FußballProgrès-Trainer Stéphane Leoni über seine ersten drei Wochen in Niederkorn

Fußball / Progrès-Trainer Stéphane Leoni über seine ersten drei Wochen in Niederkorn
Stéphane Leoni wird nicht davor zurückschrecken, die bekannte Spielphilosophie für den Erfolg zu opfern Archivbild: Luis Mangorrinha/Le Quotidien

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Der Niederkorner Trainer Stéphane Leoni kam in seinen ersten drei Wochen noch nicht in den Genuss eines Mannschaftstrainings. Aufgrund der vielen Fragezeichen, die seine Arbeit derzeit beeinflussen, wollte der Franzose keine präzisen Saisonziele verraten. Stattdessen gab es ein paar Ankündigungen in puncto Spielweise und Philosophie.

Tageblatt: Die Niederkorner Verantwortlichen haben bei der Suche nach einem neuen Coach das Thema „Familie“ in den Vordergrund gestellt. Warum sind Sie der richtige Mann für eine familiäre Atmosphäre?

Stéphane Leoni: Man muss sich den Spielern nähern, gemeinsame Events schaffen und sie aktiv ins Familienleben einbeziehen. So habe ich in meiner ganzen Karriere funktioniert. Anscheinend war dieses Gefühl etwas abhandengekommen und wir sind dabei, das wieder aufzubauen. Wir werden auf die Spieler zugehen, damit genau festgestellt werden kann, was in der Vergangenheit passiert ist und mit ihnen entscheiden, was verbessert werden kann. Im Moment ist es natürlich kompliziert, gemeinsame Aktivitäten zu planen. Aber es ist genau das, was wir in den nächsten Wochen machen möchten, sobald es wieder erlaubt ist. Wir möchten dadurch eine neue Dynamik entfachen, damit jeder sich angesprochen fühlt. Das wird nicht nur die Stimmung heben, sondern uns auch unseren Zielen näher bringen.

Wie stellen Sie sich eine Fußballfamilie vor?

Die Spieler müssen sich wohlfühlen, als wären sie zu Hause. Beim Progrès wird in dieser Hinsicht bereits sehr viel unternommen, denn die Spieler werden rundum betreut. Es sind allerdings erst die Gespräche und der Kontakt, die dazu führen werden, dass jeder sich in der Umgebung heimisch fühlt. Das kann beispielsweise die Geburt eines Kindes sein, wie wir sie kürzlich gefeiert haben. Es ist nicht schwierig, das alles umzusetzen. Für mich ist dieses Gemeinschaftsgefühl einer der entscheidenden Faktoren im Sport. 

In welchem Zustand befand sich die Mannschaft, als Sie sie vor drei Wochen übernommen haben?

Meiner Ansicht nach war das Team in einer guten mentalen Verfassung. Aufgrund der Ergebnisse und der Tabellensituation gab es trotzdem einen Trainerwechsel. Es war verständlich, denn wenn es nicht gut läuft, ist der Coach immer der Erste, den es erwischt – auch wenn sich die Spieler selbst infrage stellen müssen. Ich hatte nicht den Eindruck, dass dieser Wechsel sie besonders mitgenommen hätte. Die Stimmung war in Ordnung und die Spieler bereit, ihre Pflichten zu erfüllen. Sie müssen sich allerdings auch bewusst sein, dass sie es selbst sind, die auf dem Platz stehen und den Verein wieder hochziehen müssen. Der Verein gibt ihnen dafür die besten Mittel und Bedingungen. Der Klub macht alles, damit jeder in der besten Ausgangslage ist. Der aktuelle Tabellenplatz ist deshalb nicht normal. Die Spieler müssen jetzt Verantwortung übernehmen und die 20 oder 30 Prozent mehr bringen, die erforderlich sind. 

Wie sieht Ihr Programm der nächsten Wochen aus?

Zurzeit ist es sehr schwer, überhaupt etwas zu planen. Wir sind schon zufrieden, dass wir in Vierergruppen trainieren dürfen. Allerdings bleiben viele Fragezeichen. Werden wir wirklich am 7. Februar wieder spielen können? Können wir ab dem 15. Januar wieder normal trainieren? Ich weiß es nicht. Es ist schwer, sich unter diesen Bedingungen korrekt auf die Meisterschaft vorzubereiten. Die Spieler brauchen jetzt eine kleine Unterbrechung. Sie haben im Juni das Training aufgenommen, es gab immer wieder Zwangspausen. Indem wir ihnen ein paar freie Tage geben, werden sie mit einer anderen Einstellung zurückkommen und den Kopf freihaben. 

Sie haben ein Team übernommen, das gerne ansehnlichen Fußball produziert und Ballbesitz bevorzugt. Ist es eine Philosophie, die zu Ihren Ideen passt? 

