HandlungsbedarfWo Kinderrechte in Luxemburg mit Füßen getreten werden

Handlungsbedarf / Wo Kinderrechte in Luxemburg mit Füßen getreten werden
Auf diesem Bild werden die Füße nicht benutzt, um Kinderrechte zu treten, sondern um auf einem Trampolin zu hüpfen. In einem Webinar haben vier Organisationen nicht mit Kritik und Anregungen gespart, wo die luxemburgische Regierung in Bezug auf die Rechte der Kinder handeln sollte. Foto: dpa/Julian Stratenschulte

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Vier Organisationen haben im Februar dem Genfer Komitee ihre alternativen Berichte zur Situation der Kinderrechte in Luxemburg vorgestellt. In vielen Bereichen sollte die Regierung nachbessern, so der allgemeine Tenor. Grund zur Sorge bereiten insbesondere neue Entwicklungen und Trends bei Kindern und Jugendlichen.

Sie treten für die Rechte der Kinder ein. Oder besser gesagt: Sie sehen sich als Verteidiger dieser Rechte, die den Kindern per Gesetz eigentlich zustehen sollten, aber nicht immer respektiert werden. Manchmal werden diese Rechte regelrecht mit Füßen getreten, wobei sich die Kinder als schwaches Glied in unserer Gesellschaft oft nicht wehren können. Im Februar haben Unicef, die konsultative Menschenrechtskommission (CCDH), Ecpat („End child prostitution, child pornography and trafficking of children for sexual purposes“) und der „Ombudsman fir Kanner a Jugendlecher“ (OKaJU) ihre jeweils alternativen Berichte zur Situation der Kinderrechte in Luxemburg dem dafür zuständigen Genfer Komitee („Comité des droits de l’enfant des Nations unies“ – CDE) vorgestellt. Am Dienstag haben die vier Organisationen in einem Webinar ihre wichtigsten Forderungen und Empfehlungen vorgestellt.

Die Luxemburger Regierung erhebe nur wenige bis gar keine Daten. Diese Kritik wurde gleich von mehreren Organisationen erhoben. „Sie sind fragmentarisch und weder kohärent noch präzise“, moniert Françoise Gillen, Juristin beim OKaJu. „Es ist schwierig sich vorzustellen, wie man einen nationalen Aktionsplan für Kinderrechte aufstellen kann, wenn man noch nicht einmal über Statistiken bei der Datenerhebung verfügt.“ Dies sei bei den Politikern noch nicht angekommen. Laut Anamarija Tunjic, Juristin bei der konsultativen Menschenrechtskommission, habe das Genfer Komitee immer wieder auf die Wichtigkeit der Erhebung von konkreten Daten hingewiesen.

Die Luxemburger Regierung war nicht fähig, in ihrem Bericht auf die meisten Fragen des Komitees wegen fehlender Daten zu antworten

Anamarija Tunjic, Juristin bei der konsultativen Menschenrechtskommission

„Die Luxemburger Regierung war nicht fähig, in ihrem Bericht auf die meisten Fragen des Komitees wegen fehlender Daten zu antworten“, sagt sie. Auch habe die Regierung nie detaillierte und konkrete Statistiken zu bestimmten Themen liefern können. „In Luxemburg fehlt nach wie vor ein nationales kohärentes System für Statistiken zu Kinderrechtsthemen.“ Ohne diese kohärenten Daten könne die Regierung keine detaillierte Analyse über die Probleme machen. Dies habe zur Konsequenz, dass sie auch keinen konkreten Plan ausarbeiten könne, um die Situation der Kinder in Luxemburg zu verbessern. Tunjic hofft, dass der Druck des Genfer Komitees (CDE) die Luxemburger Regierung dazu bewegen könnte, sich in dieser Sache mehr anzustrengen.

Chirurgische Eingriffe ohne das Wissen der Kinder

Auch Noémie Losch von der NGO Ecpat ist die mangelnde Datenerhebung ein Dorn im Auge. In Luxemburg gibt es laut Losch nur wenige Anlaufstellen, wo sich Kinder, die Opfer von häuslicher Gewalt wurden, melden können. „Für uns ist es schwierig, zu wissen, ob diese wenigen Anlaufstellen überhaupt ausreichend sind“, erklärt Losch. Dies führt sie auf mangelnde Daten und Informationen zurück. „Wir können dies nicht wirklich bewerten.“ Ecpat setzt sich gegen jede Form der sexuellen Ausbeute von Kindern ein. Im Webinar habe die Organisation zudem den Fokus auf die Gewalt gegenüber Kindern gesetzt.

Losch stellte klar, dass die veröffentlichten Zahlen zur häuslichen Gewalt bei Kindern im Lockdown relativiert werden müssten. Die gemeldeten Fälle seien im Lockdown sogar rückläufig im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Vorjahr gewesen. Dies gebe aber ein falsches Bild wieder, sagt sie. Die reduzierte Zahl von Gewaltfällen könne man dadurch erklären, dass während des Lockdowns Schulen und andere Strukturen wie Vereine oder „Foyers“, in denen Kinder verkehren, geschlossen waren. „Ebendiese Stellen tragen einen großen Teil zu den Meldungen bei.“ Auch bei der Prävention von Gewalt in den Familien seien die Angebote spärlich.

Eine andere Form der Gewalt sind chirurgische Eingriffe und hormonelle Behandlungen bei Intersex-Kindern. „Diese Behandlungen sind meistens gar nicht lebensnotwendig und werden ohne das Wissen und ohne die Einwilligung der Kinder durchgeführt“, erklärt Losch. Zudem würden diese Eingriffe auch noch von der „Sécurité sociale“ rückerstattet werden, weil man sie unter einer anderen, falschen Rubrik angeben würde. Die Regierung habe diesbezüglich ein Gesetz angekündigt, dennoch sei noch nicht viel passiert, moniert Losch. Ecpat fordert, dass solche Eingriffe explizit verboten werden sollen. Eine Einwilligung der Eltern reiche nicht aus. Das Kind müsse explizit sein Einverständnis abgeben.

