Nach der Amokfahrt von TrierDas mulmige Gefühl, durch Zufall davongekommen zu sein

Nach der Amokfahrt von Trier / Das mulmige Gefühl, durch Zufall davongekommen zu sein
Kein Durchkommen: Nach der Todesfahrt durch die Fußgängerzone wird der Bereich streng abgeschirmt Foto: Editpress/Frank Goebel

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Nachdem ein Mann mit einem schweren Fahrzeug durch die Trierer Fußgängerzone gerast ist, um gezielt Menschen anzufahren, sind große Teile des Areals abgesperrt worden. Einige wenige Einblicke und Eindrücke von Passanten reichen aber aus, um den Schrecken zu skizzieren, der am Dienstagmittag die Prachtmeile der ältesten Stadt Deutschlands erfasst hat.

In der Brotstraße geht es am Dienstagnachmittag nicht mehr weiter: Wo kurz zuvor ein Mann mit einem Auto von der Konstantinstraße in die Fußgängerzone eingebogen ist, stehen jetzt Polizisten hinter rot-weißem Flatterband und versperren jedem, auch der Presse, den Durchgang nach Norden in Richtung Hauptmarkt und Porta Nigra. Vor ihnen liegt auf dem Straßenpflaster eine blutdurchtränkte Hygienemaske. Ein paar Schritte weiter zeugt dann noch eine Blutlache vom Horror, der sich hier vor rund zwei Stunden abgespielt hat – und vom Kampf um ein Menschenleben: Denn neben der Blutlache liegen Papiertücher, Verpackungen und Überreste von Spritzen und anderen medizinischen Utensilien. Auf einer Bank steht noch ein Notfallkoffer.

Die Nachricht, dass der Täter kurz nach seiner Tat gestellt wurde, hat bereits die Runde gemacht. Ebenso erscheint bereits sicher, dass es kein Terroranschlag war und keine weiteren Täter befürchtet werden müssen. Vielleicht ist das der Grund, warum viele Menschen jetzt relativ gefasst wirken, die im noch zugänglichen südlicheren Teil der Fußgängerzone unterwegs sind.

Das wird vor zwei Stunden noch anders gewesen sein: Bei einem Terrorangriff oder einem anderen Anschlag im öffentlichen Raum kann jede banale Handlung plötzlich darüber entscheiden, ob man sich Mitten in der Gefahr befindet – oder mit dem mulmigen Gefühl klarkommen muss, noch mal davongekommen zu sein.

Eingeschlossen im Friseursalon

Letzteres hat Sandra F. aus Trier: Sie war am Vormittag mit ihrer Mutter für Weihnachtseinkäufe in der Stadt unterwegs. Nur Minuten bevor der silberne Land Rover in die Fußgängerzone steuerte, hatte sie einen Friseurtermin etwas abseits der späteren Route der Zerstörung. „Als ich gerade mit nassen Haaren im Stuhl saß, kam ein Ehepaar rein und erzählte geschockt, was wohl gerade passiert war“, erzählt die Triererin. Weil die Lage so unklar war und kurz sogar Nachrichten von Schüssen die Runde machten, wurde die Tür des Salons verschlossen. Es folgten einige bange Minuten, bis durch die Tweets der Polizei klar wurde, dass wohl keine weitere Gefahr mehr besteht.

Sogar noch schockierender muss das Geschehen natürlich für die Menschen direkt in der Fußgängerzone gewesen sein: „Ich hatte den Eindruck, dass die Stadt relativ voll war“, erzählt Jonas Klöpfer dem Tageblatt. Er sei, ohne es zu wissen, kurz nach der Schreckensfahrt des 51-jährigen Täters in die Fußgängerzone gekommen und habe zuerst einen Mann am Boden liegen sehen, um den sich mehrere Menschen kümmerten. „Ich dachte, der hatte vielleicht einen Anfall oder so was. Dann fiel mir auf, dass überall Leute ganz aufgeschreckt durcheinanderliefen.“

Ein Döner-Verkäufer, der das Geschehen in der Fleischstraße, gegenüber des Kaufhofs, nicht selbst bemerkt hat, erzählt, wie aber plötzlich Menschen panisch an seinem Geschäft vorbeigelaufen sind – bloß weg vom Hauptmarkt. Wovor die Menschen geflohen sind, lässt sich in der Nähe erahnen – und wie gezielt der Amokfahrer seine Opfer angefahren hat: Zu beiden Seiten der mehr als zehn Meter weiten Simeonstraße liegen zerstörte Verkaufsständer, Displays, Trümmer von Blumenkübeln. Mehr als ein schneller Blick wird auch der Presse zunächst nicht gestattet – weil noch Spuren gesichert werden müssen, bleibt das Areal rund um die „gute Stube“ Triers noch gesperrt. Vielleicht wird es schon morgen wieder zugänglich sein. Bis hier wieder ein Gefühl der Normalität einkehrt, dürfte aber noch mehr Zeit vergehen.