ForumGive us a break – Wir machen mal Pause: Am 8. März findet der zweite Frauenstreik in Luxemburg statt

Forum / Give us a break – Wir machen mal Pause: Am 8. März findet der zweite Frauenstreik in Luxemburg statt
 Foto: Editpress-Archiv/Julien Garroy

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Am 8. März findet der zweite Frauenstreik in Luxemburg statt. An diesem Tag machen die Frauen mal Pause. Eine der diesjährigen Hauptforderungen ist passenderweise die Arbeitszeitverkürzung für jede Frau und jeden Mann. Warum eigentlich? Hättet Ihr als vorrangige Zielsetzung an die Arbeitszeitverkürzung zu vollem Lohnausgleich gedacht, wenn es um Frauenrechte geht? Wahrscheinlich eher nicht. Doch gerade die Frage der Arbeitszeit – also der Zeit im Leben, die wir an einen Arbeitgeber verkaufen und die somit nicht mehr uns selbst gehört – ist ein unabdingbarer Grundstein auf dem Weg zur Geschlechtergleichheit(1).

Die meiste Zeit des Tages, zumindest die, an der wir wach sind, verbringen wir noch immer auf der Arbeit und dem Arbeitsweg. In Luxemburg beträgt die vertragliche Arbeitszeit für einen Vollzeitjob 40 Stunden pro Woche. So weit die Theorie. In Wahrheit sind es durch Überstunden allerdings etwas über 43 Wochenstunden(2). Diese langen Arbeitstage nehmen wir oftmals als ganz normal oder gar unerlässlich hin, dabei arbeiten wir hierzulande mehr als in den meisten anderen europäischen Ländern(3).

Arbeiten bis zum Abwinken

Erschwerend hinzu kommt, dass unsere Arbeitszeit meistens nicht von uns selbst frei gestaltet, sondern vom Arbeitgeber festgelegt oder gar diktiert wird. Der Acht-Stunden-Tag ist oftmals dereguliert oder findet während der Abendstunden, der Nacht und am Wochenende statt4. Auch oder gerade in vielen Frauenberufen. Im Gesundheitswesen ist Schichtarbeit angesagt und in den ohnehin bereits Niedriglohnsektoren Handel, Reinigungsdienst und Horeca gehört die Sonntagsarbeit mittlerweile leider zum Alltag. Genau wie die unterschiedliche Planung der Arbeitszeit, denn auch die Schichtarbeit ist schon lange nicht mehr auf die drei Schichten (morgens, mittags, nachts) begrenzt. Die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben wird durch unregelmäßige und ständig ändernde Wochen- und Tagesarbeitszeiten völlig auf den Kopf gestellt.

Das wäre ja alles bereits anstrengend genug. Oder nicht? Jedoch ist der Arbeitstag für Frauen nach der bezahlten Tätigkeit noch lange nicht vorbei. Erst dann beginnt die nicht bezahlte Arbeit, die in unserer Gesellschaft mehrheitlich noch immer von den Frauen geleistet wird(5). Das ist die sogenannte unbezahlte Care-Arbeit, die bereits letztes Jahr beim Frauenstreik im Fokus stand. Es sind das Kochen, Putzen, Bügeln, Einkaufen, Kinderbetreuung und Erziehung, Versorgung anderer Familienmitglieder und die restlichen Haushaltsarbeiten.

Vom Herd ins Hamsterrad

Die Frauen stehen heutzutage zwar nicht mehr nur am Herd, die meisten sind aktive Arbeitnehmerinnen, aber die Aufgaben im Haushalt fallen ihnen trotzdem zur Last. Neben dem eigentlichen Job muss das Pensum zu Hause zusätzlich bewältigt werden. Für die doppelten und dreifachen Arbeitstage reichen 24 Stunden nicht aus. Das Leben einer Frau im Vollzeitjob ähnelt tagtäglich einem nicht endenden Marathon, den es im Sprint-Schnelltempo zu absolvieren gilt. Die schöne neue Welt der berufstätigen Frau wird zum Leben im Hamsterrad. Das ist eine enorme logistische Herausforderung, für die es am Ende nicht einmal Anerkennung, geschweige denn eine gerechte Entlohnung gibt.

