Covid-bedingte Schließung„Lights on“: Ein stiller Protest der Gastronomie

Covid-bedingte Schließung / „Lights on“: Ein stiller Protest der Gastronomie
Bei Einbruch der Dunkelheit schaltet Martine Schmit in Heffingen die Außenbeleuchtung ein, auch wenn die Rollläden geschlossen bleiben Foto: Editpress/Eric Hamus

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„Lights on“ lautet der Aufruf einer Initiative, die auf die aktuelle Lage im Horeca-Bereich aufmerksam machen will. Dabei werden die teilnehmenden Betriebe aufgefordert, trotz pandemiebedingter Schließung an dunklen Winterabenden ihre Außenbeleuchtung anzuschalten. „Ihnen wird nicht zugehört. So werden sie zumindest gesehen“, sagt der Initiator Andrew Martin.

Grauer Himmel, kurze Tage, lange Nächte: Im Winter gehen viele Menschen nicht gern vor die Tür. Allerdings sind Luxemburgs Straßen und Gassen dieses Jahr noch dunkler als sonst. Wegen der jüngsten Entschlüsse in Pandemiezeiten nämlich bleiben die ansonsten hell erleuchteten Gastronomiebetriebe weiter dunkel. Trübe sind daher auch die Zukunftsaussichten so mancher Bar- und Restaurantbesitzer, von denen viele kaum noch Verständnis für die Maßnahmen der Regierung aufbringen können.

Allein aus diesem Grund kommt vielen Betroffenen die Initiative „Lights on“ gerade recht: Noch bis Ende Januar wollen die teilnehmenden Inhaber mit hell erleuchteten Speisesälen und von weitem sichtbaren Restaurant- und Barschildern auf ihre äußerst delikate Lage aufmerksam machen. „Viele Besitzer haben das Gefühl, als wolle niemand zuhören. Mit dem Einschalten ihrer Lichter sollen sie zumindest gesehen werden“, erklärt der Initiator des Projekts, Andrew Martin.

Mit dem gemeinsamen Hashtag vermitteln die Bar- und Restaurantbesitzer einen stillen Protest gegen die Entscheidung der Regierung
Mit dem gemeinsamen Hashtag vermitteln die Bar- und Restaurantbesitzer einen stillen Protest gegen die Entscheidung der Regierung Foto: Editpress/Eric Hamus

Der in Luxemburg ansässige DJ und Marketingexperte hat viele Bekannte im Gastronomiebereich und weiß um deren aktuelle Sorgen: „Die Pandemie hat die Cafés und Restaurants in die Knie gezwungen. Vielen Betrieben geht das Geld aus, die letzten Finanzspritzen des Staates wurden im Oktober ausgezahlt. Die Lage als schwierig zu beschreiben, wäre noch untertrieben“, sagt Martin.

Zwar habe man zwischen zwei Lockdowns im Sommer kurz öffnen dürfen, doch hätten die betroffenen Unternehmen auch in dieser Phase kaum Erträge gehabt. „Wegen der Pandemie konnten sie nie vollständig öffnen. Und wegen der Telearbeit blieben auch die Kunden aus.“ Die Erträge aus dieser Zeit reichten einfach nicht aus, um einen weiteren Lockdown zu überleben, betont der junge Mann.

„Unfair gegenüber den Betrieben“

„Lights on“ verstehen Martin und seine Mitstreiter als „stillen, aber visuellen Protest gegen die Entscheidung der Regierung, Schulen, Geschäfte, Kinos, Theater, Schwimmbäder und Sporthallen zu öffnen, während der Horeca-Bereich weiter geschlossen bleibt“. Die Idee zur Initiative habe ihm ein befreundeter Barbesitzer schon im Oktober letzten Jahres vorgeschlagen. Die Zeit sei damals aber noch nicht reif gewesen. „Jetzt aber, als Premier Xavier Bettel all diese Wiedereröffnungen ankündigte, den Gastronomiebereich jedoch außen vor ließ, war der richtige Moment gekommen“, erklärt Martin.

Der Marketingexperte will auf keinen Fall die Initiative als Kritik an der Corona-Politik der Regierung verstanden sehen. „Im Gegenteil: Mit Ausnahme dieser Entscheidung haben Premier Xavier Bettel und Gesundheitsministerin Paulette Lenert meiner Meinung nach einen hervorragenden Job geleistet. Doch diesen letzten Entschluss können viele nicht nachvollziehen. Es ist unfair gegenüber den betroffenen Betrieben, ihren Besitzern und Angestellten“, so der junge Brite.

Entsprechend groß ist das Interesse an der Aktion: Nach nur einer Woche haben sich bereits mehr als 60 Cafés, Bars und Restaurants angeschlossen. Darunter auch zahlreiche namhafte Etablissements aus der Hauptstadt. „Doch nicht nur aus Luxemburg. Inzwischen haben sich auch Betriebe aus dem Süden angeschlossen, von der Mosel, aus dem Norden. Kleine Dorfcafés machen mit und bekannte Bars in den Städten“, freut sich Martin.

„Und täglich kommen vier bis fünf Betriebe hinzu“, stellt er zufrieden fest. Wer mitmachen will, soll die Außenbeleuchtung so anschalten, als wäre das Lokal geöffnet, und davon dann ein Foto machen. Anschließend wird das Bild in den sozialen Netzwerken mit dem Hashtag #lightsonluxembourg geteilt. Sämtliche Fotos werden zudem auf der entsprechenden Facebook-Seite „Lights On Luxembourg“ geteilt. Die Seite hat inzwischen schon fast 3.000 Anhänger.

