PorträtAditya Mittal ist der neue Chef von ArcelorMittal

Geboren wurde Aditya Mittal im Jahr 1976 in Indien. Aufgewachsen ist er in Indonesien. Dort war sein Vater Lakshmi Mittal mit der Sanierung eines maroden indonesischen Stahlwerks beauftragt, welches seine Familie zuvor für 1,5 Millionen Dollar erworben hatte.

Dies meisterte der Vater mit einem derartigen Erfolg, dass er bald selber begann, alte, ineffiziente Stahlwerke in Mexiko, Trinidad und Tobago, Kasachstan und anderen Ländern zu erwerben. Diese Werke trimmte er dann auf Effizienz. Im Jahr 2004 legte Lakshmi Mittal dann seine beiden Stahlunternehmen Ispat International und LNM Holdings zusammen und stimmte gleichzeitig einer Fusion mit der International Steel Group aus den USA zu. Mittal Steel war geboren.

Aditya Mittal war, nach erfolgreichem Abschluss seines Studiums an der bekannten Wharton School of Business (USA) und nach einigen Monaten Erfahrung im Bereich „Zusammenschlüsse und Übernahmen“ bei Credit Suisse First Boston, bereits seit 1997 in verschiedenen führenden Funktionen in den beiden Gesellschaften des Vaters tätig. Als Finanzchef von LNM Holdings leitete er beispielsweise den Zusammenschluss zur Mittal Steel. Mit 28 war Aditya Mittal dann Finanzchef von einem der beiden größten Stahlkonzernen der Welt.

Trotz seines jungen Alters galt er als wortgewandter Finanzfachmann und überraschte mit seinen Kenntnissen der Details. Da er jedoch neben den vielen alten und erfahrenen Herren aus der Stahlindustrie aussah wie ein Teenager, wurde er oftmals unterschätzt. Ein Fehler. Die Initiative, die schlussendlich im Zusammenschluss von Mittal Steel mit Arcelor gipfelte und Lakshmi Mittal weltberühmt machte, war eigentlich seine Idee. Er hatte sie dem Vater vorgeschlagen. Fast genau 15 Jahre ist es nun her, dass Vater und Sohn am 27. Januar 2006 gemeinsam ihr feindliches milliardenschweres Angebot für Arcelor vorstellten.

Während der Monate des Übernahmekampfes kamen Vater und Sohn mehrmals nach Luxemburg, um für ihr Angebot zu werben. Bis August des gleichen Jahres hatte sich das eingespielte Team dann gegen alle Widerstände durchgesetzt und sein Ziel erreicht. Um nicht für Unmut zu sorgen, begnügte sich Lakshmi Mittal vorerst mit dem Posten des Verwaltungsratspräsidenten des neuen Konzerns ArcelorMittal. Geschäftsführer wurde der Luxemburger Roland Junck. Der 30-jährige Aditya Mittal wurde derzeil Finanzchef des neuen weltweit größten Stahlkonzerns. Anfang November 2006 übernahm Lakshmi Mittal dann den Posten des Geschäftsführers.

Die Konjunktur war der neuen Firma in den folgenden Jahren nicht immer freundlich gesinnt. Gleichzeitig galt es, die durch die Übernahme bedingte milliardenschwere Verschuldung des fusionierten Konzerns abzubauen. Die Aktie verlor deutlich an Wert. In Luxemburg wurden der traditionelle Hauptsitz und eine ganze Reihe Unternehmensbeteiligungen (von Paul Wurth bis Circuit Foil) verkauft. Das Werk in Schifflingen wurde geschlossen. Die Zahl der Beschäftigten schrumpfte deutlich.

Das selbstgesetzte Ziel bei der Entschuldung war Ende 2020 dann erreicht: Der Schuldenstand war von mehr als 25 Milliarden Euro im Jahr 2008 auf 6,4 Milliarden Ende 2020 gesenkt worden. Nun werde eine neue Phase beginnen, hieß es vom Unternehmen. Mit Dividenden und Aktienrückkäufen sollen die Aktionäre (wobei der größte und wichtigste weiterhin die Familie Mittal ist) belohnt werden.

Trotz mauer Corona-Konjunktur sei das Unternehmen gut aufgestellt, war von dem Konzern zu hören. Angekündigt wurde auch ein Sparprogramm über eine Milliarde Dollar, mit dem Ziel, auch nach der Pandemie wettbewerbsfähig zu bleiben. Der Aktienkurs hat bereits wieder zugelegt. Lakshmi Mittal, der mittlerweile 70 Jahre alt ist, übergibt den Posten des Geschäftsführers an seinen Sohn, der scheinbar jede ihm aufgetragene Aufgabe mit Bravour gemeistert hat. 

