Editorial / Das Risiko der Corona-Strategie der Regierung

Der Stoff, aus dem die Hoffnung ist: Der Ausblick auf Impfungen hat die Regierung zu einer Endspurt-Strategie verleitet (Symbolfoto: AFP/Loïc Venance)
Das Boot Luxemburg wird von seiner Regierung weiter hart am Wind durch die stürmische See der Pandemie gesegelt. Mit dem Entscheid, den härteren Lockdown nach nur drei Wochen aufzuheben, hat sich die Mannschaft um Skipper Xavier Bettel auf eine Endspurt-Strategie festgelegt: Die Intensivstationen müssen halt noch ein paar Monate dem Sturm trotzen, und dann sind wir hoffentlich durch.
Die Alternative wäre eine „Null Covid“-Strategie: das Virus mit harten Maßnahmen massiv zurückdrängen und dann jedes noch so kleine erneute Aufflammen mit breit angelegten Quarantänen und Isolierungen bekämpfen. Doch der dafür kurzfristig zu zahlende Preis ist der Regierung offensichtlich zu hoch. Angesichts der unausweichlich offenen Grenzen des Landes und des Beginns der Impfkampagnen lässt sich der Regierungsentscheid nachvollziehen. Er bleibt dennoch hochriskant.
Für die Regierung spricht, dass die Zahlen auch bereits mit dem leichteren Lockdown, mit u.a. dem Schließen der Gastronomie, zurückgingen. Das Risiko für eine neue Infektionswelle während der Feiertage wurde durch die härteren Maßnahmen der letzten Wochen eingedämmt. Dennoch bleibt, dass die Infektionszahlen noch immer hoch sind, der Winter noch lang ist und der neue britische SARS-CoV-2-Stamm B.1.1.7 eine massive neue Welle auslösen könnte.
Alle Hoffnungen liegen demnach auf der Impfung gegen das Virus. Die Nachfrage nach dem Impfstoff ist jedoch enorm, die Produktionskapazitäten begrenzt. Alleine die 27 Mitgliedstaaten der EU brauchen 900 Millionen Dosen für ihre 450 Millionen Einwohner – die Hälfte der derzeit weltweiten Produktionskapazitäten für das ganze Jahr 2021 der beiden jetzt zugelassenen Stoffe. Doch die Europäer sind nicht alleine auf der Welt, möchten aber wieder unbesorgt den ganzen Erdball bereisen.
Die Regierung mag daher alle Hoffnung in die Impfungen stecken. Politisch sind die somit erweckten hohen Erwartungen jedoch gefährlich. Das Land zählt etwas über 90.000 Einwohner im Alter über 65. Biontech wird bis Ende März lediglich genügend Impfstoff für 36.000 Luxemburger liefern können. Bis der reiselustige Mittvierziger unbeschwert und geimpft ins Großraumbüro oder den Flieger zurückkehren kann, werden demnach noch lange Monate vergehen.
Ja, es werden noch andere Impfstoffe hinzukommen. Viel Hoffnung liegt auf dem Produkt von AstraZeneca, das einfacher herzustellen und zu transportieren ist. Es soll im Februar in der EU zugelassen werden. Johnson&Johnson soll folgen. Biontech ist es gelungen, die Kapazitäten zu erhöhen und ab April mehr zu liefern. Bei anderen großen Herstellern weiß man jedoch jetzt schon sicher, dass frühestens im Sommer, wenn nicht sogar erst im späten Herbst geliefert werden wird.
Von heute aus gesehen gibt es daher eine höhere Wahrscheinlichkeit für einen weiteren Lockdown in den nächsten Wochen als für Normalität für die Sommerferien. Politisch gesehen wird jeder erneute Rückschritt unausweichlich der Regierung angekreidet werden. Sie täte daher besser, der Bevölkerung reinen Wein einzuschenken und offen einzugestehen, was für ein Drahtseilakt die von ihr gewählte Strategie letztlich ist.
- Was von Trump bleibt, in den USA und in Europa - 25. Januar 2021.
- Das Risiko der Corona-Strategie der Regierung - 11. Januar 2021.
- Zu wenig, zu spät: Europas Pandemie-Strategie ist gescheitert - 14. Dezember 2020.
Was das Boot Luxemburg in der stürmischen Pandemiesee betrifft , hat man meiner Meinung nach den Eisberg vergessen.
Dies ist bei Gotteswillen keine böswillige Andeutung auf die Titanic, sondern auf die lebenswichtigen minus 70 ° der Impfflüssigkeit….
Wenn diese Strategie nicht aufgeht, ist Gambia am Ende. Leider!
@de Prolet: Wo sehen Sie denn da so etwas wie eine Strategie? Ich sehe da bloss ein vollkommen sinnbefreites Tetris-Spiel, wo statt bunter Steine Kontaktverbote und Einschränkungen innerhalb der Grossregion „hott an haar“ und ohne jedes Konzept verschoben werden. Sobald zB Luxemburg ein klein wenig offener wird, schliesst prompt Frankreich seine Einwohner ab 18:00 Uhr ein. Atmet Belgien auf, verschärft sogleich Deutschland wieder seine Bestimmungen. Undsoweiter undsofort. Und zwischen alldem wandelt das katastrophale Versagen aller Beteiligten beim Beschaffen des Impfstoffs umher wie Banquos Geist bei Shakespeare.
Leute wie die EU-Kommissionspräsidentin und die Gesundheitsminister der meisten EU-Länder haben mit ihren Milchmädchenrechnungen den armen Adam Riese nicht nur nachträglich ermordet, sondern dazu noch seine Leiche geschreddert. Mit einem weniger drastischen Bild lässt es sich wohl kaum umschreiben, wenn jemand glaubt, mit ein paar Tausend Impfdosen eine 600.000-Seelen-Bevölkerung wirksam durchzuimpfen.
Ja, so funktioniert halt die EU.
600.000 leit am land x2 vaccins = 1.200.000 vaccins, dat dauert jo bis +- 2030, mam aktuelle getrentels. an dat ouni di sacrosaints frontaliers matzerechnen, di anscheinend net an hirem land geimpft kenne/selle/missen ginn…
Jetzt aber bitte ohne wenn und aber handeln !
Da ab heute sogar schon zwei Impfstoffe in der EU geliefert werden können, bitte sofort alles verimpfen was geliefert wird !
Das scheint leider nicht der Fall zu sein, warum ?
Bitte auch angeben wo alte und Risikopatienten sich schon jetzt einschreiben können.
Die meisten Leute waren bis jetzt sehr, sehr geduldig.
Mit dem Moderna Impfstoff könnten doch auch viele Ärzte helfen.
Sind die 6te oder sogar 7te Dosis von Pfizer pro Kit verschwunden, vielleicht im Mülleimer ?
„Die Intensivstationen müssen halt noch ein paar Monate dem Sturm trotzen, und dann sind wir hoffentlich durch.“ Der eingeschlagene Kurs bedeutet auch dass es wieder wochenlang hohe Sterbezahlen geben wird. Fraglich, ob die Regierungskoalition das überleben wird. Irgendwann wird es zum offenen Clash zwischen dem Premierminister und der Gesundheitsminister kommen.