Vor EU-GipfelGeschlossene Grenzen für „Hochrisikogebiete“ – Deutschlands Pläne und Luxemburgs Sorgen

Vor EU-Gipfel / Geschlossene Grenzen für „Hochrisikogebiete“ – Deutschlands Pläne und Luxemburgs Sorgen
Keine Synchronschwimmer in der Corona-Krise: Angela Merkel und Xavier Bettel im Februar 2019 Foto: AFP/Odd Andersen

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In der Corona-Krise droht Luxemburg neues Ungemach. Die Sorge vor Grenzschließungen ist wieder da – und das nicht ohne Grund, wie das Tageblatt vor dem EU-Gipfel am Donnerstagabend aus Regierungskreisen erfuhr.

Angela Merkels Hinweise an die Nachbarländer am späten Dienstagabend bei ihrer Corona-Pressekonferenz ließen besonders in Luxemburg aufhorchen. Deutschlands Kanzlerin hatte gerade angekündigt, „Vorkehrungen“ gegenüber Nachbarländern zu schaffen, die in ihren Maßnahmen gegen die Pandemie nicht „synchron“ zu Deutschland sind – das just seinen Lockdown verlängert hatte, inklusive Schul- und Geschäftsschließungen. Womit Luxemburg sich in dem Sinn nur mehr schwer als „synchron“ sehen konnte. Und Merkel fügte hinzu, wer „ganz andere Wege“ gehe, dem drohten Grenzschließungen.

Unerwartet waren Merkels Worte nicht gekommen. Bereits am Dienstagnachmittag hatte das Luxemburger Staatsministerium in einem Presseschreiben über Telefonate zwischen Xavier Bettel und Angela Merkel sowie dem belgischen Premier Alexander De Croo informiert. In diesen habe Luxemburgs Premier die große Bedeutung von offenen Grenzen auch in der Corona-Pandemie betont.

Mediale Vorbereitung

Außenminister Jean Asselborn hatte bereits am Montag beim Rat der EU-Europaminister vor Grenzschließungen gewarnt, zwischendurch mehrfach mit seinem deutschen Amtskollegen Heiko Maas telefoniert und legte am Donnerstagmorgen im Deutschlandfunk nach. Ihm gehe es um die für Luxemburg überlebenswichtigen Grenzgänger, „den kleinen Grenzverkehr“. 60 Prozent der im medizinischen Bereich arbeitenden Menschen in Luxemburg fallen in diese Kategorie. „Ohne die bricht bei uns das Gesundheitswesen zusammen“, warnte der 71-Jährige.

Es war Luxemburgs mediale Vorbereitung auf den Donnerstagabend. Um 18.00 Uhr kommen die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union zu einem Videogipfel zusammen. Auch hier wird das Thema die Zusammenarbeit der EU-Staaten in der Pandemie-Bekämpfung sein. Es wird um die Probleme in der Impfkampagne gehen. Aber auch um gemeinsames Handeln. Demnach auch um Grenzschließungen? Wohl schon.

„Der Druck ist nicht gering“

„Der Druck ist nicht gering“, heißt es am Donnerstagmorgen aus Luxemburger Regierungskreisen. Aber solange die Zahlen im Großherzogtum nicht wieder ansteigen, rechne man nicht mit konkreten Forderungen aus Berlin, den Lockdown in Luxemburg zu verschärfen. Allgemein sei das deutsch-luxemburgische Verhältnis auch wieder besser als im Frühling. Damals hatte Berlin die Grenzen zu Luxemburg ohne Vorwarnung schließen lassen.

Die Teilnehmer des Videogipfels werden sich auch damit befassen, wie die ansteckendere britische Virus-Variante B117, die sich auch in Kontinentaleuropa rasant ausbreitet und die Deutschland, aber auch Österreich den Lockdown verlängern ließ, in den Griff zu bekommen ist. Im Hinblick auf diese Anstrengungen könnte Tageblatt-Informationen zufolge zur Klassierung als Risikogebiet die Einordnung als sogenanntes Hochrisikogebiet hinzukommen. Während Ersteres ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner gilt und das Reisen durch Quarantäne- und Testpflicht erschwert, würde Letzteres ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 200 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner zutreffen – und Grenzschließungen nach sich ziehen.

Folgen alle Berlin?

Bereits im Frühsommer glich das gemeinsame Handeln in Europa einer Anpassung aller an das Vorgehen Deutschlands. Die Zahl 50 in der Verbindung mit dem damals noch eher ungeläufigen Begriff der Sieben-Tage-Inzidenz gehören inzwischen zur Corona-Alltagssprache. Wer die 50er-Schwelle an Neuinfektionen während der letzten sieben Tage überschritt, galt quasi europaweit als Risikogebiet. Die 50er-Inzidenz hatte zuvor bereits innerhalb Deutschlands Anwendung gefunden. Die Zahl 200 gilt im Nachbarland seit ein paar Wochen. In Landkreisen, in denen diese Schwelle überschritten wurde, wird der Bewegungsradius der Menschen auf 15 Kilometer begrenzt.

