheitswesen durch sozialistische Politiker die Betten reduziert, die Krankenhäuser zentralisiert und nach Maximierung der Gewinne ausgerichtet ,der Index manipuliert, Machtstrukturen ( die Politik mischt immer mehr an Erziehung, Vorgaben politischer Ausrichtung,... mit)maximiert die Schere zwischen arm und reich größer geworden. Ist das der erwünschte Sozialismus den Kapitalismus zu bekämpfen?

CDS
11. April 2021 - 18.43

Natürlich weiss keiner in den Kommentaren was Sozialismus ist - sozialkapitalistische Staatsstrukturen die sich in Diktaturen verwandelt haben, mochten den Namen Sozialismus getragen haben, aber waren der Ideologie ganz abgeschweift, und ähnelten eher dem Kapitalismus. Wahrer Sozialismus versucht Machtstrukturen zu minimieren; die Schere zwischen Armut und Reichtum zu verkleinern. Wer dies nicht erkennt und die zerstörerische Art und Weise vom Kapitalismus weiter unterstützt, dem kann nicht wirklich gehollfen werden.

Blücher
10. April 2021 - 15.25

@Schammo: Im real existierenden Sozialismus war Rassismus noch Sexismus ein Fremdwort, sondern weit verbreitetes Phänomen des sozialistischen Lebens. Aus Gesprächen mit Kubaner die in der DDR studierten, Lehrjahre absolvierten weiß ich , diese Menschen im realen Sozialismus ausgegrenzt, ausgebeutet wurden , die kubanischen Frauen als Trophäen im gelebten sozialistischen Alltag galten. Ergo erging es den Vietnamesen. Es fällt leicht den Kapitalismus zu kritisieren, man auf dessen Lorbeeren im Wohlstand ,Konsum groß geworden ist . Wer die Zeit des Kalten Krieges erlebt , Kontakt nach dem Osten hatte oder die DDR besuchen konnte , weiß welch abscheuliches Gespenst der reale Sozialismus darstellte.

Realist
10. April 2021 - 13.58

Der Kapitalismus ist an allem Schuld, und wenn erst der real existierende Sozialismus errichtet ist, werden Armut, Rassismus und Sexismus von selbst verschwinden, wird jeder Tesla fahren und in seinem Betriebskollektiv so viele Bekanntschaften schliessen, dass Tinder und Parship überflüssig werden. Grosses Ehrenwort von Karl Marx. Das Tageblatt erinnert immer öfter an die alten "Kursbücher" aus den 60ern, die die jungen Genossen damals mit endlosem Geschwafel (O-Ton: "Bedenke, Mao spricht von 4 Berufen") auf Linie bringen sollten. Fehlt nur noch, dass Rudi Dutschke regelmässig Editorials aus dem Jenseits übermittelt.