GastbeitragDer Gegner ist das Virus

Gastbeitrag / Der Gegner ist das Virus
 Foto: dpa/XinHua

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Nach dem Impfstart in Deutschland und Europa diskutieren wir den europäischen Ansatz und ob Entscheidungen schnell genug getroffen wurden. Auch wir stellen uns diese Fragen jeden Tag: Hätten wir schneller sein können? Und wäre ein einzelner Mitgliedstaat schneller gewesen?

Auf diese und andere Fragen, die viele Menschen zu Recht umtreiben, möchten wir einige Antworten geben. Zunächst: wir sind fest von unserem gemeinsamen europäischen Ansatz überzeugt. Das Virus kennt keine Grenzen. Unser Ziel ist, dass jeder europäische Mitgliedstaat, egal ob groß oder klein, wohlhabend oder ärmer, fairen Zugang zu den Impfstoffen hat.

Ja, es dauert vielleicht länger, Entscheidungen zu 27 zu treffen, als alleine. Aber stellen Sie sich nur vor, was passiert wäre, wenn am Anfang nur ein oder zwei Mitgliedstaaten Impfstoffe erhalten hätten. Das wäre für einige große Staaten wie Deutschland auch ohne unsere gemeinsame Verhandlungsmacht denkbar gewesen.

Luxemburg und sein kleiner Markt hätten allerdings ohne die Europäische Union Schwierigkeiten gehabt, vorteilhafte Verträge mit großen Pharmaunternehmen abzuschließen. Und was hätte das für unsere Einheit in Europa bedeutet und den Binnenmarkt, von dem auch unsere Wirtschaft lebt und unser Wohlstand sich speist?

Diese Abkehr von unseren europäischen Werten hätte nicht wenige gestärkt, sondern alle geschwächt. Das wäre an die Grundfeste Europas gegangen. Auch der Vorwurf, ein früherer Vertragsabschluss hätte zu einer schnelleren Lieferung von Impfstoff geführt, führt in die Irre. Der Engpass liegt woanders.

Die Herstellung eines neuen Impfstoffs ist eine unglaublich komplexe Angelegenheit. Alle drei bisher erfolgreichen Impfstoffhersteller mussten notgedrungen ihre Liefermengen in der Anfangsphase deutlich reduzieren. Dafür sind Probleme im Herstellungsverfahren ursächlich und die Tatsache, dass unter den hunderten Komponenten, die benötigt werden, wichtige Inhaltsstoffe weltweit knapp sind. Das ist angesichts der hohen Erwartungen schmerzlich, aber auch bis zu einem gewissen Punkt nachvollziehbar.

Wenn schon damals allen klar gewesen wäre, welche Risiken mit dem Start einer derartigen Massenproduktion verbunden sind, wenn wir geahnt hätten, welche Achterbahnfahrt das wird, dann hätten wir früher auf allen Ebenen überhöhte Erwartungen an eine schnelle Impfung gedämpft. Immerhin handelt es sich um eine Produktionssteigerung, wie es sie bisher noch nie gegeben hat.

Erst kürzlich hat uns der Vorstandsvorsitzende eines Unternehmens erklärt, dass seine Firma noch im Jahr 2019 rund 100.000 Impfstoffdosen produziert hatte. In diesem Jahr soll seine Produktion auf eine Milliarde Dosen hochgefahren werden. Das ist eine gewaltige Steigerung. Diese Leistung verdient Anerkennung.

Andere monieren, dass wir uns in der EU bewusst gegen eine Notzulassung binnen 24 Stunden wie in Großbritannien entscheiden haben. Dazu stehe ich. Eine Impfung bedeutet, dass einem gesunden Menschen ein biologisch aktiver Wirkstoff gespritzt wird. Unsere Prioritäten waren deshalb: Sicherheit und Gründlichkeit. Deswegen haben wir auf EU-Ebene das Zulassungsverfahren auch über die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) zwar beschleunigt, aber beim Thema Sicherheit keine Abkürzungen erlaubt.

Dieser Zulassungsprozess, der drei bis vier Wochen dauert, war und ist eine Investition in das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger. In der EU haben wir daher Ende Dezember mit der Impfung begonnen. Dank gemeinsamer Maßnahmen hat jeder Mitgliedstaat einen fairen Zugang zu Covid-19-Impfstoffen. In Luxemburg wurden bisher 16.419 Personen geimpft, davon haben 3.163 die zweite Dosis erhalten (Zahlen vom 4. Februar). Das ist noch lange nicht genug, aber ein Anfang. Im Februar sollen die EU-Länder weitere 33 Millionen Dosen erhalten, im März 55 Millionen Dosen. Im zweiten Quartal 2021 dürften nach konservativen Schätzungen rund 300 Millionen zusätzliche Dosen ausgeliefert werden.

