AnalyseWie das Meisch’sche Gesetz scheiterte

Analyse / Wie das Meisch’sche Gesetz scheiterte
Schnell wollte Claude Meisch das Gesetzesprojekt 7662 durchboxen. Doch dann ruderte er zurück. Eigentlich habe er es gar nicht eilig, sagte er dann.  Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Bildungsminister Claude Meisch versuchte, mit rasendem Tempo zwei Gesetzesprojekte durchzuboxen, während andere mit der Corona-Pandemie beschäftigt waren. Der Staatsrat hat einfach durchgewunken. Doch das Vorhaben scheiterte am Widerstand zahlreicher Akteure. Zwischen den Stühlen sitzt Marc Hansen (DP), Minister für die „Fonction publique“. Eine Analyse.

Mitten in der zweiten Welle der Corona-Krise versucht Bildungsminister Claude Meisch, zwei Gesetze im Eiltempo durch den Instanzenweg zu jagen. Am 7. September wurde der Gesetzestext 7662 eingereicht. Zwei Wochen später folgte das Projekt 7658. Am 27. Oktober, also knapp zwei Monate nach dem 7. September, hat der Staatsrat sein Urteil dazu verkündet. Darin steht, dass man inhaltlich nichts daran auszusetzen habe.
Verwunderlich sind hier zwei Aspekte: Erstens kann man von einem Rekordtempo sprechen, in dem der Staatsrat sein Urteil zum Gesetzesprojekt verkündete. Zweitens ist dem „Conseil d’Etat“ nichts Inhaltliches aufgefallen, wie etwa die angepeilte schleichende Privatisierung der Schulen oder die ungleiche Behandlung zwischen „Fonctionnaires“ und Leuten aus der Privatwirtschaft in Bezug auf die Einstellungsbedingungen, die im Text unterschiedlich gehandhabt werden. Hier stellt sich die Frage, ob der Staatsrat seiner Aufgabe gerecht geworden ist.

Gesetzesprojekt 7662 sieht vor, die Direktionsposten in vier spezialisierten Lyzeen auch für Leute aus der Privatwirtschaft freizumachen, dies allerdings ohne spezifische pädagogische Kenntnisse, ohne Bedingung der Beherrschung der drei Landessprachen und vieles mehr. Gesetzesprojekt 7658 sieht das Gleiche vor für Direktionsposten in den Abteilungen des Bildungsministeriums. Dazu gehören das Script, IFEN und CGIE.
Die Behauptung verschiedener Gewerkschaften und Oppositionsparteien, dass Meisch das Gesetz im Eiltempo durchzuboxen versuche, ist hier demnach nicht aus der Luft gegriffen. Diese These kann durch die Tatsache gestützt werden, dass sich einige Tage vor der Abstimmung des Gesetzestextes in der Chamber ein regelrechter Aufstand bei den verschiedenen Akteuren gebildet hat. Neben mehreren Parteien haben sich rund ein Dutzend Gewerkschaften eingeschaltet und den Bildungsminister und sein Gesetzesprojekt aufs Schärfste kritisiert.

Am Montagnachmittag folgte der Versuch einer Erklärung durch das Bildungsministerium, in der es das Gesetzesprojekt 7662 verteidigte. Es war das berühmte Festklammern am letzten Strohhalm. Am späten Nachmittag wurde der Druck der Akteure so groß, dass das Durchboxen des Projektes nicht mehr haltbar war. Meisch resignierte und ruderte zurück. Gut informierte Quelle haben dem Tageblatt berichtet, dass auch regierungsintern Erleichterung über den Rückzug des Gesetzes 7662 zu vernehmen war.
Gestern Morgen wurden die Vertreter der CGFP („Confédération de la fonction publique“), des Dachverbands der Staatsbeamtengewerkschaft für das Bildungswesen, ins Ministerium eingeladen. Eineinhalb Stunden konnten sie sich mit Bildungsminister Claude Meisch austauschen. Vor versammelter Presse zitierten Romain Wolff, Föderal-Präsident der CGFP, Raoul Scholtes, Präsident der Féduse („Fédération des universitaires au service de l’Etat“)/CGFP,  Roger Roth, Präsident der ADIL („Association des membres des directions de l’enseignement post-fondamental public luxembourgeois“) und Mona Guirsch, Generalsekretärin der Féduse, aus diesem Gespräch.