In Luxemburg heißt es hinter vorgehaltener Hand, Berlin werde wohl versuchen, auch diesen Wert zur gängigen Norm in der EU zu machen. Zurzeit liegt Luxemburgs Sieben-Tage-Inzidenz Tageblatt-Berechnungen zufolge bei 133, der Wert von 200 wurde hierzulande letztmals am 26. Dezember überschritten. Allerdings zeigen die Beispiele anderer Länder wie Großbritannien, Irland oder Portugal, dass die britische Virus-Variante, wenn sie mal Fuß gefasst hat, die Infektionszahlen förmlich explodieren lassen kann. In Portugal könnte der Anteil den dortigen Gesundheitsbehörden zufolge bereits nächste Woche auf 60 Prozent steigen.

Besseres Verständnis

Wiederum sind es die vielen Pendler in Gesundheitsberufen, um die in Luxemburg am meisten gefürchtet wird. Berlin werde ab einer Inzidenz von mehr als 200 Neuinfektionen auch Grenzgänger nur noch mit negativem Covid-Test passieren lassen. Pendler müssten sich dann alle 48 Stunden testen lassen, um in Luxemburg arbeiten zu können.

Trotzdem gehe man „ohne Panik“ in diesen Gipfel, heißt es. Schließlich seien Gipfel immer gut, um die anderen vom eigenen Weg zu überzeugen und um Verständnis für die eigene Situation zu werben. Hinzu komme, dass Merkel die Luxemburger Sonderposition durchaus nachvollziehen könne und auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sich bereits mehrfach auf Luxemburgs Seite gestellt hat, wenn es um geöffnete Grenzen, also den Erhalt Schengens ging.

Auf den EU-Gipfel am Donnerstagabend folgt am Freitag in Luxemburg ein Regierungsrat. Mit Lockerungen sei aber nicht zu rechnen, heißt es hierzu aus Regierungskreisen. Dafür ist die Sorge dann doch zu groß. Vor B117. Und vor geschlossenen Grenzen. Und am meisten vor einer Kombination aus beidem.

Robbes
22. Januar 2021 - 22.15

Wenn ich die vielen gehässigen Kommentare (einer reicht bis in den 1. Weltktieg zurück) lese, möchte ich der Redaktion empfehlen, bei diesen Themen die Kommentarfunktion zu deaktivieren. Wir bräuchten nur mal selbst die kräftezehrenden Klinikberufe auszuüben, dann wären wir nicht so auf die Pendler angewiesen.

migg
22. Januar 2021 - 18.18

Nu maacht mol ee beschen lues, Die Regierung ass nett mèi onkompetent wei déi aal Regierungen matt csv Bedeeligung och!

Joanni
22. Januar 2021 - 17.46

@ heulsuse, Iwerfuerdert ass nach galant ausgedréckt, daat dooten ass schons onkompetent an verzweifelt, null Mum,den Ruin an Ennergang vun Luxusburg.

grenzgegner
22. Januar 2021 - 13.30

@Ney JP: Langsam, ganz langsam. Ein Blick auf die Zahlen gefällig? Zur Zeit liegt die Inzidenz, auf 100.000 Einwohner bezogen, bei 137 positiven Fällen in Luxemburg. In Deutschland liegt sie im Moment, so das RKI, bei 115 Fällen. Aber welches Land hat die Läden und Schulen wieder geöffnet? Ach so, Luxemburg ist ein souveränes Land, es kann seine Öffnungen machen, wann und wo es Lust dazu hat. Richtig. Dann muss man auch den Deutschen die Souveränität zugestehen, die Grenzen zu schliessen. Wer hat den Karren an die Wand gefahren? Beide. Beide Staaten haben gepennt, und weder im Sommer eine entsprechende Strategie gefunden, noch dem Druck aus Wirtschaft und aus bestimmten politischen Kreisen standgehalten. Und jetzt sind sie gerade dabei, einen anderen Karren an die Wand zu fahren. Die Einen (Asselborn) geben gerne den Mustereuropäer, verweisen dann aber, wenn es mal brenzlig wird, darauf, man sei ein souveräner Staat. Die Anderen (Merkel & Co.) verteidigen ständig die europäische "Idee", sind aber praktisch damit beschäftigt, diese zu begraben. Tolle Europäer, auf beiden Seiten. Aber Schuld sind selbstverständlich immer die Anderen. Ich schrieb schon anderswo, dass die Grenzen auf keinen Fall wieder geschlossen werden dürfen: Das trifft nicht nur Luxemburg wegen der zahlreichen Grenzgänger, die gebraucht werden, oder die Deutschen, für die mittlerweile das Leben mit luxemburgischen Nachbarn Alltag geworden ist. Das ist auch ein erneuter, schäbiger Verrat an der europäischen Sache.

