Editorial / Um Luxemburgs Wohnungskrise in den Griff zu bekommen, darf Enteignung kein Tabu sein

Symbolbild (Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante)
Die Wohnraumkrise in Luxemburg ist trotz der grassierenden Corona-Pandemie das Hauptsorgenkind der Luxemburger: Bei der TNS-Umfrage vergangenen November empfanden fast acht von zehn Befragten die explodierenden Immobilienpreise als beunruhigend – da kann selbst das Virus nicht mithalten. Entsprechend scharf schießen die Oppositionsparteien gegen die halbgaren Bemühungen von Wohnungsbauminister Kox. Das völlig zu Recht: Der „Pacte logement 2.0“ und das neue Mietengesetz muten an wie der Versuch, einen lodernden Hausbrand mit einem löcherigen Eimer Wasser zu löschen. Aber auch vereinfachte Regeln für Wohngemeinschaften, sozialer Wohnungsbau und ein starkes Vorkaufsrecht für Gemeinden sind nur Pflaster, um den Wassereimer etwas besser abzudichten. Um den Brand zu löschen, braucht es einen Schlauch und einen Hydranten. Oder anders gesagt: Wir brauchen ein anderes System.
Die Immobilienpreise steigen europaweit seit 40 Jahren bedeutend stärker als die Preise anderer Konsumgüter. Das liegt an der Doppelfunktion der Immobilie: Sie ist einerseits ein Objekt des täglichen Bedarfs – man kann nicht nicht wohnen, wenn man an der Gesellschaft teilhaben möchte –, andererseits ist sie aber auch ein Anlageobjekt. Und sogar ein sehr verlockendes: Anders als Wertpapiere ist Boden ein knappes Gut, das aber für immer mehr Menschen zur Verfügung stehen muss. Das gilt überall auf der Welt, aber besonders in Luxemburg, wo die Bevölkerung schneller wächst als in den meisten entwickelten Staaten. Zieht man nun noch die seit einem Jahrzehnt anhaltende Nullzinspolitik der EZB in Betracht, die traditionelle Anlagen wie Anleihen für anlagesuchendes Kapital vollends unattraktiv macht, dann ist klar, dass dieses Geld sich andere Wege sucht, um sich zu vermehren: Es fließt in Grund und Boden. Wenn aber immer mehr Anleger in Immobilien investieren, steigen auch die Preise – der Kreislauf befeuert sich selbst.
Das spürt jeder am eigenen Leib, der eine Wohnung sucht. Aber nicht nur Wohnimmobilien sind davon betroffen, auch die Preise von Gewerbeimmobilien steigen seit Jahren massiv an. Zwar sind die Quadratmeterpreise für Ladenlokale im Corona-Jahr 2020 gesunken, für Büroflächen gilt das allerdings nicht. Zieht man diesen Zusammenhang in Betracht, dann liegt die Konfliktlinie nicht mehr zwischen Wohnungssuchenden und Vermietern, sondern zwischen Leistungsträgern und Kapitalanlegern. Wer also die Wohnungspreise senken will, muss auch die Preise für Gewerbeimmobilien senken wollen – denn davon profitieren letztlich alle: der städtische Einzelhandel, wenn Menschen nicht aufs Land ziehen müssen, sondern vor Ort einkaufen können, weil sie es sich leisten können, in der Stadt zu leben. Die Unternehmen, die ihre Fixkosten senken und dadurch mehr Kapital für Innovation übrig haben. Und natürlich der Arbeitnehmer, der nicht die Hälfte seines Lohns für seine Unterkunft aufbringen muss. Sie alle sind letztlich Verbündete im Kampf gegen steigende Immobilienpreise – sie haben das bloß noch nicht bemerkt. Die Frage lautet also nicht, wie wir den Preisanstieg für Boden eindämmen können. Dieser ist nämlich, anders als Corona, kein unkontrollierbar übertragbares Virus. Die Frage lautet: Darf Grund und Boden weiterhin Privateigentum und handelbare Ware sein – mit der Folge, dass das elementare Bedürfnis nach adäquatem Wohnraum unerfüllbar wird? Oder ist der Boden aus der Reihe der möglichen Anlagegegenstände herauszunehmen und in gesellschaftliches Eigentum zu überführen?
