„Nichts ist normal bei dieser Wahl“Was Politikwissenschaftler über den Ausgang des CDU-Kandidaten-Rennens sagen

„Nichts ist normal bei dieser Wahl“ / Was Politikwissenschaftler über den Ausgang des CDU-Kandidaten-Rennens sagen
Wer macht das Rennen (vlnr.): Norbert Röttgen, Armin Laschet und Friedrich Merz streiten um den CDU-Vorsitz Foto: dpa/Michael Kappeler

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Wer hat die besten Chancen, neuer CDU-Chef zu werden? Und was bedeutet das für die Kanzlerkandidatur der Union? Unter Politologen gibt es dazu teilweise verschiedene Meinungen. Unser Korrespondent Stefan Vetter hat drei prominente Vertreter gefragt:

Albrecht von Lucke, Politikwissenschaftler bei den „Blättern für deutsche und internationale Politik“: Nichts ist normal bei dieser Wahl, denn sonst würde der gewählte CDU-Chef auch Kanzlerkandidat der Union. Doch alle drei Aspiranten für den Vorsitz sind laut Umfragen nicht die stärksten für die Kanzlerschaft, weshalb es keinen Automatismus gibt.

Im Gegenteil: Nur derjenige wird Chancen auf den Parteivorsitz haben, der als CDU-Chef auf die Kanzlerkandidatur zu verzichten bereit ist. Im Falle von Friedrich Merz spricht am wenigsten dafür. Und ein Zweites spricht gegen Merz: dass er zu sehr polarisiert und damit nicht die unter Merkel gewonnene breite Mitte bindet.

Wählen die Delegierten strategisch vernünftig, müsste Armin Laschet als amtierender NRW-Ministerpräsident und Chef des bevölkerungsreichsten Bundeslandes CDU-Vorsitzender werden. Alles andere würde der Union schaden. Da jedoch Laschet in der Corona-Krise keine Autorität gewonnen, sondern noch verloren hat – und Jens Spahn noch warten kann –, läuft die Kanzlerkandidatur auf Markus Söder zu. Dafür spricht auch, dass das Landesväter-Duo Söder/Laschet am besten die ganze Breite der Gesellschaft abdeckt.

Oskar Niedermayer, Parteienforscher an der Freien Universität Berlin: Für Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur sind zwei Anforderungen zentral: Zum einen muss die Person möglichst schnell die in Merkelianer und Merkelkritiker gespaltene Partei wieder einen, das heißt die für den Bundestagswahlkampf notwendige innerparteiliche Geschlossenheit wiederherstellen. Zum anderen muss sie möglichst viele Wählerinnen und Wähler von sich überzeugen, um damit der Union zu einem guten Wahlergebnis zu verhelfen.

Das Problem der CDU ist, dass keiner der drei Kandidaten für den Parteivorsitz die beiden Kriterien gleichzeitig erfüllt. Laschet und Merz sind die Exponenten der beiden Lager und werden ihre innerparteilichen Gegner schwer überzeugen können. Am ehesten könnte noch der keinem der Lager zugerechnete Röttgen diese Aufgabe meistern.

Beim Wählerzuspruch liegen alle drei seit gut einem halben Jahr mit großem Abstand hinter Söder, der damit die größten Chancen hätte, für ein gutes Abschneiden der Union zu sorgen. Da Röttgen der Einzige ist, der ganz klargemacht hat, dass er auf eine Kanzlerkandidatur verzichten würde, wäre somit ein Gespann Röttgen/Söder optimal.

Jürgen Falter, Politikwissenschaftler an der Uni Mainz: Die besten Chancen für den CDU-Vorsitz hat Armin Laschet, weil er in der Partei wenig umstritten ist und als nordrhein-westfälischer CDU-Vorsitzender den stärksten Stimmblock hinter sich hat. Man muss dabei berücksichtigen: Es wählen nicht die CDU-Anhänger und auch nicht die einfachen CDU-Mitglieder, sondern gut 1.000 Parteitagsdelegierte. Und die sind fast alle Berufspolitiker oder in politiknahen Ämtern.

Unter ihnen herrscht eine andere Wahrnehmung. Friedrich Merz mag an der Parteibasis beliebt sein, aber nicht bei den Berufs-CDUlern, weil er als wenig berechenbar gilt. Norbert Röttgen ist ein Mann des Ausgleichs, der die Partei zusammenhalten könnte und nicht zu Effekthascherei neigt, aber ihm fehlen die Truppen. Wird Laschet gewählt, wird er auch die Kanzlerkandidatur beanspruchen.

Das hat er schon öfter klargemacht. Idealer für den Wählerzuspruch wäre es aber, die Posten personell zu trennen. Ein Duo Röttgen im Vorsitz und Markus Söder als Kanzlerkandidat wäre die erfolgversprechendere Lösung. Denn Söder hat von allen hier genannten Personen zumindest gegenwärtig die weitaus besten Zustimmungswerte.