BalkanImmer mehr Covid-Infizierte suchen ihr Heil in der Selbstbehandlung

Balkan / Immer mehr Covid-Infizierte suchen ihr Heil in der Selbstbehandlung
Anstehen für eine Corona-Untersuchung in Belgrad: Steil steigende Infektionszahlen sorgen auf dem ganzen Balkan für völlige überfüllte Covid-Kliniken und endlose Warteschlangen Foto: AFP/Oliver Bunic

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Infizierte Albaner verschulden sich für kostspielige Behandlungen in der Türkei, ratlose Serben kaufen die Apothekenregale leer: Völlig überfüllte Covid-Kliniken lassen immer mehr verzweifelte Infizierte auf dem Balkan zur Selbsthilfe greifen. Ärzte warnen vor der Selbstbehandlung auf eigene Faust.

Er habe Halsweh, sei müde, aber verspüre auch am sechsten Tag nach seinem positiven Covid-Befund noch keine größeren Beschwerden, berichtet am Telefon in Serbiens Hauptstadt Belgrad der IT-Techniker Dusan. Statt sich in der nahen Covid-Ambulanz untersuchen zu lassen, setzt der 51-Jährige lieber auf die Dienste eines Privatarztes: „Ich habe Angst, dass sich mein Zustand verschlechtert, wenn ich draußen stundenlang in der Kälte zwischen Kranken auf eine Behandlung warten muss.“

Tatsächlich sorgen die steil steigenden Infektionszahlen auf dem ganzen Balkan für völlige überfüllte Covid-Kliniken und endlose Warteschlangen. Nicht nur bei EU-Anwärtern wie Albanien, Bosnien, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien oder Serbien sind die ausgelaugten, durch den Ausfall infizierter Ärzte und Pfleger zusätzlich unter Druck geratenen Gesundheitssysteme an die Grenzen ihrer Belastbarkeit angelangt. Selbst im kroatischen Varazdin werden Erkrankte mittlerweile in Armeezelten behandelt.

Verschuldung für den Klinikbesuch

In der Not greifen verzweifelte Infizierte vermehrt zur Selbsthilfe. So ist laut der Agentur „Balkan Insight“ die Zahl medizinischer Charterflüge von Albanien ins Ausland in diesem Jahr auf über 560 gestiegen: 87 Prozent der Flüge mit Covid-Patienten steuerten die Türkei an. Nicht nur reiche Albaner wenden bis zu 45.000 Euro für den kostspieligen Flug und die Behandlung in Istanbuler Privatkliniken auf: Es ist der Mangel an Krankenhausbetten und Ärzten in der Heimat, der sich immer mehr Albaner für den Klinikbesuch in der Fremde tief verschulden lässt.

Vor dem „gefährlichen Trend der Selbstbehandlung“ berichtet das serbische Webportal nova.rs: „Viele entscheiden, ihre Heilung in die eigene Hand zu nehmen.“ So sei das eigentlich bei bakteriellen Infektionen der Atemwege eingesetzte Hemomycin in vielen Apotheken bereits ausverkauft. Wegen des großen und falschen Einsatzes des eigentlich rezeptpflichtigen Medikaments beklagen Ärzte eine vermehrte Resistenz gegen das Antibiotikum. Ihre Warnung: Laborbefunde ohne fachkundige Diagnose könnten genauso wenig die Untersuchung durch einen Arzt ersetzen wie ausgiebiges Surfen im Internet.