„Der Vorstand ist einstimmig der Meinung, dass Aditya Mittal die natürliche und richtige Wahl für die Position des Vorstandsvorsitzenden des Unternehmens ist“, wird Lakshmi Mittal im Rahmen der Ankündigung der Nachricht zitiert. „Wir haben eng zusammengearbeitet, seit er 1997 in das Unternehmen eingetreten ist, und in den letzten Jahren haben wir das Unternehmen tatsächlich gemeinsam geleitet. Er verfügt über ein unübertroffenes Wissen über das Geschäft und hat ein feines Gespür dafür, wie sich das Unternehmen weiter verändern muss.“ Ganz zurückziehen wird sich der Vater jedoch nicht. Als Verwaltungsratspräsident wird er weiter ein genaues Auge auf die Tätigkeiten des Sohnes haben.

Auf den neuen Chef warten nun eine Reihe Herausforderungen. Dazu zählen ein Ausbau der Präsenz der Gruppe in Asien, eine Reduktion der Kohlenstoffemissionen in der Produktion sowie eine Lösung für die Handhabung von Importen aus Billiglohnländern in die alten Industriestaaten. Doch Aditya Mittal kann mittlerweile auf eine angesammelte Erfahrung zurückblicken wie kein zweiter. Er ist motiviert und will den Stahlkonzern in die Zukunft führen. Dafür setzt er beispielsweise auf den 3D-Druck von Automobilteilen aus Stahlpulver oder auf die Einführung von künstlicher Intelligenz und fortschrittlicher Automatisierung in der Produktion.

In Luxemburg sind beide heute nicht mehr so oft zu sehen wie noch während des Übernahmekampfes. Doch die Verbringungen bestehen weiter. Die Unternehmensgruppe zählt mit dem langjährigen Stahl-Manager Michel Wurth und dem ehemaligen Wirtschaftsminister Etienne Schneider immer noch zwei Luxemburger im Verwaltungsrat. Und auch ist der Hauptsitz im Großherzogtum geblieben, wie Aditya Mittal unter anderem 2007 im Rahmen einer Veranstaltung in Luxemburg versprochen hatte. „Der Sitz von ArcelorMittal wird für immer in Luxemburg bleiben“, sagte er damals.

Die Familie Mittal lebt in London, in einem Haus in den exklusiven Kensington Palace Gardens, das der Vater Berichten zufolge für 128 Millionen Dollar von Formel-1-Chef Bernie Ecclestone gekauft hatte. Nach Luxemburg umziehen werde er nicht, hatte Aditya Mittal bereits 2007 gegenüber dem Tageblatt gesagt, auch wenn sich der Hauptsitz des Unternehmens dort befinde. Er besitze ja ein Flugzeug und die Verbindungen zwischen London und Luxemburg seien ausgezeichnet. Zudem könne er die Flugzeit gut nutzen, um seinen Arbeitstag vorzubereiten. Auch sei der Zeitaufwand nicht größer, als wenn man mit dem Auto von außerhalb ins Stadtzentrum pendele.

Seit 1998 ist Aditya Mittal mit der etwa ein Jahr jüngeren Megha Mittal verheiratet. Kennengelernt hat er die Tochter eines indischen Garnfabrikanten während des Studiums an der Wharton School of Business. Zusammen haben sie zwei Töchter und einen Sohn. Megha Mittal hatte 2009 den Modekonzern Escada nach dessen Insolvenz gekauft. Ende 2019 hatte sie das Unternehmen jedoch an den Finanzinvestor Regent weiterverkauft. Die Hochzeit der beiden war übrigens deutlich bescheidener abgelaufen als einige Jahre danach die seiner jüngeren Schwester Vanisha (ebenfalls Mitglied im Verwaltungsrat von ArcelorMittal). Ihre Hochzeit wurde im Jahr 2004 in Frankreich unter anderem im Schloss von Versailles gefeiert, dauerte fast eine Woche und soll über 60 Millionen Euro gekostet haben.

Auf der Forbes-Liste der reichsten Menschen der Welt wird Lakshmi Mittal mit einem Gewicht von 7,4 Milliarden Dollar derzeit auf Rang 196 geführt. Vor der Finanzkrise 2009 galt er noch als drittreichster Mann weltweit. Der Familie Mittal gehören rund 35,6 Prozent an ArcelorMittal.