VideogipfelKeine Bewegung im EU-Budgetstreit

Videogipfel / Keine Bewegung im EU-Budgetstreit
Für den niederländischen Regierungschef Mark Rutte ist die zwischen dem Rat und dem EU-Parlament gefundene Einigung zum Rechtsstaatsmechanismus eine Untergrenze  Foto: AFP/ANP/Bart Maat

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Bei einem Videogipfel der Staats- und Regierungschefs haben sich die Fronten weiter verhärtet. Ungarn und Polen sprechen von Propaganda und Manipulation, die Niederlande lehnen einen Kompromiss beim Rechtsstaat ab.

Im EU-Streit um den Rechtsstaat und das künftige Gemeinschafts-Budget zeichnet sich keine schnelle Lösung ab. Bei einem Videogipfel am Donnerstagabend wollten die 27 Staats- und Regierungschefs zunächst die Positionen klären und über mögliche Optionen sprechen. „Eine Einigung ist heute nicht zu erwarten“, sagte ein Sprecher der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, die derzeit den EU-Vorsitz innehat.

Ungarn und Polen hatten am Montag ihr Veto gegen den sogenannten Eigenmittel-Beschluss eingelegt. Dieser Beschluss soll die Grundlage für das rund eine Billion Euro schwere EU-Budget und den 750 Milliarden Euro teuren, schuldenfinanzierten Corona-Aufbaufonds legen. Warschau und Budapest begründen ihre Blockade mit dem neuen Rechtsstaats-Mechanismus, der Zahlungen aus dem EU-Budget an die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien bindet.

Auf das Geld aus dem Corona-Fonds sind vor allem Krisenländer wie Italien und Spanien angewiesen. Aber auch Ungarn und Polen würden von nicht rückzahlbaren Milliardenhilfen profitieren. Die Chefin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, forderte die EU-Staaten vor dem Videogipfel auf, ihren Streit zu beenden und dringend benötigte Corona-Hilfen zügig auszuzahlen.

Zuvor hatte sich die Haltung in Polen und Ungarn verhärtet. Der ungarische Kanzleramtsminister Gergely Gulyas sagte, die Chance, dass es beim virtuellen EU-Gipfel zu einer Auflösung der Blockade kommen könne, betrage „auf einer zehnstufigen Skala gleich null“.

Ungarns Regierungschef Viktor Orban behauptete, in Wahrheit gehe es gar nicht um den Rechtsstaat, sondern um die Migration. Die EU wolle all jenen das Geld kürzen, die sich gegen die Aufnahme von Flüchtlingen aussprechen. Dahinter stecke der ungarischstämmige US-Investor George Soros, so Orban – eine durch nichts belegte Behauptung, die mit antisemitischen Klischees spielt.

Auch der polnische Regierungschef Mateusz Morawiecki verschärfte den Ton. Die EU versuche, mit „willkürlichen Entscheidungen von Eurokraten“ gegen sein Land vorzugehen, erklärte er im Parlament in Warschau. Der Rechtsstaat werde zu Propaganda-Zwecken missbraucht. Man sei dies aber schon aus dem Kommunismus gewöhnt und werde sich zu wehren wissen.

Rutte gegen Kompromiss

Angesichts dieser harschen Töne war Merkel um eine Beruhigung der Debatte bemüht. Die Kanzlerin habe die Regierungen von Frankreich, Italien und Spanien gebeten, sich zurückzuhalten und nicht noch Öl ins Feuer zu gießen, hieß es in Berlin. Auch die EU-Kommission in Brüssel versuchte, eine Eskalation zu vermeiden.

In EU-Kreisen hieß es, das größte Problem sei Orban. In Brüssel wurde daher damit gerechnet, dass Merkel versuchen werde, den ungarischen Nationalisten zu isolieren. Sorgen bereitet manchen EU-Diplomaten allerdings auch der niederländische Premier Mark Rutte. Er hatte schon beim EU-Gipfel im Juli für Streit gesorgt, weil er sich gegen den – schließlich beschlossenen – Corona-Aufbaufonds stemmte.

Nun erschwert Rutte erneut einen Kompromiss. Er führt den Chor jener EU-Politiker an, die auf einem harten Rechtsstaats-Mechanismus bestehen. „Für die Niederlande gilt, dass diese Einigung wirklich die Untergrenze ist“, sagte Rutte mit Blick auf den Deal, den das Europaparlament mit dem deutschen EU-Vorsitz ausgehandelt hatte.

Die nach wochenlangem Streit erzielte Einigung erleichtert die Kürzung von EU-Finanzhilfen bei Verstößen gegen den Rechtsstaat. Für Orban ist sie jedoch ein rotes Tuch.