Meisch sagte den Gewerkschaftlern, dass man eigentlich gar keine Eile habe, das Gesetzesprojekt abstimmen zu lassen. Schaut man sich jedoch den schnell getakteten Instanzenweg an, ist die Aussage des Bildungsministers sehr fragwürdig. Hätte es den ganzen Aufschrei am Montag nicht gegeben, dann wäre am heutigen Mittwoch über das Gesetz abgestimmt worden. Wieso der Minister keinen Dialog mit den vom Gesetzesprojekt betroffenen Akteuren geführt habe, um sich über die eventuelle Problematik eines Mangels an Kandidaten für Direktionsposten auszutauschen, beantwortete Meisch gegenüber den Gewerkschaftlern mit: „Da haben Sie recht.“

Der Text von Meisch gehört in die Mülltonne

Der Bildungsminister ließ gegenüber der CGFP durchblicken, dass der Text 7662 bis zum Ende der Corona-Krise auf Eis gelegt werde. Demnächst wolle er sich mit den Akteuren treffen. Und dann wolle er die CGFP beim Vorprojekt mit einbeziehen. Mona Guirsch, Generalsekretärin der Féduse und Lehrerin im „Athénée“ sagt: „Wir werden im Auge behalten, was mit dem Projekt 7658, welches sich noch auf dem Instanzenweg befindet, passieren wird.“ Dies gelte auch für das Projekt des Sportministeriums. Das gehe in die gleiche Richtung. Laut Guirsch ist die ganze Einstellungsprozedur intransparent. „Wenn der Minister sagt, es meldet sich niemand für den Posten, dann können wir das schlecht überprüfen.“

Für Romain Wolff, Föderal-Präsident der CGFP, gilt das, was nun im Bildungswesen passiert, für die ganze „Fonction publique“, die langsam privatisiert werde. Es sei eine langsame Untergrabung des Status des „Fonctionnaire“. „Unsere Rolle als Dachorganisation ist es, zu sagen, so geht das nicht.“ Meisch habe bei der Unterredung am Dienstagmorgen keine Argumente dafür liefern können, dass für diese Direktorenposten keine Leute gefunden werden können. Dabei seien die Stellen noch nicht mal ausgeschrieben worden, moniert Wolff. „Wir sind der Meinung, dass der Text, wie er da liegt, eigentlich in die Mülltonne gehört.“ Meisch sieht das anders.

Roger Roth, Präsident der ADIL („Association des membres des directions de l’enseignement post-fondamental public luxembourgeois“), Romain Wolff, Föderal-Präsident der CGFP, und Raoul Scholtes, Präsident der Féduse
Roger Roth, Präsident der ADIL („Association des membres des directions de l’enseignement post-fondamental public luxembourgeois“), Romain Wolff, Föderal-Präsident der CGFP, und Raoul Scholtes, Präsident der Féduse Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Laut ADIL-Präsident Roger Roth steht ein großer „Pool“ an Lehrern zur Verfügung. Das seien rund 4.000 Personen in den Lyzeen, die infrage kommen könnten, einen Direktionsposten zu übernehmen. „Deshalb fällt es uns schwer zu glauben, dass es nun eine große Dringlichkeit gibt, um dieses Gesetzesprojekt durchzubringen, weil anscheinend keine Kandidaten da seien, die diese Posten besetzen könnten.“ Ein Problem sieht Roth auch in der Unklarheit des Textes. Dass bei den „Fonctionnaires“ nicht explizit erwähnt werden muss, dass diese die drei Landessprachen beherrschen müssen, liege auf der Hand, da sie ohne bestandene Tests keine „Fonctionnaires“ sein könnten. Erwähne man aber Leute aus der Privatwirtschaft in dem Text, dann müsse man diese Klausel doch explizit reinschreiben. Meisch argumentierte gestern, dass dies „sous-entendu“ sei. „Das können wir nicht hinnehmen“, sagt Roth. Dies sei intransparent und unehrlich.

Laut Raoul Scholtes, Präsident der Féduse, sollten insgesamt die Direktionskarrieren attraktiver gestaltet werden. Den interessierten Lehrern sollte man bereits früh die Möglichkeit geben, die Kompetenzen dazu zu erlernen. Diese beiden Möglichkeiten sollte man im Auge behalten.

