„Würde bringt Bürde“Der scheidende Strassener Bürgermeister Gaston Greiveldinger im Porträt

„Würde bringt Bürde“ / Der scheidende Strassener Bürgermeister Gaston Greiveldinger im Porträt
Bürgermeister aus Leidenschaft: Mit Gaston Greiveldinger zieht sich eine wahre Kämpfernatur aus der Politik zurück Foto: Gemeinde Strassen

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Nach 25 Jahren im Gemeinderat, davon zehn als Schöffe und 14 als Bürgermeister, ist Gaston Greiveldinger seit dem 1. Januar nur noch amtsführend, bis sein Nachfolger Nico Pundel vereidigt ist. Porträt eines Vollblutpolitikers.

Er gehört zu jenen Lokalpolitikern, deren Namen einem sofort einfallen, wenn man an die jeweilige Gemeinde denkt: Gaston Greiveldinger (LSAP), seit 14 Jahren Bürgermeister in Strassen. Nach 25 Jahren in der Gemeindepolitik zieht er sich nun aus dem politischen Leben zurück. Ende vorigen Jahres hat er sein Rücktrittsgesuch eingereicht: „Ich wollte aufhören, ehe ich aufhören muss. Ich habe einfach festgestellt, dass man eben älter wird und die Welt sich aber immer schneller dreht.“ Und er gibt ohne zu zögern zu, dass man mit 66 Jahren sein Pulver als Politiker schon größtenteils verschossen habe.

„Wenn der Job einen komplett einnimmt, man es nicht mehr fertigbringt, diese Kappe zu Hause abzulegen, und deswegen nicht mehr schlafen kann, wenn man nicht mehr die Funktion von der Person trennen kann, dann ist es Zeit, aufzuhören“, lautet sein Fazit. Der Job bereite einem doch schon viel Kopfzerbrechen und Sorgen, und das habe ständig an ihm genagt.

Er hat nichts dem Zufall überlassen

Nico Pundel, zukünftiger Bürgermeister

Ein Aspekt, der auch seinem Nachfolger Nico Pundel (CSV), der neun Jahre lang Schöffe an seiner Seite war, aufgefallen ist: „Er hat sich stets sehr viele Gedanken gemacht über all das, was die Leute ihm sagten, und stets den Kopf über alles zerbrochen. Er ist aber auch eine Kämpfernatur. Er hat nichts dem Zufall überlassen.“

Unter den Eigenschaften, die man als Bürgermeister benötigt, nennt Greiveldinger an erster Stelle eines: große Präsenz zeigen. „Man ist stets unterwegs, muss immer auf die Leute zugehen.“ Dass er stets bei allen Veranstaltungen, die von der Gemeinde organisiert wurden, präsent war, bestätigt ihm Gemeinderätin Victoria El-Khoury (LSAP). „Er ist ein Bürgermeister aus Leidenschaft gewesen.“ Er habe die Gemeinde „en bon père de famille”“ geleitet und sei stets um das Wohl der Bewohner bemüht gewesen. Für die Parteikollegin ist Greiveldinger „profondément socialiste“.

Eine Einsatzbereitschaft und Leidenschaft, die jetzt ihren Tribut fordern. Allerdings bereut der scheidende Bürgermeister nicht, diesen Job ausgeübt zu haben: „Schließlich weiß man von Anfang an: Würde bringt Bürde. Aber nun hat das überhandgenommen. Es tut gut, wenn jetzt mit jüngeren Politikern frischer Wind in den Gemeinderat kommt. Zudem haben ich zu lange die Familie vernachlässigt und das fehlt mir jetzt.“

Bürgerbeteiligung

Stolz blickt er vor allem auf das zurück, was in seiner Gemeinde in Sachen sozialer Wohnungsbau geleistet wurde. Es gebe immerhin nun 100 soziale Mietwohnungen in der Gemeinde. „Do hu mer eppes geschafft.“

Mit dem Thema Wohnungsbau verbunden sind aber auch seine negativsten Erinnerungen. Beim Projekt „Am Pescher“ habe es viel Widerstand und heftige Diskussionen gegeben, die bisweilen schockierend gewesen seien. „Da wurde viel Porzellan zerbrochen. Das hätte in einer anderen Form stattfinden können.“

Bedauern tut er, dass er seine Idee von mehr Bürgerbeteiligung nicht weiter umsetzen konnte. „Es genügt nicht, die Bürger um ihre Meinung zu fragen, wenn diese nachher nicht berücksichtigt wird.“ Ihm habe stets ein zweites Gremium neben dem Gemeinderat vorgeschwebt. So eine Art „Bürgerrat“ würde vielleicht helfen, dass die Leute sich wieder mit der Politik anfreunden.

Aber die beste Erinnerung, die er am Ende seiner Amtszeit mitnehme, sei der Zuspruch und der Respekt, der ihm nun von vielen Seiten gezollt werde, die vielen Danksagungen von Einwohnern und Vereinen aus der Gemeinde. „Das ist eine Bestätigung für meine Arbeit.“

Ob er rückblickend etwas bereue? „Vor allem sollte man nicht versuchen, im Gemeinderat alle Entscheidungen ,à tout prix’ durchzuboxen.“ Er gibt zu, dass er mit der Zeit konsensträchtig wurde.

