ÖsterreichUnternehmen mit Kontakt ins Kanzleramt verkaufte chinesische Masken als „Made in Austria“

Österreich / Unternehmen mit Kontakt ins Kanzleramt verkaufte chinesische Masken als „Made in Austria“
Eine FFP2-Maske hängt an einem Strauch: Ein Polizist sagte, er sei bei der Durchsuchung „knietief in chinesischen Masken gewatet“ Foto: dpa/Kira Hofmann

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Und wieder schwappt eine Skandalwelle vors Wiener Kanzleramt: Eine Firma mit guten politischen Kontakten verkaufte in großem Stil chinesische FFP2-Schutzmasken als österreichische.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) und Sebastian Kurz werden keine Freunde mehr. Seit sie Mitte Februar mit Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) den engsten Vertrauten des Bundeskanzlers mit einer Hausdurchsuchung ins Visier genommen haben, liegen die Kämpfer wider die Bestechlichkeit im türkisen Dauerfeuer.

Schon vor einem Jahr hatte Kurz die WKStA als Netzwerk SPÖ-naher Staatsanwälte attackiert, nachdem der frühere ÖVP-Finanzminister Hartwig Löger Gegenstand von Korruptionsermittlungen geworden war. Die massive Kritik wirkt freilich nicht einschüchternd: Gegen Löger läuft inzwischen ein weiteres Ermittlungsverfahren, indem es um dubiose Spenden eines Privatklinikbetreibers an die ÖVP geht.

Mit der jüngsten spektakulären Aktion schnüffelt diese Staatsanwaltschaft schon wieder in einem Sumpf herum, in dem sich türkise Politiker getummelt hatten. Das war freilich zu einer Zeit, als bei der Hygiene Austria noch alles sauber schien. Das Unternehmen war im April 2020 vom börsennotierten Faserhersteller Lenzing und dem traditionsreichen Wäschekonzern Palmers als Joint Venture gegründet worden. Es war die österreichische Antwort auf die zu Beginn der Corona-Krise schmerzhaft spürbar gewordene Abhängigkeit von chinesischen Schutzausrüstungsproduzenten.

Lukrativer Patriotismus

Hygiene Austria stellte binnen kürzester Zeit eine Maskenproduktion auf die Beine. Kanzler Kurz und andere ÖVP-Granden waren bei Betriebsbesuchen voll des Lobes für das Unternehmen, dessen patriotische Initiative die Kassen klingeln ließ. Die Bundesbeschaffungsagentur, die Bundesbahnen (ÖBB) und die großen Handelsketten deckten sich bei Hygiene Austria mit vielen Millionen Schutzmasken ein.

Die Politik half nicht nur mit dickem Lob, sondern auch mit Empfehlungen. So wurden die Maskenproduktionsmaschinen von Palmers in Unterlagen des Corona-Krisenstabs im Innenministerium als beispielhaft für die Unterstützung der Wirtschaft gepriesen. Zufällig arbeitet die Ehefrau von Innenminister Karl Nehammer für die PR-Firma des ehemaligen ÖVP-Ministeriumsprechers Gregor Schütze, die für die Kommunikation von Palmers verantwortlich zeichnet. Es gab noch mehr solch guter Kontakte. Der Geschäftsführer der Hygiene Austria, Tino Wieser, ist Schwager von Lisa Wieser, der Ehefrau von Palmers-Vorstand Luca Wieser. Die 29-Jährige ist seit zehn Jahren als Büroleiterin die steile Karriereleiter des Sebastian Kurz mitgeklettert.

Dieses türkise Biotop hat der Firma zumindest nicht geschadet. Das Geschäft brummte – erst recht als die Bundesregierung auch noch das Tragen von FFP2-Masken in Geschäften, Öffis und Schulen verordnete. „Sie gehen weg wie die warmen Semmeln“, schwärmte eine Sprecherin von Hygiene Austria im Januar über den reißenden Absatz. Deshalb wurde nicht nur in Österreich, sondern auch an einem britischen Lenzing-Standort produziert. Was nicht dazugesagt wurde: Viele Masken kamen von dort, woher man eigentlich keine haben wollte – aus China.

Hausdurchsuchungen

Genau das bestritt Hygiene Austria jedoch noch am Mittwoch energisch, nachdem die WKStA an zwei Standorten des Unternehmens Hausdurchsuchungen veranlasst hatte. Der ursächliche Verdacht: organisierter Schwarzarbeit und schwerer gewerbsmäßiger Betrug durch das Umetikettieren von in China produzierten Masken. Ein an der Durchsuchung beteiligter Polizist sagte, man sei „knietief in chinesischen Masken gewatet“. Erst am späten Abend bequemte sich die Firma zu einem Teilgeständnis: Der Vorwurf der Schwarzarbeit wird zwar weiter ebenso zurückgewiesen wie die Betrugsabsicht, doch nun wird eingeräumt, dass man einen chinesischen Lohnfabrikanten beauftragt habe, um die sprunghaft gestiegene Nachfrage zu bewältigen.

Das Problem mit der zu geringen Produktionskapazität ist seit gestern gelöst: Die Bundesbeschaffungsagentur stoppt alle Aufträge. Auch die ÖBB und die Handelsketten wollen von Hygiene Austria keine Maske mehr.

Ungarisches Zertifikat

Die verwandt- und freundschaftlichen Verbindungen zwischen Unternehmen und türkisem Machtzentrum machen die Causa zum Politikum. Es geht nicht nur darum, ob Kanzler Kurz etwas von der Malversation wusste, wofür es bislang keinen Beleg gibt. Es geht auch um die Frage, warum der Schwindel überhaupt möglich war und erst zufällig beim Abhören eines Telefonats im Zuge von Ermittlungen gegen einen Menschenhändlerring aufflog. Die FFP2-Masken der Hygiene Austria wurden nämlich in Österreich keiner Prüfung unterzogen und haben daher auch kein österreichisches Zertifikat. Sie tragen vielmehr die CE-Kennzeichnung 2233 einer ungarischen Prüfstelle. Die SPÖ fordert in einer parlamentarischen Anfrage Aufklärung.

Kanzler Kurz, der gestern zu einem Israel-Besuch aufgebrochen war, gibt bislang den Unwissenden: Sein Kenntnisstand beschränke sich auf das, was in der Zeitung stehe. Damit wird ihn die Opposition wohl nicht davonkommen lassen.