Editorial   Die 23-Milliarden-Euro-Frage

Editorial    / Die 23-Milliarden-Euro-Frage
Greenpeace-Aktion vor dem Parlament Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Fast eine ganze Generation von Eigenheimbesitzern verdankt ihren mit nie vorausgeahnter Dynamik an Wert gewinnenden Immobilienbesitz ihrer Pensionskasse. In den 70er-, 80er- und 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts verliehen die damals noch nicht unter dem Einheitsstatut zusammengeschlossenen Kassen der Privatbeamten und der Arbeiter die zum Kauf nötigen Gelder (selbstredend unter Voraussetzung gewisser Bedingungen) an ihre Beitragszahler. Zu günstigeren Zinskonditionen, als dies damals bei den Banken der Fall war, konnte so, auch mit recht bescheidenem Einkommen, das Eigenheim finanziert werden: Bis heute erhält der „Fonds de compensation“, der nunmehr alle Renten bis auf jene der Staatsdiener verwaltet, durch den Immobilienwert abgesicherte Rückzahlungen von den Schuldnern, auch wenn es immer weniger werden. Das Modell, so heißt es, sei angesichts allgemein niedriger Zinsen unattraktiv geworden; der wahre Hintergrund des Abschieds von dieser sowohl sozialen als auch rentablen Form des Umgangs mit den Rentenreserven scheint allerdings eher im vorauseilenden Gehorsam gegenüber einem Wirtschaftsliberalismus zu liegen, dem öffentliche Konkurrenz zu privaten Geldinstituten genetisch missfällt. 

Seit der Jahrtausendwende wird von den Kassen resp. der einen verbliebenen nun fleißig investiert bzw. spekuliert. Neun Milliarden Euro hat das der Einheitskasse seit deren Gründung eingebracht. Zusammen mit sieben Milliarden Euro Beitragsüberschüssen und dem ursprünglichen Kapital beläuft sich die Reserve heute auf rund 23 Milliarden, eine Summe, die hoch genug ist, um – ohne einen Euro Einnahmen – die Renten während annähernd viereinhalb Jahren auszahlen zu können.  

Der Reichtum hat allerdings eine unappetitliche Konnotation. Bis vor zehn Jahren wurde in so ziemlich alles investiert, was Gewinn versprach: So konnten sich Produzenten von Streubomben und anderen Waffen über die Investitionshilfen der künftigen Luxemburger Rentner freuen. Trotz mehrerer Maßnahmen, die diese Praxis bremsten, sind die Investitionen der Kasse immer noch nicht ganz sauber.

Wie am Donnerstag während einer Interpellation der Linken im Parlament klar wurde, werden weiterhin Gelder zur Absicherung der Zukunft der Beitragszahler in die Zerstörung derselben investiert. Firmen, die ihr Geld mit der Produktion und Vermarktung von fossilen Energieträgern gewinnen, aber auch solche, die es nicht so genau mit den Menschenrechten oder dem Schutz von Umwelt und Klima nehmen, werden weiter bedient, trotz einer schwarzen Liste von 119 Unternehmen, deren Aktien nicht mehr gekauft werden dürfen.  

Immerhin ist dieser anhaltende Zustand nach mehreren Stunden Diskussion und Greenpeace-Protest vor dem Parlament nun wieder ins Bewusstsein gerückt; in einer Motion wird Besserung verlangt und auch ein (wieder) größeres Engagement für den Wohnungsbau. Eine Studie, die aufzeigen soll, inwiefern die Rentengelder für oder gegen die Ziele des Pariser Klimaabkommens wirken, soll übrigens noch vor Ende des Jahres vorliegen.  

23 Milliarden entsprechen den Investitionen des Staatshaushalts von etwa acht Jahren. Das Geld sollte in der Tat nützlicher, wenn auch weiterhin gewinnbringend, angelegt werden, als es Shell, Chevron oder Rio Tinto in den gierigen Rachen zu schmeißen. Wenn Luxemburg tatsächlich auf dem Weg ist, sich als grüner, nachhaltiger Finanzplatz zu positionieren, dann wäre dies eine einmalige Gelegenheit zur Demonstration der Effizienz solcher Investitionen.  

J.Scholer
7. Dezember 2020 - 10.57

Wer mit seinem Gewissen nicht vereinbaren kann, wo die Beitragsgelder gewinnbringend investiert werden, sollte dann so ehrlich sein und auf seine Rente verzichten, denn sonst ist sein Gemeckere unglaubhaft .

HTK
7. Dezember 2020 - 9.53

Und jetzt noch Corona. Die Beitragszahler bleiben, aber die Empfänger sterben weg.Das kling(el)t gut in der Kasse. Zum Foto: Die Jungs (und Mädels) von Greenpeace werden doch nicht glauben,dass fossile Brennstoffe unter der Erde bleiben solange es welche gibt? Ok,bei der Kohle scheint es teilweise zu klappen,aber Öl? Eher nicht. Ausser Europa macht doch keiner mit,also was solls.Aber immerhin.Ich betreibe seit langem Recycling und werfe(als 65-Jähriger) nichts zum Autofenster raus,obwohl vor mir Autos fahren mit 20-Jährigen wo die leeren Bierdosen in den Straßengraben fliegen.Das ist aber keine Ursache mit dem Recyclen aufzuhören.Solange wie die Dinos werden wir es eh nicht schaffen und die sind ja auch durch Rauch ausgestorben.