baerchen
22. Januar 2021 - 13.11

Daat Heescht Mutti decideiert weini mir waat opmachen wou liewen Mir am Schlaraffen Land EU as wei Titanic langsam aber sicher geet et enner

Lichtblick
22. Januar 2021 - 10.26

Ein Zitat der EU Kommissionspräsidentin "Wenn auf der einen Seite ein harter Lockdown greift und auf der anderen Seite die Geschäfte geöffnet bleiben, würde dies automatisch riskante Bewegungen auslösen. Die Gefahr müssen die Behörden erkennen und gegensteuern“" Nebenbei möchte ich einige Kommentatoren hier daran erinnern das Luxembourg ohne "Mutti" bisher keine einzige Impfstoffdosis abbekommen hätte da das Ländchen ein zu kleiner Markt ist. Mutti hat daheim jetzt ziemlich Stress mit den Boulevardmedien die sich angreifen dass sie nicht erstmal Impfstoff für DE besorgt habe. Ich denke es war richtig wie sie es gemacht hat. (Natürllich nicht allein, FR, NL und IT, die großen vier der EU die jeweils alleine genug Marktmacht gehabt hätten um für sich Impfstoff zu kaufen, waren hier alle sehr fair zu ihren Freunden).

Hans Peter
22. Januar 2021 - 9.35

@ Ney Jp keine Ahnung woher Sie ihre Informationen beziehen, aber das scheint nur zweitrangig. Einfach nur traurig.

Heulsuse
22. Januar 2021 - 2.47

@Joanni, dei ganz Regierung gett kee gutt Bild of! Komplett iwerfuerdert.

Ney Jp
21. Januar 2021 - 23.44

Die deutsche Regierung hat den Karren über Monate gegen die Wand gefahren. Jetzt bestrafen Sie die Nachbarländer indem Sie die Grenzen schließen wollen um später in den Wahlen behaupten zu können wir die GroKo haben es geschafft. Einfach nur traurig.

Miette
21. Januar 2021 - 22.22

Luxemburg ist so nahe an allen Grenzen, unsere Nachbarländer sind uns wie Geschwister. Es wäre sehr schade, wenn nun wieder Schlagbäume unsere Europafamilie trennen würden. Mir ist bewusst, dass Europa während der Pandemie und auch schon vorher nicht so besonders gut zusammen arbeitete.Jedoch, nun wäre die Gelegenheit als Team zu agieren? Bleiben sie bitte alle gesund, ohne Grenzen❣❣❣

Irma
21. Januar 2021 - 21.58

Ok, ich bin 70 und bleibe zu Hause. Seit langer Zeit. Kollegen (ehemalige) arbeiten von zu Hause. Wer bewegt sich noch überhaupt und dann über Grenzen hinaus? Wohl hauptsächlich die Menschen, die sich gerne bewegen sollen dürfen, um unseren Alten, Kranken, usw. usw. beizustehen. Danke ihnen. Davon abgesehen: ich will immer noch gerne weiter als Frisange oder Wasserbillig mit meinem Auto fahren können.

De Mätzeler
21. Januar 2021 - 20.42

„Ein Ferkel auf der Schlachtbank , fürcht ich nicht „ ( Johannes von Wurm und Praxis - 1621)

Joanni
21. Januar 2021 - 18.08

Den Herr Asselborn hätt do eng besser Figur gemaach wéi den DP-Komiker do, alles daat heen nëtt ugefaangen huet mat Kreischen bei der Mutti.

Jeanchen
21. Januar 2021 - 17.57

Ech hätt léiwer den Asselborn's Jang do gesinn a plaatz vun eisem DP-Komiker,deen huet null Mum an séch, alles daat heen nëtt ufenkt ze kreischen virun der Mutti. Waat ass daat een topécht Grenz-Gedeessems, si kréien guer neischt méi an den Grëff,Onkompetenz total, EU -Politiker sinn komplett vun der Roll,just nach eng grouss an deier "Spillschoul", den Bierger ass Niewesaach, merde alors.

Aender
21. Januar 2021 - 16.58

Die letzten 2 haben sie verloren, trotzdem sind sie als Sieger heraus gekommen. Diesmal, ohne auch nur einen einzigen Schuss abgefeuert zu haben. Unter offene Grenzen verstehe ich etwas anderes.

HTK
21. Januar 2021 - 16.11

Synchron heißt also für Mutti: " Ihr macht was wir sagen oder....!" Legt euch synchron ins Zeug um die Impfungen voranzutreiben. Das wäre mal was. Wenn in Großstädten 30 000 Idioten ohne Maske gegen Maßnahmen streiken helfen auch keine Grenzschließungen mehr.