KarateNationaltrainer Veras: „Jenny Warling sollte nicht nur Olympia vor Augen haben, sondern eine Medaille“

Karate / Nationaltrainer Veras: „Jenny Warling sollte nicht nur Olympia vor Augen haben, sondern eine Medaille“
Der neue Kumite-Nationaltrainer Raphael Veras Foto: privat

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Nach der erfolgreichen Ära Michael Lecaplain hat der Karate-Vorstand der FLAM beschlossen, der Nationalmannschaft neue Impulse zu verpassen und sie den nächsten Schritt voranzubringen. Dazu bedarf es frischen Blutes in der Chefetage. Der Posten des Nationaltrainers wurde doppelt besetzt, mit Raphael Veras für die Sparte Kumite und Yves Bardreau für die Abteilung Kata. Ersterer hat dem Tageblatt nicht nur erzählt, woher er stammt, sondern auch, wo er hinwill.

Tageblatt: Wie kam es zu der Leidenschaft für Karate?

Raphael Veras: Ich glaube, das hat sich von selbst ergeben. In Brasilien lieben die einen Fußball, andere Volleyball. Ich liebte es immer, zu kämpfen. So hat jeder seine Vorlieben, jede Entscheidung im Leben eines Menschen kann sein Leben verändern. So war es bei mir, ich kam in jungen Jahren zum Karate und zum Jiu-Jitsu. Ich habe das mit hundertprozentigem Einsatz vorangetrieben und heute bin ich stolz über meinen Werdegang.

Sie sind ein international renommierter Coach, haben viele Erfolge aufzuweisen. Wieso haben Sie sich für Luxemburg entschieden?

Meine aktive Karriere war von Höhen, aber auch Tiefen – wegen langwieriger Verletzungen – geprägt. Monatelange Pausen warfen mich immer zurück, ich wollte aber nie aufgeben. Bis zum April 2013. Ich hatte wieder eine achtmonatige Pause hinter mir und die Entscheidung stand fest, dass ich einen letzten Wettkampf bestreiten wollte. Und der fand in Luxemburg statt und ich konnte mit einem Sieg meine Karriere erfolgreich beenden. Danach beschloss ich, mich einer Trainerzukunft zu widmen. Aber Luxemburg blieb mir in der Erinnerung. Nicht nur, weil es mein letzter Auftritt war, sondern auch, weil ich mich in dem Land wohlfühlte. Ich hatte mich ein bisschen in Luxemburg verliebt, alles war so ruhig, sauber, gut organisiert und schön. Es war anders als all das, was ich bisher kannte.

Hatten Sie zuvor schon das luxemburgische Karate auf dem Zettel?

Natürlich hatte ich immer wieder Kontakt mit Luxemburgern bei Turnieren. Nach 2013 habe ich den öfter gesucht. Ich weiß deshalb, dass Luxemburg immer wieder gute Karatekas hervorbrachte und auch über viele Talente verfügt, die das Zeug zu erfolgreichen Kämpfern haben.

Ihr Vorgänger Michaël Lecaplain hatte großen Anteil an diesen Erfolgen. Ist es schwierig, seine Nachfolge anzutreten?

Nein, überhaupt nicht. Ich will meinen eigenen Weg beschreiten und nicht zurückblicken. Michaël Lecaplain hat eine sehr gute Arbeit gemacht und ich möchte ihm zu den Erfolgen gratulieren. Aber jetzt steht eben eine neue Ära bevor und wir lassen die Vergangenheit, wo sie ist. Ich werde mich ab Januar 2021 voll in meinen Job reinhängen und dem luxemburgischen Karate eine andere Philosophie vermitteln. Mein Fokus liegt komplett auf zukünftigen Erfolgen.

In den letzten beiden Jahren gab es aber leider Unstimmigkeiten hinter den Kulissen, haben Sie von den Problemen rund um den Karate-Vorstand gehört?

