ArcelorMittalAbkommen mit Staat und Gewerkschaften – Eine Lösung wie zu Zeiten der großen Stahlkrise

ArcelorMittal / Abkommen mit Staat und Gewerkschaften – Eine Lösung wie zu Zeiten der großen Stahlkrise
Gleich drei Minister waren am Montag bei der Unterzeichnung des Abkommens mit ArcelorMittal und den Gewerkschaften anwesend. Es ging um die Zukunft Luxemburgs als Standort  für die Stahlindustrie.  Foto: Editpress/Julien Garroy

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ArcelorMittal, Gewerkschaften sowie die Luxemburger Regierung haben am Montag ein Abkommen unterzeichnet: Zwar wird der Stahlkonzern, wie er geplant hatte, mehr als 500 Arbeitsplätze abbauen, „harte“ Entlassungen können jedoch vermieden werden. Wie zu Zeiten der großen Stahlkrise vor mehr als 40 Jahren wird eine „Cellule de reclassement“ geschaffen. ArcelorMittal hat sich zu millionenschweren Investitionen in den Standort Luxemburg verpflichtet. Teil des Abkommens ist erstmals auch eine Kontrolle der abgegebenen Versprechen, mit der Möglichkeit, Sanktionen auszusprechen.

Mitte September letzten Jahres hatte der Stahlkonzern ArcelorMittal angekündigt, 570 Arbeitsplätze in Luxemburg abbauen zu wollen, 15 Prozent seiner Beschäftigten. Bereits vor der Pandemie sei die Stahlindustrie mit schwierigen Marktbedingungen konfrontiert gewesen, hieß es damals. Unter anderem habe die Branche in Europa mit billigen Stahlimporten aus Ländern mit weniger Umweltauflagen (somit kostengünstiger) zu kämpfen. Auch Steuern auf Exporten von Stahlprodukten in die USA lasteten auf dem Geschäft. Die Pandemie habe dann alles noch komplizierter gemacht, so der Konzern damals. Eine Restrukturierung sei notwendig.

Etwa vier Monate dauerten die Verhandlungen. Mit am Tisch saßen der Stahlkonzern, die Gewerkschaften OGBL und LCGB sowie die Luxemburger Regierung. Der Staat habe dabei nicht nur zugeschaut, sagte der Minister für Arbeit, Dan Kersch, am Montag vor Journalisten. „Unser Ziel war es, den Abbau sozial zu begleiten und gleichzeitig die langfristige Zukunft der Stahlindustrie in Luxemburg zu sichern.“ Das sei mit dem Abkommen „Lux 2025“ schließlich gelungen.

Das Luxemburger Modell habe „voll funktioniert“, so der Arbeitsminister. Zwar werden 536 Arbeitsplätze abgebaut, doch es werde keine „harten Entlassungen“ geben. Etwa 300 Menschen erhalten die Möglichkeit einer früheren Rente, während eine „Cellule de reclassement“ in den kommenden Jahren (maximal) 280 Personen begleiten werde. Die Betroffenen werden Weiterbildungen erhalten, können kleinere Arbeiten bei ArcelorMittal verrichten und an andere Unternehmen ausgeliehen werden. „Wir werden sie nicht liegen lassen“, so der Minister. Zu einem Sozialplan wird es nicht kommen.

Alle Standorte bleiben erhalten

Gleichzeitig hat sich der Stahlkonzern dazu verpflichtet, keinen Standort in Luxemburg zu schließen und  mindestens 165 Millionen Euro (bis 2025) hierzulande zu investieren. Auch der Standort Dommeldingen, dessen Uberleben in die Debatte geraten war, wird nicht geschlossen, sondern umorganisiert. Mit den Geldern sollen Projekte zur Effizienzsteigerung und Umweltverträglichkeit der Luxemburger Werke finanziert werden. Mit dazu zählt beispielsweise der Bau einer Fotovoltaikanlage auf einem Weiher in Differdingen.

Wirtschaftsminister Franz Fayot ist mit dem Ergebnis der sektoriellen Tripartite zufrieden. „Es war kein einfacher Prozess“, sagte er zu den Verhandlungen. Doch das „Luxemburger Modell funktioniert“. Die Arbeitsplätze würden „sozial verträglich“ abgebaut. Erfreut ist er darüber, dass etwa 3.000 Jobs in der Branche gesichert werden konnten. ArcelorMittal habe gezeigt, dass es gewillt ist, langfristig einen Stahlsektor in Luxemburg zu erhalten, sagte er. Das sei eine gute Nachricht – immerhin gehe es um eine Branche, die weltweit starkem Konkurrenzdruck ausgesetzt ist. Fayot erinnerte daran, dass in den beiden Jahren zuvor die Exporte Luxemburger Stahlprodukte deutlich (17 und 11 Prozent) rückläufig waren.