Marc Hansen will sich nicht positionieren

Was sagt eigentlich Marc Hansen, DP-Minister der „Fonction publique“, zum umstrittenen Gesetzestext, der seine Staatsbeamten derart in Aufruhr gebracht hat? Stellt er sich hinter seine Leute oder hält er seinem Parteikollegen Claude Meisch den Rücken frei?

Es gibt bereits viele Beispiele, wo Stellen aus der ’Fonction publique’ für die Privatwirtschaft geöffnet wurden

Marc Hansen, Minister der „Fonction publique“

Gegenüber dem Tageblatt sagt Hansen: „Ich sehe das ganz anders als die Frage, die Sie mir gestellt haben. Ich sehe das nicht, dass ich mich für oder gegen jemanden stellen muss.“ Dazu gibt er ein paar fachliche Erklärungen, was allgemein die „Fonction publique“ betrifft. Leitende Funktionen wie Direktorenposten gibt es laut Hansen quer durch den Staat und quer durch zahlreiche Verwaltungen. „Das hängt vom jeweiligen Rahmengesetz ab, wie diese Posten genannt werden“, sagt er. Auch heute gebe es Posten, die vom Großherzog, also auf Empfehlung der Regierung, ernannt werden und wo es keine speziellen Bedingungen gibt. Laut Hansen gibt es Posten, wo bestimmte Studien verlangt werden, andere, wo man bestimmte Studien in einem spezifischen Bereich verlangt und es gibt welche, wo man Funktionär aus der „Carrière supérieure“ sein muss. Diese unterschiedlichen Voraussetzungen findet man heute quer durch die „Fonction publique“, so der Minister.

Jene Voraussetzungen, die Meisch in seinem Gesetzesprojekt verlangt, seien fachspezifisch, so Hansen. „Ich als Minister für die ’Fonction publique’ kann das Fachspezifische nicht einschätzen.“ Er könne als Minister der „Fonction publique“ nicht wissen, was der pädagogische Standpunkt hier sei und auch nicht, mit wem Meisch darüber gesprochen habe, was seine Sicht darauf sei und ob er einen Austausch darüber hatte. „Das ist die Rolle des Fachministers, das zu klären. Ich weiß nicht, was da verlangt wird und was das Beste ist.“

Auch sieht Hansen den Text nicht als allgemeinen Präzedenzfall in der „Fonction publique“, wie manche Akteure das Gesetz nannten. „Es gibt bereits viele Beispiele, wo Stellen aus der ’Fonction publique’ für die Privatwirtschaft geöffnet wurden.“

Knutschfleck
18. November 2020 - 16.32

Stimme voll und ganz HTK zu

Duesselmann
18. November 2020 - 12.17

Scheitert? Der Jubel kommt etwas früh, das ist noch lange nicht gegessen, das kommt noch, so sicher wie das Amen früher in der jetzt zugesperrten Kirche.

HTK
18. November 2020 - 11.45

"Nutzen wir die Chance die die Globalisierung uns bietet." predigte einst Kanzlerin Merkel. Kurz zuvor hatte der Boss der Deutschen Bank Ackermann gerade mal 6000 Stellen abgebaut.So geht freie Marktwirtschaft.Aber auch die Aushebelung von Staatsposten war und ist gemeint. Kein Kündigungsschutz,wenig soziale Absicherung bis hin zu Niedriglöhnen ,für das Fußvolk natürlich nur. So war einst Post und Eisenbahn betroffen,jetzt geht's der Bildung an den Kragen. Wilkommen in der Welt der Eliteschüler deren Eliteeltern die Eliteschulen bezahlen können. Ein Blick Richtung USA genügt und jeder weiß was gemeint ist. Wie wär's übrigens mit der Privatisierung der Kirchen und der Priestergehälter.Das Mutterhaus im Vatikan hat doch die Mittel.Gegebenenfalls wäre eine Mitgliedssteuer nicht schlecht wie sie in Deutschland erhoben wird.Da würde sicher bei vielen Lämmchen der Glaube schwanken.Vielleicht noch eine Idee für den zuständigen Minister.

churchill
18. November 2020 - 8.01

dofir get dei "Corona-Crise" jo genotzt.Fir alles schnell durchzeboxen. Ech froen mech op dat do dem Här Meisch elo net e Strapp ze seier gaangen ass.