Nicht nur in Luxemburg„Vaccinated Important People“: Wie VIP-Impfungen weltweit für Entrüstung sorgen

Nicht nur in Luxemburg / „Vaccinated Important People“: Wie VIP-Impfungen weltweit für Entrüstung sorgen
„Der Impfstoff gehört meinen Freunden“: Proteste in Buenos Aires nach einem Skandal um sogenannte VIP-Impfungen Foto: AFP/Alejandro Pagni

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Nicht nur Luxemburg diskutiert über Impfdrängler. Auch andernorts geht es mitunter radikal ridikül zu. Ein kleiner Tageblatt-Überblick der VIP-Vordrängler.

Seit einer knappen Woche diskutiert Luxemburg hitzig über Impfdrängler. Erst ging es um drei Verwaltungsräte der Robert-Schuman-Kliniken, nach Äußerungen von Gesundheitsministerin Paulette Lenert im Radio 100,7 reichen die Verdächtigungen weiter. Luxemburgs Krankenhäuser sind angehalten, ihre Impflisten auf eventuelle Vordrängler hin zu überprüfen.

Luxemburg ist mit diesem neuen, uns von der Pandemie bescherten Phänomen des Impfdränglertums nicht alleine. In anderen Teilen Europas und der Welt tauchten Bürgermeister, Milliardäre, Generäle und Kirchenmänner zufällig gerade dann in Krankenhäusern auf, als dort die ersten Corona-Impfungen vergeben wurden. Und wenn man schon mal da ist … eine kleine internationale Aufreihung der Impfschlangenspringer.

Militärische Ordnung

Die Zahl jener, die sich in Spanien unberechtigt impfen ließen, geht inzwischen in die Hunderte. Der prominenteste Amtsträger, der über diesen Impfskandal stolperte, war bisher der 63-jährige Armeekommandeur Miguel Ángel Villarroya. Im Madrider Militärkrankenhaus „Gómez Ulla“ gingen derweil etliche Ärzte und Pfleger, die an der Corona-Front einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind, zunächst leer aus.

Villarroya kostete das am Ende seinen Job – der Generalstabschef war nach lauter und erboster öffentlicher Kritik nicht mehr haltbar in seinem Amt. In Spanien war die Entrüstung so groß, dass manche gar forderten, die Drängler sollten vorerst nicht die notwendige zweite Dosis bekommen, die für eine volle Schutzwirkung eigentlich notwendig ist – um Nachahmer abzuschrecken. Was Virologen unter medizinischen Gesichtspunkten allerdings für fragwürdig hielten.

Verzockt

Noch radikaler gingen Rod und Ekaterina Baker vor. Der kanadische Casino-Unternehmer und seine Schauspieler-Freundin hatten sich zu Beginn des Jahres ein kleines Flugzeug gemietet. Ihr Ausflug sollte die beiden in die kanadische Wildnis führen, genauer gesagt zu einer abgelegenen Ureinwohner-Siedlung in der nordwestkanadischen Region Yukon. Nicht wegen der schönen Natur allerdings – sondern um sich Impfungen gegen das Coronavirus zu erschleichen.

Der Plan des 55-Jährigen und seiner 32-jährigen Freundin flog auf, als sie gleich nach ihrer Immunisierung darum baten, zum Flughafen gebracht zu werden. Weil das Paar mit seinem Kurzaufenthalt auch gegen die Quarantäne-Regeln der Region Yukon verstieß, droht ihm weiterhin eine Geld- oder Gefängnisstrafe. Rod Baker musste inzwischen auch von seinem Posten als CEO bei der Great Canadian Gaming Corp zurücktreten.

Altes Brot

In Deutschland stach bislang der parteilose Oberbürgermeister von Halle, Bernd Wiegand, unter den Vordränglern hervor. Wiegand erhielt nach eigenen Angaben übrig gebliebenen Impfstoff. Später stellte sich heraus, dass auch zehn seiner Stadträte zu früh geimpft wurden. Auch mehrere Landräte sowie Hunderte Polizisten wurden geimpft, bevor sie an der Reihe waren, ebenso der Bischof von Augsburg, obwohl er erst 60 Jahre alt ist.

