Retro 2020Corona kostete Jobs und Lohn

Retro 2020 / Corona kostete Jobs und Lohn
Das Demonstrationsrecht konnte der OGBL verteidigen: Hier eine Kundgebung mit Masken des Syndikats Handel gegen die Unternehmenspolitik von H&M. Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Noch zu Beginn des Jahres, als Corona zwar bereits als Schatten auf manchen Veranstaltungen lag, sich allerdings noch nicht als die Gefahr manifestierte, als die sie später gesehen werden musste, gab ein LSAP-Kongress Hoffnung auf mehr soziale Gerechtigkeit, noch während der aktuellen Legislaturperiode. Die Sozialisten, immerhin ein Regierungskoalitionär, schienen sich auf alte Werte besonnen zu haben; eine zumindest leicht gerechter funktionierende Gesellschaft schien Input zu bekommen.  

Während der letzten Jahre kam Luxemburg zwar gesellschaftlich voran; die Schere zwsichen Arm und Reich öffnete sich aber weiter. Hoffnung wurde u.a. in die anstehende Steuerreform gesetzt, die eigentlich bereits 2021 Realität werden sollte und ein ideales Instrument der Umverteilung hätte sein können. 

Kurz nach dem oben genannten Parteikongress mit Aufbruchstimmung sollten keine Massenveranstaltungen mehr möglich sein, auch keine Partei- oder Gewerkschaftskongresse mit physischer Präsenz (eine Ausnahme machte die ADR, die Covid lange Zeit kaum ernst nahm, im Frühherbst). Zu Beginn der Krise war denn auch die fehlende Möglichkeit zu Protestkundgebungen, die eines der Mittel des Arbeitskampfes sind, den Gewerkschaften Grund zur Sorge und zur Kritik. Immerhin konnte noch das, bei niedrigen Gehältern, durch die Pandemie stark beanspruchte Sicherheitspersonal während der ersten Monate von Corona auf Kirchberg vor der Zentrale seiner Arbeitgeberorganisation demonstrieren, wenn auch in beschränkter Personalstärke und mit den Masken, die nach und nach zur gesellschaftlichen Selbstverständlichkeit werden sollten.

Und wieder eine Stahlkrise

Die erst Ende 2019 gewählte neue OGBL-Präsidentin Nora Back, die ebenfalls das Präsidium der Arbeitnehmerkammer übernahm, hatte sich ihr erstes Jahr als erste Frau an der Spitze der größten Gewerkschaft des Landes, die durch die Fusion mit dem FNCTTFEL-Landesverband noch weiter gewachsen war, wohl auch anders vorgestellt, als die Covid-Realität es zuließ. Statt einer Zeit des Einarbeitens war sie schnell mit allen möglichen schlechten Nachrichten aus diversen Branchen konfrontiert und versuchte parallel lange Staatsminister Bettel bzw. die Regierung von der Notwendigkeit einer nationalen Tripartite zu überzeugen. Eine erste Auflage kam immerhin im Frühsommer zustande, auf die zweite Runde des nationalen Kriseninstrumentes muss allerdings bis Anfang 2021 gewartet werden. 

Nur nach heftigem Protest und zähen Verhandlungen konnte der Personalabbau – der oft nur teilweise auf die Pandemie zurückzuführen war; nicht selten wurde diese einfach nur genutzt, um lang gehegte Abbauabsichten umzusetzen – bei diversen Betrieben einigermaßen sozialverträglich gestaltet werden und meist ohne Entlassungen. So geschehen bei Arcelor, bei Luxguard und am spektakulärsten vielleicht bei der Luxair, die nach einer „Quadripartite Aviation“ und starkem finanziellen Engagement des Hauptaktionärs, dem Staat, die Krise wohl besser überstehen wird als viele ihrer Konkurrenten.

Besseres Klima zwischen Gewerkschaften

In diesem Dossier, wie auch in zahlreichen anderen, etwa dem des Finanzsektors, wo die nicht mehr majoritäre Aleba einen Alleingang riskieren wollte, fiel übrigens auf, dass die Zusammenarbeit zwischen den beiden großen Gewerkschaften des Privatsektors, OGBL und LCGB, während der Krise besser klappte als noch Monate zuvor, als die Sozialwahlen die Stimmung zwischen den beiden Arbeitnehmervertretungen stark belasteten.

Dass die Kurzarbeit für Mindestlohnempfänger ohne Abstrich zum Lohn ausgezahlt wurde, dass der Urlaub aus familiären Gründen (zur Kinderbetreuung) breit gewährt wurde, dass die Teuerungszulage und der Mindestlohn erhöht wurden, dass die Mieten eingefroren wurden … all das sind weitere Maßnahmen, die den gewerkschaftlichen Forderungen Rechnung trugen.

Ganz verloren war das Corona-Jahr 2020 demnach nicht auf sozialer Ebene, auch wenn viele ihren Job ob der Pandemie verloren und nicht wenige mit geringerem Einkommen auskommen mussten. Dass die Kurzarbeit mit großem Finanzaufwand während der gesamten Krise beibehalten wurde, half allerdings vielen und verhinderte weitere Entlassungen. Ein Lichtblick ist ebenfalls die Tatsache, dass die Regierung offensichtlich nie vorhatte, den Kardinalfehler ihrer Vorgänger zu machen, die nach der Banken- und Finanzkrise 2008 auf Austeritätspolitik und damit aufs erwiesenermaßen falsche Pferd setzten.