Ja, ich bin es gewohnt, diese Philosophie in meinen Vereinen anzuwenden. Aber ist es diesmal die richtige? Das werde ich Ihnen in ein paar Wochen sagen. Ein guter Trainer zieht das Maximum aus seinen Spielern heraus. Man kann eine Philosophie haben, aber wenn man dadurch Begegnungen verliert, dann ist es sicher nicht die beste Option. Wir werden einen Plan aufstellen, der uns erlaubt, Spiele zu gewinnen. Wenn es bedeutet, dass die Spielidee bestehen bleibt, müssen Dinge verbessert und angepasst werden, vor allem nach einem Ballverlust. Ich habe ja bereits ein paar Videos von meinem Team gesehen und es ist davon auszugehen, dass es Veränderungen geben wird. 

Eines der großen Probleme des Progrès waren im ersten Halbjahr nicht nur die Corona-Infizierten, sondern auch viele Verletzungssorgen. Sind inzwischen wieder alle Spieler fit?

Es gibt einerseits diese Ursachen, aber man darf nicht vergessen, dass es in den letzten beiden Jahren auch bekannte Abgänge gegeben hat. Der Verein setzt bekanntlich auf junge Luxemburger und verhilft ihnen dazu, den nächsten Schritt in der Karriere zu machen und Profiverträge zu unterschreiben. Wenn man wichtige Spieler verliert, die Profi-Niveau haben, muss man sie ersetzen. Das braucht Zeit.

Ich denke, dass Covid und die Verletzungen in jedem Verein vorkommen, aber das große Handicap in Niederkorn waren die starken Spieler, die weggegangen sind. Das Ziel muss sein, in Zukunft so aufgestellt zu sein, dass Abgänge kompensiert werden können und es keine großen Leistungsunterschiede gibt. Es gab eben auch Verletzte, in diesem Jahr außergewöhnlich viele. Das geht wohl auf die Corona-Unterbrechungen zurück, da es nicht einfach ist, die Organismen nach ungewohnten Pausen wieder zu starten. Es gab den Europapokal, viele Spiele und Müdigkeit. Das alles hat den Ausschlag gegeben. Bei einem Kader wie dem des Progrès sind es nicht die beiden Covid-Fälle, die zur Niederlage führen. 

Bis auf Belmin Muratovic, der am Knie operiert wird, und Issa Bah, der im Januar wieder dazustoßen wird, sind alle wieder fit. Normalerweise sind für die Rückrunde also nur noch Yann Matias (Kreuzband) und Belmin abwesend. 

Um bei der Kompensation zu bleiben: Auf welchen Positionen muss sich über den Winter verstärkt werden?

Wir werden uns mit Sportdirektor Thomas Gilgemann beraten. Der Kader hat große Qualitäten. Die Idee lautet, weiter junge Luxemburger zu finden, die man entwickeln kann. Das Ziel bei einem Transfer ist, jemanden zu finden, der einen Mehrwert hat. Einen gleichwertigen Spieler zu verpflichten hat keinen Sinn. Einige sind mittlerweile Stammspieler geworden, obschon sie eigentlich als Konkurrenten eingeplant waren. Das Potenzial ist vorhanden, jetzt liegt es an mir und am Verein, alles umzusetzen, damit die Entwicklung voranschreitet. Es geht nicht darum, Entschuldigungen zu suchen, sondern eine gute Vorbereitung auf die nächsten Spiele durchzuziehen, damit wir gleich eine Serie hinlegen können, um schnellstmöglich aus dieser Zone der Tabelle zu verschwinden. Dieser Platz spiegelt nämlich nicht das Niveau der Mannschaft wider. 

Das Ziel für den Rest der Saison lautet ja sicher nicht, nur aus dem Loch rauszukommen? Was peilt Niederkorn an?

Darüber heute zu sprechen ist als Vorletzter sehr kompliziert. Wir müssen neues Selbstvertrauen in diese Mannschaft bringen, um sofort eine Serie hinzulegen. Das hängt davon ab, wie und wann wir wieder normal trainieren können. Wird die Saison überhaupt zu Ende gespielt? Es gibt im Moment noch zu viele Unsicherheiten, um über Saisonziele zu sprechen. Ich habe natürlich ein Ziel im Kopf, aber das werde ich für mich behalten. Das ist erst einmal eine interne Angelegenheit. Nach dem Ende der Hinrunde kann man eine erste Bilanz ziehen. 

Steckbrief

Stéphane Leoni
Geboren am 5. März 1976 in Saint-Mihiel (F)
Spielerkarriere: FC Metz (F), Bristol Rovers (ENG), Dundee United (SCO), CS Sedan, Beauvais (beide F), Greuther Fürth (D), Rouen, Sète, Metz, Cannes (alle F), Déifferdeng 03 (L), Amiens, Amnéville (beide F). Er absolvierte u.a. 73 Spiele in der Ligue 2 und 19 in der Ligue 1.
Stationen als Trainer: Amiens, Trémery und Sarre-Union (alle F)