Ja, das ist ein radikaler Ansatz und ein Einschnitt ins grundlegende Eigentumsrecht. Aber wer Grundrechte mit Verweis auf ein Virus einschränken kann, der sollte das auch tun können, um Menschen ein Dach über dem Kopf zu ermöglichen.
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Na super, Stalin lässt grüssen oder wie? Habe leider Ihren „Ironiemodus“ nicht gefunden. Gut versteckt?
Tabus sind Bestandteil einer funktionierenden menschlichen Gesellschaft und dürfen daher nicht leichtfertig infrage gestellt werden. Es gibt aber viele andere Instrumente baureifes Land seiner Bestimmung zuzuführen. Der Politik steht es frei, unbebautes Bauland mit einer Strafsteuer zu belegen, oder eine Bauverpflichtung innerhalb von zwei Jahren nach deren Erwerb einzuführen. Zur Zeit parken nicht wenige Bürger ihr Geld in Bauland und beteiligen sich somit an der Bodenspekulation.
@Galup denkt man die klimaproblematik bis zu ende, landet man unweigerlich bei systemkritik. denkt man die wohnraumproblematik zu ende, landet man unweigerlich bei systemkritik. denkt man …
der (neo-liberale) kapitalismus ist ja scheinbar ein gut funktionierendes system und der staat soll sich gefälligst so wenig wie möglich einmischen. „die märkte“ funktionieren und regeln alles. wieso gibt es denn noch in jedem land dieser erde staatsbeihilfen? die gerne angenommen werden? nach denen in krisenzeiten geschrien wird, die dann als absolutes muss gelten, am beste ohne gegenleistungen? ist krise, soll der staat stark sein und noch mehr geld verteilen?
nur so ein paar gedanken. gruss, stalin
Ohne Wirtschaftsweiser zu sein ; wenn Boden ein knappes Gut ist kann man doch ganz einfach dieses Gut vermehren, damit der Preis runter geht: also die Beschränkungen der Bauperimeter mal aufheben oder zumindest lockern….wenn dass Angebot steigt werden die Preise fallen oder…?
Das nennt man wohl Freie Marktwirtschaft.Da wir kein Arbeiter-und Bauernstaat sind und der Staat eben nicht auf Privates zugreifen kann und da wir ein kleines Land mit 2600KM/2 Fläche sind und da wir ein attraktives Land für Arbeit/Lohn sind mit einer guten Infrastruktur und,und….wird sich nicht viel ändern. Die böse Fratze des Kapitalismus!? Wer sein Leben lang gearbeitet hat um sich und seinen Kindern eine Basis zu schaffen,soll also wegen Zuwanderung,sprich Überbevölkerung,enteignet werden können? Dann ist der Laden noch schneller dicht als mit hohen Wohnpreisen.Ökonomen haben uns erklärt,dass die Nachfrage den Preis bestimmt.Könnte es sein,dass auch der Preis die Nachfrage drosselt?Man stelle sich vor alle 150.000 Pendler könnten morgen mit ihren Familien in Luxemburg wohnen! Das wäre der vorzeitige Kollaps. Wie war vor tagen zu lesen? „20% mehr Trinkwasserverbrauch?“ Das ist erst der Anfang.
Die Regierung muss mehr in Sozialwohnungen investieren. Sie muss verfallene Immobilien kaufen und renovieren (damit diese nicht für hässliche weiße und graue Box-Apartments abgerissen werden) und mehr neue Gebäude im ganzen Land bauen. Die Geschwindigkeit, mit der die Regierung dies derzeit tut, ist nicht ausreichend.
Wir sind nicht mehr bei Marx, Lenin, Stalin oder Trotzki. Kommunistische Theorien sind von der Bildfläche verschwunden. Den Arbeiter und Bauernstaat gibt es nicht mehr und er wird sicherlich nicht in Luxemburg aufgebaut.