Gaston Greiveldinger weiß, was er will

Maryse Bestgen-Martin, Gemeinderatsmitglied („déi gréng“)

Über die Zusammenarbeit mit ihm gehen die Meinungen unter den Strassener Gemeindepolitikern auseinander. Für Marc Fischer (DP) steht außer Frage: „Er ist ein Mann, der sehr viel für die Gemeinde gearbeitet und sehr viel Einsatz gezeigt hat.“ Fischer räumt aber auch ein: „Er konnte manchmal aufbrausend sein und seine Kompromissfähigkeit ging nur so weit, wie es seinen Ideen entsprach. Es wäre ihm kein Zacken aus der Krone gefallen, wenn er öfters auch andere für ihre guten Ideen gelobt hätte.“ Die etwas kritischere Meinung des DP-Politikers dürfte allerdings auch der rezenten Gemeindegeschichte geschuldet sein. 2006 wurde die DP, obwohl stärkste Partei in der Gemeinde, durch eine Dreierkoalition ausgebootet.

Maryse Bestgen („déi gréng“) sieht dies etwas anders: „In den Angelegenheiten, die im wichtig sind, setzt er sich durch. Allerdings ist er durchaus kompromissbereit. Er kann auch anderen Lob zugestehen, wenn sie etwas Positives getan haben.“ Den manchmal aufbrausenden Charakter scheint sie allerdings zu bestätigen: „Er kann durchaus andere vor den Kopf stoßen.“ Zusammenfassend meint sie: „Gaston Greiveldinger weiß, was er will.“

Nico Pundel wiederum lobt Greiveldingers Bereitschaft zum Kompromiss, die sich bei der Frage um die Trennung von Kirche und Staat bemerkbar gemacht habe. „Er war nie auf Konfrontation aus und wollte, dass ,d’Kierch am Duerf’ bleibt. Wir haben ganz einfach gut zusammengearbeitet, er hat nie das ,Rot gegen Schwarz’ thematisiert. Aber es war klar, er war der Bürgermeister, das hat er auch stets gezeigt. Es war jedem bewusst, wer der Erste Bürger der Gemeinde war. Das letzte Wort lag immer bei ihm. Doch er sah das Amt als ,charge noble’ an.“

Dass er auf den ersten Blick schroff erscheine, bestätigt Greiveldingers Parteikollegin El Khoury. „Er macht den Eindruck, kalt und distanziert zu sein, aber wenn man ihn kennenlernt, merkt man, dass er ein freundlicher, jovialer und sehr lustiger Mann ist, der sich auch offen für andere Kulturen zeigt.“ 

„Minettsdapp“

Dass dieser joviale Mann einmal Bürgermeister in einer Randgemeinde der Stadt würde, ist allerdings einigen Zufällen geschuldet. Geboren und aufgewachsen ist er in Esch/Alzette als Sohn eines Zollbeamten. Dort besucht er das „Jongelycée“. Als er auf einer „troisième“ ist, wird der gemischte Unterricht eingeführt, erinnert er sich: „Do krute mer déi éischt Moss an d’Klass.“ In Esch ist er im Volleyballklub aktiv. Er habe es sogar einmal bis in die Nationalmannschaft geschafft – „allerdings nur bis auf die Ersatzbank“, ergänzt er lachend. Später ist er zehn Jahre Präsident des Strassener Volleyballklubs und bis heute Ehrenpräsident. Zu seinen Hobbys zählen weiterhin Radfahren und Fußball. „Als ich ihn Esch wohnte, besuchte ich jedes Spiel der Jeunesse.“ Heute sei sein Verein natürlich der FC UNA Strassen.

Fort aus seinem geliebten Esch habe ihn die Liebe geführt. Seit 40 Jahren wohnt er nun in Strassen. Seine berufliche Karriere beginnt er als Lehrer für Einwandererkinder: Von 1976 bis 1982 unterrichtet in den „classes d’accueil“. Danach wechselt er ins „Lycée technique du centre“ und 1992 ins „Lycée des arts et métiers“, wo er bis zu seiner Pensionierung 2017 stellvertretender Direktor ist. Parallel beginnt er Ende der 1980er Jahre ein Studium der Geschichte und Politikwissenschaften in Metz.

In die Politik kommt er durch einen Berufskollegen, der ihn Anfang der 1992 in die LSAP führt. Dass es die LSAP war, sei schon kein Zufall gewesen, man habe ja eine Meinung. „Aber es braucht halt oft einen äußeren Impuls.“ Obwohl er vorher nicht politisch aktiv gewesen sei, habe er sich stets dafür interessiert.

Doch neben dem sportbegeisterten Vollblutpolitiker gibt es auch den sehr an Kultur interessierten Menschen, was alle Gesprächspartner bestätigen. Neben seiner Familie und dem Sport will Greiveldinger in seiner neu gewonnenen Freizeit vor allem lesen: „Ich liebe Literatur, aber das, was ich in den vergangenen Jahren gelesen habe, waren politische Sachen und Zeitungen.“ Das würde sich jetzt ändern, vor allem französische Literatur mag er.

Der neue Schöffenrat

Seit dem 1. Januar ist Gaston Greiveldinger Bürgermeister „faisant fonction“, bis sein Nachfolger Nico Pundel (CSV) vereidigt ist. Dass der Bürgermeisterposten von der LSAP zur CSV wechselt, sei so zu Beginn der Koalition abgemacht worden, erklärt Greiveldinger. Neue Erste Schöffin wird Betty Welter, Zweiter Schöffe wird Jean-Claude Roob (beide LSAP). Als neues Gemeinderatsmitglied rückt Paul Klensch nach. François Gleis (CSV), der bis dato Zweiter Schöffe war, wird weiterhin seine Partei im Gemeinderat vertreten.

trotinette josy
7. Januar 2021 - 10.47

Nicht zu vergessen, dass der Herr vor einigen Jahren, für einige wenige Tage Direktor des " Lycée de l'Alzette " in Dommeldingen war und wegen mangelnder Qualifikation von diesem Posten zurücktreten musste, Vetternwirtschaft oder ?