Darauf hätte vor einem Jahr, als die WHO den Ausbruch von Covid-19 zur Pandemie erklärte, noch kaum jemand zu hoffen gewagt. Normalerweise dauert die Entwicklung eines Impfstoffs zwischen fünf und zehn Jahren. Dieses Mal haben wir es mit vereinten Kräften in nur zehn Monaten geschafft. Wenn Sie so wollen, war die Wissenschaft schneller als die Industrie. Auf einmal gab es den Impfstoff, aber es fehlten eingefahrene Kapazitäten und stabile Zulieferketten, ihn sofort in Masse herzustellen. Wir sind stolz, dass bei uns der erste in Europa zugelassene Covid-19-Impfstoff entwickelt wurde und auch bei uns, in der EU, in großem Umfang produziert wird.

Dieser Erfolg, das ist mir wichtig, kommt nicht durch Zufall. Die EU hat den Impfstoffentwicklern einen Teil ihrer Vorlaufkosten auch für den Aufbau von Kapazitäten für die Massenproduktion vorfinanziert. Insgesamt stellte die EU vorab 2,9 Milliarden Euro bereit – ganz abgesehen von den vielen Milliarden, die Europa jedes Jahr für eine florierende Forschungslandschaft ausgibt, die solche Erfolge überhaupt erst ermöglicht. Daher erwarten wir nun auch, dass diese Investitionen Europas Bürgerinnen und Bürgern zugutekommen, die dringend auf Impfungen warten.

Wir fordern Transparenz darüber, wohin außerhalb Europas jetzt Impfstoffe ausgeliefert werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein Hersteller gegenwärtig seine Zusagen der Europäischen Union gegenüber nicht einhält. Wir haben daher einen EU-weiten Mechanismus eingeführt, um uns einen Überblick darüber zu verschaffen, was bereits exportiert worden ist und was demnächst ausgeführt werden soll. Um es klar zu sagen: Wir haben nicht die Absicht, Unternehmen, die ihre Verträge gegenüber der EU einhalten, in irgendeiner Weise einzuschränken. Gerade wurden zwei Lieferungen nach Kanada und eine Lieferung nach Großbritannien genehmigt.

Aber wenn uns ein Unternehmen sagt, dass es der EU zugesagte Dosen nicht liefern kann, dann wollen wir schon genau wissen, was es anderen Parteien liefert. Dass die EU bislang 2,3 Milliarden Dosen Impfstoffe für ihre Bürgerinnen und Bürger und ihre Nachbarländer sichern konnte, ist auch der guten und engen Zusammenarbeit mit allen 27 nationalen Regierungen der Mitgliedstaaten zu verdanken. Vergangenen Juni haben wir gemeinsam mit den Mitgliedstaaten einen Lenkungsausschuss eingesetzt. Es herrscht ein ständiger Informationsaustausch und alle Entscheidungen werden gemeinsam getroffen. Und wir waren gemeinsam erfolgreich: Im Sommer wusste noch niemand, welcher Impfstoff die Zulassung schafft. Jetzt haben wir drei sichere Impfstoffe, und die Unternehmen BionTech/Pfizer, Moderna und AstraZeneca haben mit der Auslieferung begonnen. Weitere werden folgen.

Ich weiß, für einige steht jetzt der Vergleich mit anderen Ländern im Vordergrund, die früher aus dem Startblock kamen. Doch der Kampf gegen die Pandemie ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Während wir gegen das Virus kämpfen, verändert es sich ständig. Auch wenn glücklicherweise alles darauf hindeutet, dass unsere heutigen Impfstoffe ebenfalls gegen die Varianten wirksam sind, machen uns Mutationen Sorgen. Wir müssen uns schon heute auf ein Szenario vorbereiten, in dem das Virus nicht mehr mit den derzeitigen Impfstoffen ausreichend unterdrückt werden kann. Deshalb arbeiten wir eng mit Wissenschaft und Industrie zusammenarbeiten, um ohne Zeitverzögerung auch Impfstoffe gegen zukünftige Varianten entwickeln, zulassen und herstellen zu können. Natürlich ziehen wir dabei auch Lehren aus den Schwachpunkten, die sich im vergangenen Jahr gezeigt haben.

Es geht wieder darum, mehr Produktionskapazitäten in Europa auszubauen. Denn Impfstoffe sind ein Gemeingut, dessen Bedeutung in Zukunft weiter zunehmen wird. Wir werden diesen Kampf vereint gewinnen – gegen unseren gemeinsamen Gegner, das Virus. 