„Eine schöne Aktion“, urteilt eine Nutzerin. „Bravo, très bonne initiative“, eine andere. „Belle initiative, et merci!“, bedankt sich eine Barbesitzerin. „Ganz gutt Iddi“, so ein weiteres Urteil. In anderen Worten: Bei vielen Luxemburgern kommt die Aktion gut an. Vor allem die betroffenen Inhaber und ihre Mitarbeiter begrüßen die Unterstützung.

Projektinitiator Andrew Martin ist ein Kenner der Gastronomieszene, hat viele Freunde und Bekannte in dem Bereich
Projektinitiator Andrew Martin ist ein Kenner der Gastronomieszene, hat viele Freunde und Bekannte in dem Bereich Foto: privat

„Ein sozialer und bildlicher Protest“

„Das ist wirklich eine sympathische Aktion, um auf unsere Notlage aufmerksam zu machen“, unterstreicht etwa Martine Schmit. „Wir könnten auch einen Strick ins Fenster hängen oder einen Sarg. Das käme der ganzen Situation schon etwas näher. Doch diese Initiative ist schön und gut organisiert“, erklärt die Besitzerin vom „Café A Bau“ in Heffingen. Vor allem freue sie sich aber über die Unterstützung aus der Bevölkerung.

Als Besitzerin eines Gastronomiebetriebes fürchte sie nämlich in Vergessenheit zu geraten. „Doch die Beleuchtung stößt ins Auge, die Menschen werden auf diese Ungerechtigkeit aufmerksam“, so Schmit. Sie selbst habe das Etablissement erst vor zwei Jahren übernommen und komplett überholt. Vor diesem Hintergrund sei die aktuelle Situation untragbar geworden. Die Angst, nicht über die Runden zu kommen, sei allgegenwärtig. Großartige Hilfe vonseiten des Staates könne sie kaum erwarten. „Und wenn, dann reicht sie nicht aus“, so die Inhaberin.

Die Entscheidung der Regierung könne sie nicht nachvollziehen. Andere Branchen, die bereits öffnen durften, seien mindestens genauso gefährlich, wenn nicht noch gefährlicher. „Wenn man dann noch bedenkt, dass Premier Xavier Bettel höchstpersönlich gesagt hat, dass die Gastronomie kein Hotspot ist, dann kann man diesen Entschluss nicht verstehen“, betont die Einwohnerin aus Heffingen. Vielmehr fühlt sie sich bestraft, nur weil sich ein paar wenige schwarze Schafe nicht an die Regeln gehalten haben.

Frustriert sind auch die Inhaber vom hauptstädtischen „Ristorante Delirio Culinario“: „Wir sind immer noch geschlossen, doch die versprochenen Hilfen reichen nicht aus!“ Fair sei das nicht: „Läden, Supermärkte und andere Bereiche sind geöffnet, doch wir müssen sehen, dass wir über die Runden kommen“, pflichtet Christopher Belnou vom „Vagabond“ in Düdelingen bei. Dabei sei es in Supermärkten weitaus schwieriger, die Mindestabstände einzuhalten, als in einer Bar oder einem Restaurant, so der junge Mann.

Ähnlich sieht es auch der Betreiber des „Brasserie-Restaurant Aal Eechternoach“: „Diese Aktion ist eine gute Gelegenheit, den Leuten draußen zu zeigen, dass es uns noch gibt und dass wir darauf warten, die Leute wieder bei uns empfangen zu können“, so Steve Streff. Zu viele Menschen ließen ihrem Frust auf den sozialen Netzwerken freien Lauf. „So aber brauchen wir nur das Licht anzumachen, um auf eine soziale und bildliche Weise unseren Protest kundzutun“, unterstreicht der Echternacher Gastronom gegenüber dem Tageblatt.

Mit der Aktion bewiesen die teilnehmenden Betriebe alle Zusammenhalt und Verständnis. „Wir drücken uns aus, ohne etwas sagen zu müssen“, stellt Steve fest. „Wenn wir jetzt auch noch etwas damit bewirken können, dürfen wir alle zufrieden sein.“ Das hofft auch der Initiator von „Lights on“, Andrew Martin: „Ich hoffe, dass die Regierung ihren Fehler bald einsieht und die Regeln nur so weit ändert, dass wirklich jeder finanziell über die Runden kommt. Viele Gastronomiebetriebe sind bald pleite. Eine Welle der Insolvenz wäre katastrophal für Luxemburg.“

Die Teilnehmer sind aufgerufen, die Außenbeleuchtung einzuschalten und ein Foto ihres Etablissements zu machen. Dieses wird dann unter #lightsonluxembourg in den sozialen Netzwerken geteilt. 
Die Teilnehmer sind aufgerufen, die Außenbeleuchtung einzuschalten und ein Foto ihres Etablissements zu machen. Dieses wird dann unter #lightsonluxembourg in den sozialen Netzwerken geteilt.  Foto: Steve Streff
Fernand
15. Januar 2021 - 13.28

Ja, komm wir erhöhen unsere Stromkosten, wenn wir schon ein Einkommen haben. Ich nehme an, das wird unter 'Werbung' von der Steuer abgesetzt?