KlangweltenSound Snippets: Die besten Neuerscheinungen in der Übersicht

Klangwelten / Sound Snippets: Die besten Neuerscheinungen in der Übersicht
Urlaub in Polen – All Bewertung: 9/10

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Auch wenn man zurzeit weder Urlaub in Polen noch sonst wo machen kann: Die Rückkehr der deutschen Krautrocker nach neun Jahren Bandpause ist eine kleine Sensation. „All“ ist die erste Platte seit „Boldstriker“ (2011) und besteht aus sechs Songs, drei elektronischen Intermezzi und einem instrumentalen Titel. Auf „T.H.D.T.“ zeigen Schlagzeuger Jan Philipp Janzen und Multi-Instrumentalist Georg Brenner, dass sie bessere LCD-Soundsystem-Songs schreiben als LCD-Soundsystem-Mastermind James Murphy himself. „Impulse Response“ ist so krautig wie ein Beak-Song, macht aber dank des treibenden Schlagzeugs mehr Spaß, auf „The Witcher“ erweitert die Band ihren Sound um ein Saxofon-Solo und eine Exkursion in den Jazz, „The Hunter“ erinnert an den Postrock von Maserati, bloß mit stoischem Gesang und prägnantem Chorus – und hinter dem schlechten Wortspiel des letzten Tracks („Proxy Music“) versteckt sich ein toller Elektrosong. Dank des ausgeklügelten Schlagzeugspiels und der stets spannenden Instrumentierung ist die Platte verkopft, aber auch intuitiv und tanzbar, sodass nicht nur Musikjournalisten sie auf illegalen Hausfeiern auflegen werden. Ein kurzes, kompaktes Meisterwerk.

pg.lost – Oscillate<br />
Bewertung: 7/10
pg.lost – Oscillate
Bewertung: 7/10

Postrock, die Erste: Nach vier Jahren Pause sind pg.lost mit ihrer neuen Platte „Oscillate“ zurück. Diese knüpft (vielleicht etwas zu) nahtlos an das tolle Vorgängeralbum „Versus“ (2016) an – und bietet nach wie vor schönen instrumentalen Postrock, der auch schon mal etwas härter klingen darf, dem mitunter aber die Ecken und Kanten fehlen. So klingt Opener „Oscillate“ etwas zu konstruiert, das tolle „E22“ (keine Anspielung auf das Kulturhauptstadtjahr im Süden) macht dafür aber mit seinen verzerrten Gesangseinlagen und den flächigen Synthies alles richtig – und erinnert an God Is An Astronaut. Der Rest der Platte folgt diesem Auf und Ab, als wäre der Plattentitel auch auf qualitativer Ebene Programm: „Mindtrip“ klingt wie eine (gute) B-Seite von „Versus“, „Shelter“ wäre mit seinem Anfang, der an „Scotland’s Shame“ von Mogwai erinnert, auch auf der letzten Platte der kultigen Schotten ein Highlight gewesen, „Suffering“ ist etwas zu voraussehbar, „Waves“ ist schlicht und einfach schön, „Eraser“ das energische Riff-Gewitter und „The Headless Man“ der ruhige Epilog. Auch wenn nur die Hälfte der Songs richtig begeistert: Diese möchte man schnellstens live erleben.

Archive – Versions: Remixed<br />
Bewertung: 8/10
Archive – Versions: Remixed
Bewertung: 8/10

Man könnte den Indie-Trip-Hop-Prog-Rockern von Archive durchaus vorwerfen, ihr 25-jähriges Bandjubiläum kommerziell ausschlachten zu wollen: Auf die opulente Werkschau („25“) folgte „Versions“, eine Platte mit zehn Neuaufnahmen, im Laufe derer Fan-Favoriten entschlackt und oftmals feminisiert wurden. Diese bereits stark elektronisch angehauchten Neuinterpretationen des hauseigenen Kanons werden nun auf „Versions: Remixed“ nochmals entstellt. Ja, man könnte Archive die kommerzielle Ausschlachtung der Vierteljahrhundertfeier ankreiden und über die Notwendigkeit, Neuinterpretationen der Originale nochmals zu remixen, diskutieren. Aber angesichts der Stringenz der meisten Remixe, die nahtlos ineinandergreifen und der Platte Struktur und Kohärenz verleihen, kann man den Bandgeburtstag auch einfach mitfeiern. Dümpeln die ersten drei Tracks noch etwas monoton vor sich hin, gewinnt die Platte ab „Fuck U“ an Fahrt. Das Schöne daran: Ab dann kann man die Platte bis zum Ende durchlaufen lassen, ohne auf die Skip-Taste zu drücken – und Highlights wie „Erase“, dessen Bass an „The Bay“ von Metronomy erinnert, oder „Empty Bottle“ (nicht mehr als das Original) genießen.

Collapse Under The Empire – Everything We Will Leave Beyond Us<br />
Bewertung: 7/10
Collapse Under The Empire – Everything We Will Leave Beyond Us
Bewertung: 7/10

Postrock, die Zweite: Wer atmosphärische, klavierlastige instrumentale Musik der Marke God Is An Astronaut oder 65daysofstatic mag, sollte der neuen Platte von Collapse Under The Empire eine Chance geben: „Everything We Will Leave Beyond Us“ zieht in seinen knapp 41 Minuten alle gängigen Genre-Register, findet aber immer dann Momente der Schönheit, wenn die Band innerhalb kürzester Zeit auf den Punkt kommt. Auch wenn die Platte keinen Innovationspreis bekommen wird (besonders die flächigen Synthies des Openers rufen zu sehr ein Déjà-Entendu-Feeling hervor) und die Produktion etwas steril daherkommt, vertrösten Songs wie das knackige „Red Rain“, das mitreißende Titelstück oder das progressive „Resistance“, das irgendwie an „The Bitter End“ von Placebo erinnert, allemal die Wartezeit auf die kommenden Platten von Mogwai und God Is an Astronaut.

The Cribs – Night Network<br />
Bewertung: 7/10
The Cribs – Night Network
Bewertung: 7/10

Wenn sich selbst kultige Indie-Rock-Bands wie Bloc Party schwer damit tun, die Midlife-Crisis zu überstehen, wie verhält es sich mit denen Bands, die bereits damals eher in der zweiten Liga spielten? Dass sich The Cribs trotz eines Rechtsstreits mit dem Management nicht aufgelöst haben, ist einer Einladung des Foo-Fighters-Sänger Dave Grohl in sein L.A.-Studio zu verdanken. 2019 entstand dort das achte Album, nach Wüstenstaub oder Hollywood-Glam klingt die Platte dennoch nicht: „Night Network“ bietet zwölf aus der Zeit gefallene Indie-Rock-Kleinoden, die teilweise an Ash („Goodbye“), Placebo („The Weather Speaks Your Name“) oder die Ravonettes („Deep Infatuation“) erinnern. Den Indie-Rock retten werden die Cribs mit dieser Platte ganz bestimmt nicht, Hits wie „Running Into You“ werden allerdings nicht nur Indie-Rock-Nostalgiker begeistern – und dank Lee Ranaldos (Sonic Youth) Gastauftritt auf „I Don’t Know Who I Am“, das in bester Sonic-Youth-Manier krachige Gitarren mit einem unwiderstehlichen Chorus kombiniert, hat die Band wohl wieder ausreichend Selbstvertrauen und Glaubwürdigkeit, um das nächste Album anzupeilen. (Jeff Schinker)