Rezension / „Was heißt hier Liebe?"Am Escher Theater gibt es eine neue Fassung des Jugendklassikers
Am Dienstagmorgen wurde die Neufassung des Jugend-Theaterstückes „Was heißt hier Liebe?“, das international bereits seit vier Jahrzehnten sowohl Jugendliche als auch Erwachsene begeistert, erstmals im Escher Theater aufgeführt. In Koproduktion mit dem CAPE Ettelbrück adaptierte der Luxemburger Schriftsteller Samuel Hamen unter der Regie von Nickel Bösenberg den Originaltext zeitgemäß für die jugendlichen Theaterbesucher und trifft in Zeiten von Social Media, Bodyshaming und gesellschaftlichen Konventionen ins Schwarze.
Es ist die Geschichte von vier Jugendlichen, Tim (Timo Wagner), Paulo (Konstantin Rommelfangen), Christina (Katharina Bintz) und Paula (Anne Klein), die sich gleichermaßen inmitten der Pubertät befinden und dazu bereit sind, nicht mehr nur sich selbst, sondern vor allem das andere Geschlecht zu erkunden.
Tim verkörpert dabei den typischen Draufgänger, der um keinen Spruch verlegen und stets darum bemüht ist, seine Fassade aufrechtzuerhalten, hinter der er seine tiefgehende Unsicherheit und Emotionalität zu verstecken versucht. Paulo stellt als schüchterner, ungeschickter und in gewissem Maße elitärer Bursche das komplette Gegenteil seines besten Freundes Tim dar.
Christina tritt als die selbstbewusste, nahezu apathisch wirkende und unbekümmerte Freundin von Paula auf, wobei Letztere wiederum eher romantisch veranlagt ist, sich nicht vor Körpernähe scheut und träumerisch auf die wahre Liebe hofft. Pol Belardi steht als Live-Musiker auf der Bühne und wird teilweise in das schauspielerische Geschehen involviert.
Das relativ simple Bühnenbild (Anouk Schiltz) setzt sich aus einem skizzenhaften, weißen Haus mit Treppe, das sich während des Stücks als Projektionsfläche entpuppt, und einer halben Skateboard-Rampe zusammen. Durch das Verändern der Projektionen wird die Bühne zuweilen zum Pausenhof, zur Wohnung von Paula oder zum Eiscafé umfunktioniert. Die Szenen werden immer wieder mit peppiger Musik (eigens für das Stück vom Musiker Pol Belardi komponiert) unterlegt und ihnen wird so eine zusätzliche Frische verliehen.
Perfekte Besetzung
Von Anfang an wird der Zuschauer vom Elan der vier jungen Schauspieler gepackt, der sich durch den gesamten Auftritt zieht. Hierbei erkennt man auch, mit welch einer Hingabe und Gespür sich jeder einzelne Schauspieler in seine jugendliche Rolle hineingefühlt hat. Die Besetzung hätte unumstritten nicht besser ausgewählt sein können.
Die eigentliche Relevanz des Stückes geht allerdings weit über die reine Darstellung der Gefühlswelt von vier Jugendlichen hinaus. Es ist ebenfalls ein Theaterstück für Erwachsene, die vergessen haben, was genau in einem pubertierenden Jugendlichen vorgeht und mit welchen Herausforderungen dieser tagtäglich zu kämpfen hat.
Samuel Hamens Fassung spricht die Sprache der jungen, „hippen“ Leute und hilft den Erwachsenen beim Verstehen der heutigen Jugend, ihrer eigenen Kinder oder katapultiert sie selbst in die eigene Pubertät zurück. Die Ernsthaftigkeit des Erwachsenseins wird aufgehoben: Die Eltern werden vom Musiker Pol Belardi sowie von den Schauspielern selbst karikiert.
Die Bühne gehört einzig und allein den Jugendlichen – und genau deshalb dient „Was ist hier Liebe?“ als Sprachrohr für eine Generation, die quasi rund um die Uhr von falschen Schönheitsidealen, gesellschaftlichen Konventionen und Pornografie umgeben ist. Das Stück erfüllt eine tiefgehende pädagogische Aufgabe, ohne dabei belehrend auf die Jugendlichen einzuwirken.
Immer wieder verlassen die Schauspieler ihre Rollen, durchbrechen die vierte Wand und stellen dem jungen Publikum provokative Fragen. Tims Person wird zum Beispiel ad absurdum geführt: Aus der eigenen Unsicherheit heraus verurteilt er die Homosexualität, fast zeitgleich jedoch schreit Timo Wagner das Publikum an: „Schwuchtel, Schokostecher, Homo-Monster! Findet ihr das lustig?“ und räumt dann ein: „Persönliche Probleme auf der Bühne macht man nicht.“ Es sind eben genau diese kleinen Aussetzer, die einen gewissen Schockeffekt bei den Zuschauern auslösen und somit zum Nachdenken anspornen. Spätestens dann, wenn man nach dem Theaterbesuch zu Hause erst einmal das Wort „Simp“ (Trottel) nachschlagen muss, wird einem bewusst, dass man mittlerweile schon ein wenig zum älteren Eisen gehört.
Info
Das Stück läuft heute Abend um 20 Uhr im Escher Theater.
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