Zufrieden zeigte er sich zudem darüber, dass sich der Konzern dazu verpflichtet hat, den Hauptsitz des Konzerns in Luxemburg zu belassen. Ins Gespräch geraten war das neue Hauptgebäude (das auf Kirchberg am Entstehen ist): Nach dem Jobbau, der auch die Verwaltung trifft, wird nämlich weniger Bürofläche benötigt. „Es ist jedoch sehr wichtig für uns, dass es gebaut wird“, so Fayot. Im nun unterzeichneten Abkommen seien nun bereits Dienstleistungen festgehalten, die von dem Gebäude aus geleistet werden müssen. Möglicherweise könnte jedoch noch ein zweiter Nutzer benötigt werden, fügte Roland Bastian, zuständig für Luxemburg bei ArcelorMittal, hinzu. Noch im weiteren Verlauf des Tages sollen Luxemburgs Premierminister Xavier Bettel und Konzernchef Lakshmi Mittal darüber reden.

Bastian erinnerte am Montag noch einmal an die schwierige Lage, in der sich die Branche befindet. Von Anfang an habe man jedoch auch „Investitionen mit auf den Tisch gelegt“. Es gelte, Prozesse zu verbessern, um sich effizienter aufzustellen. Er sei froh, dass „wir an dem mehr als 40 Jahre alten Modell anknüpfen konnten“. Zu Zeiten der großen Stahlkrise wurde mit Maßnahmen wie beispielsweise einer „Cellule de reclassement“ ein Sektor radikal umgestaltet, ohne dass es zu direkten Entlassungen kam. Man fühle sich der luxemburgischen Stahlindustrie verbunden und wolle ihre Zukunft mitgestalten, so Bastian am Montag.

Der bei der Unterzeichnung ebenfalls anwesende Finanzminister Pierre Gramegna fügte hinzu, dass auch er froh über die Einigung sei. So könne man die Zukunft der verbleibenden Mitarbeiter der Branche mittel- und langfristig absichern. Zudem „konnten wir zeigen, dass wir allen Firmen helfen, egal was ihre Größe ist“. Ebenfalls freue er sich darüber, dass die versprochenen Investitionen auch wirklich getätigt werden würden.

Kontrollmechanismus mit möglichen Sanktionen

Damit die Investitionsverpflichtung kein leeres Versprechen bleibt, haben sich die Verhandlungspartner auf einen Kontrollmechanismus mit möglichen Sanktionen geeinigt. So riskiert der Konzern, wenn er die versprochenen Investitionen bis 2025 nicht getätigt hat, einen Teil der 20 Millionen Euro, die der „Fonds de l’emploi“ aktuell (bei den Kosten der Frührenten) übernimmt, zurückgeben zu müssen.

Die Vorleistungen sind an die Investitionsverpflichtungen gebunden. Im Zweifelsfall werde man die Rückzahlung fordern, so Arbeitsminister Kersch. Dies sei ein Schritt, wie ihn die Regierung noch nie unternommen habe. Es sei ein gutes Beispiel für die Zukunft, das auch bei anderen sektoriellen Tripartiten in den Einsatz kommen könnte, fügte er hinzu.

Auch wenn man nie glücklich mit Jobbau sein könnte, so die Gewerkschaft OGBL, gebe es doch eine ganze Reihe positiver Ergebnisse in dem Abkommen. „Es ist eine klare Richtung nach vorn“, so Stefano Araujo,  zuständig für die Stahlindustrie. Dazu zählt, neben der Begleitung der vom Jobverlust Betroffenen und den versprochenen Investitionen in die Zukunft, dass die Personalvertreter die künftige Entwicklung weiter mit beobachten können. Die Möglichkeit, dass ein Konzern im Zweifelsfall Hilfen zurückzahlen muss, wenn er sich nicht an Versprechen hält, habe es in der Vergangenheit nie gegeben, so Araujo. ArcelorMittal solle die Zeit bis 2025 nun nutzen, um sich gut aufzustellen. 

Noch vor zehn Jahren war ArcelorMittal, mit mehr als 6.000 Mitarbeitern, der wichtigste private Arbeitgeber des Landes. Doch ab 2016 begann ArcelorMittal zurückzufallen. Grund waren die Stilllegung des Werks in Schifflingen sowie Verkäufe von Beteiligungen (Paul Wurth, Enovos, das Werk in Düdelingen und Circuit Foil). 2019 war der Konzern der fünftgrößte private Arbeitgeber des Landes. Zu Jahresbeginn zählte er etwa 3.500 Mitarbeiter. In fünf Jahren sollen es 3.000 Beschäftigte sein.

Grober J-P.
27. Januar 2021 - 10.18

Höret doch auf diesen Herren zu glauben. Roland wird vorgeschickt um die Gemüter zu beruhigen und unsere Fayots und Konsorten fallen darauf rein. Der rote Faden zieht sich durch die gesamte "Stahlgeschichte". Versprochen wird seit 1975, seit 1975 wird tröpfenweise abgebaut. 2030 ist Stahl in Luxemburg Geschichte. Dann steigen wir auf die Produktion von Joghurtbechern um. Was läuft eigentlich in Düdelingen und bei Guardian, steht das Werk in Polen schon? "Im Zweifelsfall werde man die Rückzahlung fordern, so Arbeitsminister Kersch." Hihihi!