Vervierfachung von sexuellem Missbrauch im Netz

In Luxemburg nimmt eine Form der sexuellen Gewalt an Kindern drastisch zu. Losch nennt hierzu den französischen Begriff „Matériel d’abus sexuel d’enfants“. Kinderpornografie sei nicht das richtige Wort, betont sie. Es gehe hier um das Material über den sexuellen Missbrauch an Kindern, das im Netz zirkuliere. In den vergangenen drei Jahren habe sich die Zahl vervierfacht. Auch bei der Verurteilung von Straftätern bei sexuellem Missbrauch von Kindern gebe es noch viel zu tun, so Losch. „Luxemburg sagt immer, es habe eine Null-Toleranz gegenüber solchen Straftätern. Dies ist jedoch schwer zu glauben, weil die Strafen sehr mild und disproportional zu dem sind, was die Täter getan haben.“ Ecpat setzt sich dafür ein, dass die Verjährungsfrist, die aktuell bei zehn Jahren liegt, komplett abgeschafft wird.

Isabelle Hauffels von Unicef Luxemburg setzt sich für eine breitere Partizipation von Kindern und Jugendlichen ein. „Die Regierung hat nur wenig den Reflex, die jungen Menschen zu konsultieren“, sagt sie. Die Unicef habe von den Jugendlichen das Feedback bekommen, dass es in Luxemburg zwar relativ einfach sei, in den Dialog zu kommen, weil die Wege kurz seien, aber danach fehle die Fortsetzung. Laut Hauffels gibt es relativ wenige Möglichkeiten für Kinder unter 14 Jahren, sich Gehör zu verschaffen. In 102 Gemeinden gebe es nur zehn Kinderräte. Deshalb sollte man vermehrt partizipative Plattformen auf Gemeindeebene ausbauen, sagt sie. „Man sollte auch dafür sorgen, dass spezifisch gefährdete Kinder gehört werden, wie zum Beispiel Kinder mit Behinderung, aus sozial schwachen Haushalten oder Flüchtlingskinder“, so Hauffels.

Benachteiligte Kinder haben öfters gesundheitliche Probleme und weniger persönliche Lebenszufriedenheit

Isabelle Hauffels, Unicef

Die Unicef nannte auch eines ihrer Schwerpunktthemen: die Armut. „In Luxemburg liegt das Armutsrisiko bei Kindern bei 25 Prozent“, so Hauffels. Dieses relative Armutsrisiko bedeute, dass zu Hause meist nicht genug Geld da sei, um den Kindern neue Kleider, Spielsachen oder einen Schulausflug zu bezahlen. Dies führe in der Folge zur sozialen Exklusion. „Benachteiligte Kinder haben öfters gesundheitliche Probleme und weniger persönliche Lebenszufriedenheit.“ Die Ungleichheiten haben laut Hauffels in der Coronapandemie weiter zugenommen. Ein nationaler Aktionsplan für Kinderrechte könnte durch seine transversale Herangehensweise dazu beitragen, die Ungleichheiten zu reduzieren.

Da Kinder in Luxemburg nicht systematisch konsultiert werden, habe Unicef die Uni.lu-Studie Covid-Kids unterstützt. In dieser Studie wurden die Kinder selber zu ihrem Wohlbefinden während der ersten Welle der Pandemie befragt. Es stellte sich heraus, dass die Zufriedenheit der Kinder sowohl mit ihrem Leben als auch mit der Schule während der Pandemie signifikant gesunken war. Viele Kinder haben die Angst ausgedrückt, dass sie selber oder Leute, die ihnen nahestehen, krank werden könnten. Unicef empfiehlt der Regierung sicherzustellen, dass Kinder und Eltern Zugang zu relevanten Präventionsmaßnahmen haben.

Das Genfer Komitee CDE

Vor einem Jahr, im März 2020, hatte die Luxemburger Regierung ihren Bericht zur Lage der Kinderrechte in den vergangenen zehn Jahren dem Genfer Komitee CDE ausgehändigt. Nach ausführlicher Prüfung dieses Berichtes wird das CDE voraussichtlich im Mai die Regierung erneut einladen, um in einer „Session“ über diesen Bericht zu debattieren. Als Kontrollfunktion für die Einhaltung der Kinderrechte durch die Regierung haben die vier Organisationen CCDH, Ecpat, Unicef und OKaJu das Recht, ihre jeweiligen alternativen Berichte beim Genfer Komitee einzureichen. Dort können sie dringende Fragen anführen und Empfehlungen an die Regierung aussprechen. Dies fand im Februar 2021 statt und wird „Pré-session“ genannt. Das CDE prüft auch diese Berichte im Detail und lässt die Anmerkungen dazu in ihrer Debatte mit der Regierung, „Session“ genannt, hineinfließen. Das Genfer Komitee wird anschließend eine Schlussfolgerung formulieren, bei der es Empfehlungen und finale Beobachtungen aufstellt. Diese sollen der Luxemburger Regierung dabei helfen, die Situation der Kinderrechte zu verbessern.

Till d’Eil virum Spiggel
4. März 2021 - 12.23

Nodeems dass dann d‘Rechter vun den Kanner nogebessert sin, kann een dann jo och emol d‘Rechter vin der eelerer Generatioun nobesseren, well déi gin jo emmer méi hannen vir geloss an sin nach just als Meechkouh vun der Natioun néideg.