Gerade die Corona-Pandemie hat die mentale Überbelastung noch verschlimmert, für jeden, aber besonders für die Frauen. Gleichzeitig Arbeitnehmerin sein, den Haushalt schmeißen, als improvisierte Lehrerin im Homeschooling fungieren und Seelsorgerin für Freunde und Familie spielen ist einfach zu viel für eine Person. Wir wollen nicht, dass Frauen sich in einem Leben als ausgebrannter Tausendsassa ergeben, es gibt konkrete Lösungsansätze und wir fordern den politischen Willen zu ihrer Umsetzung.

Eine Tagesverlängerung ist eher unrealistisch. Auch das Schlafen kann und soll nicht ausgelassen werden. Deshalb muss eine andere Lösung herbei. Die Plattform JIF(6) wirbt daher für eine generelle Arbeitszeitverkürzung für alle ArbeitnehmerInnen zu vollem Lohnausgleich, welche zu einer gleichberechtigten Aufteilung der nicht bezahlten Care-Arbeit dienen soll und muss.

Die Teilzeit-Falle

Die Zahlen in Luxemburg sprechen eine klare Sprache. Ganze 33 Prozent der Frauen arbeiten nur Teilzeit, gegenüber lediglich 5 Prozent der Männer(7). Der Unterschied ist gewaltig und aussagekräftig. Viele Frauen flüchten in Teilzeitjobs. Als Ausweg aus der Quadratur des Kreises der Unvereinbarkeit von Job und Familie. Oder sie arbeiten gezwungen in Teilzeit, weil die Arbeitgeber in manchen traditionellen Frauenberufen Vollzeitverträge verweigern. Dies ist vor allem für das Reinigungspersonal (über 80 Prozent Frauen) eine traurige Realität(8).

Doch Teilzeitarbeit bedeutet auch Teilzeitgehalt und später Teilzeitrentenauszahlung. Der „Time Gap“ der Frauen führt zweifelsohne zu einem „Pay Gap“ und verdammt die Teilzeitarbeitnehmerinnen zu einem „Pension Gap“. Und Luxemburg hält den traurigen Rekord für den höchsten Rentenunterschied zwischen Mann und Frau mit ungehörigen 44 Prozent(9). All dies bedeutet leider weniger eigenes Einkommen, weniger ökonomische Unabhängigkeit und weniger finanzielle Absicherung.

Teilzeitarbeit bleibt zudem weiterhin ein Karrierekiller. Leider ist es in den meisten Unternehmen noch immer verpönt, in Verantwortungspositionen Teilzeit zu arbeiten und Jobsharing zu machen. Promoviert wird nur, wer viel Zeit für den Job aufopfert, befördert wird also nur, wer ausreichend Zeit zur Verfügung hat, um durch zahlreiche Überstunden als angeblich leistungsfähig aufzufallen.

Dem Stress einen Korb geben

Doch die Binsenweisheit „wer viel arbeitet, leistet auch viel“ stimmt schlichtweg nicht. Nicht nur macht zu viel Arbeit mental und körperlich krank, es führt zu Ineffizienz und Motivationsverlust, weil es unproduktive Zeitfresser fördert und die Kreativität hemmt. Eine gute Idee bekommt man nämlich eher beim Spazieren an der frischen Luft als in der zehnten Tagesarbeitsstunde im stickigen, lärmenden Großraumbüro.

Es muss demnach Schluss sein mit „all work, no play“. Mit überlangen Arbeitstagen, den etlichen Überstunden. Den zahlreichen Stunden, die von Arbeitgebern überhaupt nicht erfasst werden, aber zur Betriebskultur dazugehören. Ja natürlich, unser Gesetz verbietet – zu Recht und zum Glück – unbezahlte Überstunden. Dass solche jedoch in Unternehmen zum Beispiel ohne Kollektivvertrag und Gewerkschaftsdelegation gang und gäbe sind, ist ein offenes Geheimnis. Dieser Praxis muss Einhalt geboten werden.