Leerstandsabgabe von 10% vom Wert jedes Jahr.
Ich würde die Grundsteuer auf unbebaute und unbewohnte Grundstücke im Wohngebiet solide anheben. Auch müsste irgendwie festgehalten werden, dass ein Grundstück in einer zeitlichen Frist zum Marktpreis an den Staat abgegeben werden muss, sollte dieser Anspruch erheben.
Die Überschrift kratzt wesentlich an der Philosophie, nach der in weiten Teilen das Leben im Großherzogtum funktioniert.
Muss man auf Marktteilnehmer – in diesem Fall Eigentümer – regulierend einwirken, damit die Gemeinschaft davon als Ganzes profitiert?
Auch wenn jetzt schon so mancher die rote Armee vor den Türen des großherzoglichen Palastes vermutet: Ohne signifikante staatliche Eingriffe kann auf dem Wohnungsmarkt gar keine Besserung eintreten.
Wenn selbst Gemeinden vermehrt auf Einnahmen und weniger auf sozialen Wohnungsbau achten, wie soll dann beim Privatmenschen ein Umdenken stattfinden?
Überteuertes Bauland oder fehlende Sozialwohnungen sind nur ein Aspekt einer mangelhaften Wohnungsbaupolitik.
Unbezahlbare Immobilienpreise, die offensichtlich auf finanzstarke Käufergruppen aus einkommensstarken Branchen oder auch auf Investoren aus dem Ausland ausgerichtet sind, oder überhöhte Mieten, die längst für Normalverdiener kaum noch zahlbar sind, bezeugen ein Komplettversagen des privaten Wohnungsmarktes.
Hinzu kommt Spekulation, hauptsächlich in der Hauptstadt. Leerstehende Häuser, die irgendwann unbewohnbar sind und abgerissen werden und durch rentable Apartmenthäuser ersetzt werden, oder als Mehrfamilienhäuser konzipierte Gebäude, in denen fast nur noch irgendwelche Finanz- oder Versicherungsfirmen ihre Büros haben, sind ein unübersehbares Übel.
Klar, der Eigentümer entscheidet über die Verwendung seines Eigentums. Das kann man akzeptieren.
Dann sollte man aber endlich aufhören darüber zu klagen, dass Familien mit durchschnittlichem Einkommen immer seltener erschwinglichen Wohnraum finden und möglicherweise gar ins Ausland ausweichen müssen. Luxemburgische Familien, wohlgemerkt.
Eine soziale Familienpolitik oder günstiger öffentlicher Verkehr wirken da lediglich wie der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein.
Ade PAG ; PAPperlapapp und blablabla im E-SCHildbürger Gemeinderat . Der Dan hat Recht wie immer , wir ziehen in ein Häuschen in Differ-oder Düdelingen ein , wo Menschenwürde -und Achtung noch Zuhaus !
Damit die einen Profit machen, werden die anderen enteignet!!
Wenn der Staat sich mit Enteignungen über elementare Rechte eines jeden Bürgers hinweg setzen kann, dann darf „Selbstjustiz“ aber auch kein Tabu mehr sein?
Mir hun jo nach d’Arbeds Gebäi an der neier Avenue, Spuerkees an Post ass jo och op „Sparmodus“ wat Bauerendierfer betrefft, dat ass jo awer net näischt fir Wunnengen ze bauen, oder?
Die Enteignung ist trotz gegenteiliger Auffassung von Herrn Haas seit langem kein Tabu. Ich verweise aufArtikel 16 der Verfassung, Artikel 545 des Code Civil sowie auf das Gesetz vom 15. März 1979 betreffend die Enteignung. Warum etwas fordern das es längstens gibt. Comprenne qui peut.
Wir steuern vielleicht ins Mittelalter zurück. Bald wird die Bevölkerung wieder aus vielen Leibeigenen bestehen die nicht vom Gutshof des Leibherrn wegziehen dürfen, dann hat jeder eine Wohnung.