Klitz
12. Februar 2021 - 9.55

@Hans Peter Dann befinden sich also alle die die Vorgehensweise der VDL Kommission und der Politik generell kritisieren in der Komfortzone oder? So manch einer musste schon den Hut für viel weniger nehmen. Hier sind schwerwiegende Fehler unterlaufen welche möglicherweise vielen Leuten das Leben kosten. Daran ändern auch ihre aggressiven floskelhaften Stakkatoeinwürfe nichts. Mit freundlichen Grüßen

B.G.
12. Februar 2021 - 8.27

Belgien ist proportional zur restlichen Welt gesehen nicht viel grösser als Luxemburg , hat seine Pickusen unter den Ersten erhalten und dazu noch zu um einen viel ,viel günstigeren Preis ( -4E/Stück) als die riesenhafte Europäische Union ! Das Warten hat sich für Uschi also gelohnt und nichts für die EU Gemeinschaft bedeutet..... Jetzt haben wir drei sichere Impfstoffe die in 10 Monaten , anstatt 5 bis 10 Jahren entwickelt wurden !!! Wenn Uschi das in Brüssel sagt , dann hat Uschi in Brüssel Recht. Wenn Uschi das in Deutschland gesagt hätte, wären die babylonischen Hühner in ihrem Lachen erstickt , oder ? Wir arbeiten eng mit Wirtschaft und Industrie zusammen um schnell Varianten des Impfstoffs zu entwickeln und herzustellen ! Warum erst jetzt , wo das Kind im Brunnen liegt ?? Wir werden den Kampf gewinnen......erinnert sich die frühere germanische Kriegsministerin etwas nicht mehr an vergangene Zeiten ????

Hans Peter
12. Februar 2021 - 8.11

@ Klitz... Meckern aus der Komfortzone. Nur wer nichts macht, macht auch nichts falsch.

Klitz
11. Februar 2021 - 18.51

Der Gastbeitrag ist insofern kalter Kaffee da er nichts anderes beinhaltet als das was seit 3 Wochen in sämtlichen Berichterstattungen und Talk Shows gesagt wird. Angesichts der gestrigen Aussagen von Frau VDL vor dem Europaparlament ist der Gastbeitrag gewissermaßen schon obsolet denn da hat sie ja Fehler (ihrerseits?) eingestanden. Laut BILD Zeitung (sorry) hätte auch der SPD Chef gewütet „das ist richtig sch... gelaufen“. Schade dass all dies gerade einem Boris Johnson in die Karten spielt. Wir bräuchten ein Europa mit kompetenten Köpfen an der Spitze. Mehr denn je!

Hans Peter
11. Februar 2021 - 14.50

@ Scholer... dann sind wir uns ja darüber einig, dass schon alles gesagt wurde..., nur noch nicht von jedem;)

J.Scholer
11. Februar 2021 - 10.48

@Hans Peter: Es freut mich immer wieder Sie aus der Reserve zu locken , sonst macht das Schreiben keinen Spaß.

Hans Peter
11. Februar 2021 - 8.01

@ Scholer für Sie ist der Gegner Von der Leyen, Deutschland, EU, Moskau und viele andere Verschwörungen, für mich ist der Gegner das Virus....

J.Scholer
10. Februar 2021 - 16.51

@Hans Peter: Lesen Sie die Aussage ( auf 100,7)von Herrn Bütikofer, EU Abgeordneter , zum Thema Borrell Besuch in Moskau. Diese Aussage zu Nordstream 2, Von der Leyen, Deutschland und EU spricht Bände.

Hans Peter
10. Februar 2021 - 16.26

@ Till Eule... ist ein Wirrkopf von Berufswegen oder einfach nur ein Troll;)

Till Eule vor dem Spiegel
10. Februar 2021 - 13.21

@Hans Peter: - Rheingold - zogen einst einige Verwegene auf mit einer europäischen Idee den Goldschatz zu vermehren . - Walküre - Eine Pandemie sucht den in Honig und Milch lebenden Götterwald auf , die Einigkeit der europäischen Brüder und Schwestern auf eine harte Probe stellt , die Erhaben versuchen durch Umsturzversuche die europäischen Grundsätze zu unterminieren, ihre Macht auszuweiten.- Siegfried - Nach erfolglosem Schmieden , feiern sie den Impfstoff, möge auch sonst der europäische Gedanke kein europäischer Gedanke mehr sein ,die Pandemie, die europäischen Brüder , Schwestern, sie selbst untergehen.- Götterdämmerungen -Der europäische Gedanke ist endgültig in der Flut versunken.

nighthawk
10. Februar 2021 - 13.21

attendre godot: auf Deutsch "warten auf von der leyen"

Hans Peter
10. Februar 2021 - 10.06

Keine Kommentare von Scholer und co? Ich kann nur hoffen, dass dieser Gastbeitrag auch von den vielen Wirrköpfen gelesen wird, die hier gerne den Untergang der europäischen Idee propagieren;)