Auch in Österreich sollten nach geltenden Bestimmungen zunächst die Bewohner von Pflegeheimen und das Pflegepersonal geimpft werden. Woran sich aber vor allem einige Bürgermeister nicht gehalten haben. So sah sich der Feldkircher Bürgermeister Wolfgang Matt von der konservativen ÖVP zu einer Rechtfertigung gezwungen, warum er sich bei einer Impfaktion in einem Seniorenheim impfen ließ, obwohl dem Impfplan zufolge Politiker noch nicht an der Reihe waren. Matt sagte, er sehe kein Fehlverhalten darin, eine Dosis anzunehmen, die sonst hätte vernichtet werden müssen: „Ich schmeiße auch kein altes Brot weg, daraus wird Toast gemacht.“

In Trier hat der dortige Ordnungsdezernent vor etwas mehr als einer Woche seinen Rücktritt ankündigen müssen. Der Mann hatte im Impfzentrum Trier eine Erstimpfung gegen Corona mit Restimpfstoff erhalten, ohne an der Reihe zu sein. Nach all den Meldungen denkt die große Koalition in Deutschland nun über hohe Bußgelder nach. Bis zu 25.000 Euro könnte das Vordrängeln bei der Impfung dann kosten.

Zu früh getweetet

Ende Dezember waren auch in Polen die Impfungen nur sehr wenigen Berufsgruppen und besonders Gefährdeten vorbehalten. Leszek Miller gehörte keiner der Kategorien an. Trotzdem bekam der ehemalige Premier seine erste Dosis – und verbreitete seine frohe Kunde prompt auf Twitter. Die Aufregung ließ erwartungsgemäß nicht allzu lange auf sich warten.

Ebenso erwartungsgemäß stellte sich später heraus, dass Miller bei weitem nicht der Einzige war, der zu früh an eine Covid-Immunisierung gekommen war. Neben dem Ex-Premier und jetzigen Europaabgeordneten waren in den letzten Dezembertagen neben dem Politiker auch Prominente, Geschäftsleute und eine Schauspielerin zu früh geimpft worden.

Milliardär als Testperson

Johann Rupert ist Milliardär und dem Magazin Forbes zufolge der viertreichste Südafrikaner. Und Rupert gilt als einer der Allerersten, die in der Schweiz geimpft wurden – Ende Dezember war das, noch vor dem Start der eidgenössischen Immunisierungskampagne. Demnach ließ sich der Tycoon vergangenen Dezember in eine Schweizer Privatklinik im Kanton Thurgau fliegen, um dort die Impfung sozusagen vorzutesten.

Geholfen dabei dürfte Rupert, dass die Krankenhausgruppe, die das Spital betreibt, einer südafrikanischen Gruppe gehört, die wiederum zu 45 Prozent im Besitz einer Holding ist, deren Vorsitzender … Johann Rupert heißt. Von der Krankenhausgruppe hieß es später, die Impfung sei ihr gutes Recht gewesen, schließlich habe sie sich „Testpersonen ihrer Wahl“ aussuchen dürfen. Die Kritik am Vorgehen ließ trotzdem nicht lange auf sich warten. Für die nächste Dosis muss sich Rupert nun woanders umsehen – der Kanton Thurgau verwehrt dem Milliardär die zweite Impfung.

„Freunde der Macht“

Nach einem Skandal um sogenannte VIP-Impfungen sind in Argentinien Tausende Menschen auf die Straße gegangen und forderten vor dem Regierungssitz in Buenos Aires eine gerechte Verteilung des Corona-Impfstoffs. Der Skandal war ans Tageslicht gekommen, nachdem ein Journalist im Radio berichtet hatte, er sei dank seiner persönlichen Freundschaft mit Gesundheitsminister Ginés González García bereits außer der Reihe geimpft worden. Der Minister musste daraufhin zurücktreten.

Die Regierung veröffentlichte inzwischen eine Liste mit 70 Personen, die in einem Verstoß gegen die Impfreihenfolge bei der Immunisierung vorgezogen wurden, darunter Wirtschaftsminister Martín Guzmán sowie Ex-Präsident Eduardo Duhalde, dessen Frau und Kinder. „Sie haben damit begonnen, die Freunde der Macht zu impfen“, sagte die Demonstrantin Irene Marcet. „Damit stehlen sie das Leben von jemand anderem.“ (mit Material aus den Agenturen)