BulgarienRätselhafter Politnovize Trifonow hält im Nachwahlpoker Trümpfe in der Hand

Bulgarien / Rätselhafter Politnovize Trifonow hält im Nachwahlpoker Trümpfe in der Hand
Der Musiker Slawi Trifonow, von dem politisch nur sehr wenig bekannt ist, ist derzeit einer der wichtigsten Politiker Bulgariens Foto: Nikolay Doychinov/AFP

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Ob Bulgarien eine neue Regierung erhält oder erneut ein neues Parlament wählen muss, könnte ausgerechnet ein Politneuling entscheiden: Der populistische Politnovize und Showman Slawi Trifonow hält im Nachwahlpoker die Trümpfe in der Hand – und hält sich über seine Pläne bedeckt.

Noch immer hält sich Bulgariens eigentlicher Wahlsieger über seine Pläne bedeckt. „Heute seid ihr die Gewinner! Ihr habt die Macht zurückerhalten und der Wechsel ist unvermeidlich“, gratulierte Slawi Trifonow in der Wahlnacht seinen Anhängern zum Erfolg der von ihm gegründeten Protestpartei „Es gibt ein solches Volk“ (ITN) per Facebook. Seitdem ist der mit Corona infizierte Impfskeptiker in der Quarantäne abgetaucht – und hat die Spekulationen über die Nachwahlszenarien den von ihm im Wahlkampf konsequent gemiedenen Medien überlassen.

Mit 17,73 Prozent der Stimmen hat sich der Parteineuling ITN auf Anhieb zur zweitstärksten Kraft des Landes gemausert. Im Nachwahlpoker hat Politnovize Trinofow nun die besten Trümpfe in der Hand. Laut der Zeitung Maritsa in Plovdiv soll der 54-Jährige jede Koalition mit den etablierten Parteien Gerb, BSP oder DSP resolut ausschließen und stattdessen Neuwahlen anstreben. Doch ob der ITN-Chef tatsächlich den Partybreaker oder doch den Königsmacher für eine neue Regierung mimt, ist noch ungewiss. Schon im Wahlkampf hat der TV-Produzent alle Interviewanfragen abgebügelt und seine eher diffusen Veränderungsbotschaften ausschließlich über den eigenen 7/8-Sender verbreitet.

Auf Sofias glitschigem Politparkett galt Stanislaw Todorow Trifonow zwar bisher noch als eher unbeschriebenes Blatt. Doch fast jedem Bulgaren ist der Musiker und TV-Moderator mit dem kahl geschorenen Schädel schon seit fast zwei Jahrzehnten vom Fernsehschirm ein Begriff: Die Popularitätswerte des hoch gewachsenen Showmans übertreffen schon seit geraumer Zeit die des angeschlagenen Noch-Premiers Bojko Borissow.

1966 in Plewen geboren, besuchte er in seiner Heimatstadt ein musikalisches Gymnasium. Sein Studium absolvierte der Violonist am Bulgarischen Staatskonservatorium in Sofia. Nach der Wende moderierte er das satirische TV-Programm „Ku-Ku“ und avancierte mit seiner gleichnamigen Band schon in den 90er-Jahren mit bulgarischem „Tschalga“-Popfolk zu einem der populärsten Barden des Landes. Nach der Jahrtausendwende moderierte er fast zwei Jahrzehnte im Staatssender BTV die populäre Talkshow „Slawis Show“. 2019 brach er mit BTV und gründete seinen eigenen TV-Sender 7/8: Vor allem jüngere, eher unpolitische Bulgaren in der Provinz sollen zum treuen Publikum seiner nach US-Vorbild konzipierten Talkshow zählen.

Kein Programm, kein Profil

Heimische Analysten vergleichen seinen Werdegang gerne mit dem des ukrainischen Präsidenten und Ex-Komikers Wolodymyr Selenskyj. Erste politische Ambitionen ließ Trifonow bereits 2016 erkennen, als er ein letztendlich gescheitertes Referendum zur Einführung der Wahlpflicht initiierte. Generelle Systemkritik ließ er auch schon in dem 2013 veröffentlichten Hit „Es gibt keine solche Nation“ anklingen: „Erzähl mir nichts über Recht und Verfassung. In diesem Land ist alles Prostitution.“

Die Protestbewegung gegen die Regierung von Bojko Borissow im letzten Jahr wurde von Trifonow von Anfang an unterstützt. Doch bis auf die Forderung nach Einführung des Mehrheitswahlrechts ist er in seinem ausschließlich über seinen eigenen TV-Kanal und die sozialen Medien geführten Wahlkampf wenig konkret geworden. Politisch stufen ihn bulgarische Analysten als kritischen EU-Befürworter rechts von der Mitte ein. Gerüchte, dass er die Förderung von Tycoons genieße, die mit Borissow zunehmend unzufrieden seien, wurden nie belegt. Für was seine ITN eigentlich steht, bleibt allerdings undeutlich. Jede TV-Debatte mit der Konkurrenz hat er im Wahlkampf stets abgelehnt. Und die meisten Mitstreiter seiner Partei sind im Gegensatz zu deren Chef der Öffentlichkeit völlig unbekannt.