Nein, davon habe ich nie etwas gehört. Es interessiert mich auch wenig, weil ich mich nie um politische Geschehnisse innerhalb eines Verbandes gekümmert habe. Meine Aufgabe liegt beim sportlichen Geschehen, beim Wettkampf. Mir ist bewusst, dass ich beäugt werde. Einige Leute werden an mir zweifeln und fragen, ob ich gut genug für diesen Job bin. Es liegt an mir, die Kritiker von meiner Arbeit zu überzeugen, sodass wir in Zukunft alle am selben Strang ziehen können.

Was werden Sie anders machen?

Anders machen will ich nichts, ich will meinen eigenen Weg gehen. Ich werde mich mit der Mannschaft zusammensetzen und mir vier Wochen lang alles ansehen und -hören. In diesem Zeitraum wird man schnell feststellen, wo es hakt und wo ich eingreifen kann. Extrem wichtig ist mir, dass wir als Team zusammenarbeiten und jeder seine Meinung einbringt. Karate ist zwar ein Individualsport, funktioniert aber nur als Team. Jeder, mich inbegriffen, soll nicht seinen eigenen Weg gehen, sondern den richtigen.

Wie schätzen Sie die Leistungsstärke des luxemburgischen Karates ein und kennen Sie schon Namen?

Natürlich kenne ich das Potenzial der luxemburgischen Karatekas und ich weiß auch über ihre letzten Erfolge Bescheid. Ein Name sticht dabei natürlich hervor, der von Jenny Warling. Sie bringt die meiste Erfahrung mit auf das Tatami. Dahinter rangieren viele talentierte Kämpfer. Aber Talent allein reicht nicht aus. Um auf hohem Niveau kämpfen zu können, muss alles passen. Diesen Schritt wollen wir gemeinsam gehen.

Jenny Warling angesprochen: Können Sie die Europameisterin zu den Olympischen Spielen bringen?

Mein Ziel ist es, den luxemburgischen Karate voranzubringen. Dazu gehört Jenny Warling. Ich weiß nicht, was die Zukunft bringt, ich weiß aber, dass wir alle unser Bestes geben müssen und werden. Dabei muss man sich hohe Ziele stecken. Jenny sollte nicht nur die Olympischen Spiele vor Augen haben, sondern in Tokio eine Medaille anstreben.

Wann werden Sie Ihren Dienst in Luxemburg antreten?

Vorgesehen ist der 1. Januar 2021. In Covid-Zeiten kann man aber nicht alles planen. Man muss abwarten, was passiert. Ich stehe mit den Leuten in Luxemburg in Verbindung und wir werden gemeinsam einen Startschuss bestimmen, damit wir so schnell wie möglich alle Lücken schließen können. Ich liebe meinen Beruf und ich bin bereit.

Zur Person

Mit Raphael Veras konnte die FLAM einen sehr renommierten Trainer an Land ziehen. Der gebürtige Brasilianer konnte in seiner aktiven Zeit den Shotokan-Weltmeistertitel gewinnen und hortete brasilianische und nach seinem Umzug nach London ebenfalls britische Nationaltitel. Nach seiner aktiven Zeit schulte der 39-Jährige auf Trainer um und ist auch in diesem Beruf sehr erfolgreich. Veras war schon für diverse Verbände tätig, ist zertifizierter Coach der „World Karate Federation“ und Gründer der „Veras Academy“. Er machte u.a. Jordan Thomas zum Welt- und Europameister. Ab 2021 wird er den luxemburgischen Karatekas unter die Arme greifen.
Noch stehen Veras’ Zelte in London, wo er noch immer seiner Tätigkeit nachgeht. Im zarten Alter von acht Jahren verschrieb er sich dem Karate und entwickelte sich dank seines Fleißes in Brasilien zu einem Gewinner. Da in Südamerika König Fußball regiert und auch andere Sportarten, z.B. Volleyball, stark gefördert werden, sind die Aufstiegsmöglichkeiten im Karate sehr beschränkt. So entstand die Idee, in Europa das Potenzial zu erweitern. Im April 2002 reifte der Plan, für sechs Monate nach London überzusiedeln und unter professionellen Bedingungen zu trainieren. Die Liebe war allerdings schuld daran, dass aus den sechs Monaten mittlerweile 18 Jahre wurden, Raphael Veras begegnete in London seiner heutigen Frau.