Fazit: Ein Mentalitätswechsel ist unabdingbar. Die stetige psychische und physische Belastungsprobe, der Wettlauf gegen die Zeit vom Erwachen bis zum Einschlafen ist kein tragbares Gesellschaftsmodell. Die Gesellschaft wird sich ändern müssen. Damit Frau und Mann gut leben und gut arbeiten können, ausreichend Zeit für Familie, Freunde, aber auch einfach Freizeit, Kultur und Sport haben, muss sich die Gesellschaft in aller Ehrlichkeit der Frage der unausweichlichen Notwendigkeit einer Arbeitszeitverkürzung für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu vollem Lohnausgleich stellen. Die Debatte aus ideologischer Verblendung zu verweigern, wird die bereits bestehenden und stetig steigenden Probleme der Unvereinbarkeit von Beruf und Privatleben nicht lösen, sondern weiter verschärfen. Die Frauen und Männer, die Familien, verdienen es, dass die Gesellschaft uns allen eine gerechte Aufteilung der bezahlten und unbezahlten Arbeit ermöglicht.

Walk the talk am 8. März!

Am 8. März wollen wir Frauen deshalb zusammen mit solidarischen Männern Pause machen. Dann heißt es keine Hausarbeit, kein Care-Work für Frauen. Sagt auch Ihr: „Yes, we care!“ Nehmt teil! Während der Mittagsstunde an der Online-Demo und um 17 Uhr auf der Straße, Treffpunkt Bahnhof in Luxemburg-Stadt(10).

* Michelle Cloos und Tina Koch sind Vertreterinnen des OGBL Equality und Mitglieder der Arbeitsgruppe „politische Forderungen“ der Plattform JIF.

(1) Neu ist die Forderung in der Luxemburger Frauenbewegung nicht: Bereits 1990 haben die Frauenorganisationen OGBL-Fraen, Femmes socialistes, Planning familial, MLF, RSP-Fraen, Gréng Fraen, UFL, FNC-Fraen und Femmes en détresse am Frauentag eine Konferenz mit Isolde Ries vom DGB zum Thema „35-Stonne-Woch direkt! 35-Stunden-Woche statt Flexibilisierung“ veranstaltet
(2) „Quality of Work Luxembourg 2020“-Bericht von der „Chambre des salariés“
(3) https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php?title=Hours_of_work_-_annual_statistics
(4) Mehr als sein Drittel (35 Prozent) der ArbeitnehmerInnen arbeiten laut Quality of Work Index (siehe Fußnote 2) am Wochenende oder nach 19 Uhr
(5) EIGE-Gleichstellungsindex Luxemburg 2019
(6) Erklärungen zur Plattform JIF gibt es in diesem einminütigen Video: https://www.facebook.com/watch/?v=206513647479908
(7) „Quality of Work Luxembourg 2020“-Bericht von der „Chambre des salariés“
(8) Detaillierte Schilderungen zu den Arbeits- und Lebensbedingungen des Reinigungspersonals finden Sie in diesem Video des OGBL zusammen mit der CSL und dem CID – Fraen an Gender anlässlich des Equal Care Day 2020: https://www.youtube.com/watch?v=mt_gRh_g4-0
(9) https://ec.europa.eu/eurostat/web/products-eurostat-news/-/ddn-20210203-1
(10) Alle Informationen und mögliche coronabedingte Updates auf www.fraestreik.lu und dem Facebook-Konto zum Frauenstreik, https://www.facebook.com/JIFLuxembourg

Von Blücher
25. Februar 2021 - 8.06

Sollten Mann und Frau nicht direkt zuhause bleiben und sich auf Staatskosten ein gutes Leben gönnen. ? Sorry , in welcher Gesellschaft leben wir denn , wo der Staat jegliche Garantien, Kosten übernimmt, die Gesellschaft im Glauben von Gerechtigkeit , utopischen Gedankengut dem „ Dolce Far Niente „ frönt. Wohlstand wird nur durch harte Arbeit und auch Verzicht , Sparsinn geschaffen.Unsere Vorfahren haben dies zur Genüge bewiesen .Unsere Gesellschaft hat irgendwie die Bodenständigkeit verloren.Einerseits fordern sie wie einst in kommunistischen Systemen die Fürsorge des Staates in allen Bereichen, andererseits alle Annehmlichkeiten des kapitalistischen Systems.