FußballChris Philipps: „Ich habe keine Angst zu sagen, dass sich meine Lage verändert hat“

Fußball / Chris Philipps: „Ich habe keine Angst zu sagen, dass sich meine Lage verändert hat“
Chris Philipps wird im Dezember zum ersten Mal Vater  Foto: FC Wooltz 71/Facebook

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Am Tag nach der Bekanntgabe seines Transfers kam Nationalspieler Chris Philipps auf Beweggründe und Folgen seines Wechsels in die BGL Ligue zu sprechen. Der neue Sechser im Wiltzer Trikot beschäftigt sich erstmals im Leben mit Jobsuche und Arbeitsalltag. Doch so ganz ausgeträumt hat sich die Profikarriere noch nicht …

Tageblatt: Es ist eher ungewöhnlich, dass Trikots in der BGL Ligue von einer Drohne überreicht werden. Wie zufrieden sind Sie mit dem Video, das der Verein für Ihre Vorstellung präsentiert hat?

Chris Philipps: Es musste alles relativ schnell abgewickelt werden, damit die Nachricht veröffentlicht werden könnte. Informationen zirkulieren in Luxemburg ja relativ schnell. Am Samstag setzte man mich über die Pläne in Kenntnis. Ich wusste nicht wirklich, was geplant war. Zudem findet heute (gestern) bereits ein Testspiel statt, bei dem ich eingesetzt werden soll. Als Spieler ist es schön zu sehen, dass ein Verein sich bei einer Vorstellung so viel Mühe macht. Es beweist, dass der Klub sich in allen Belangen weiterentwickelt. Das zeigt mir, dass der Klub glücklich über den Transfer ist. Für mich ist das sicherlich auch speziell, so wurde ich noch nirgends präsentiert. Im privaten Umfeld haben alle das Video für gut befunden. 

Die Vertragsunterschrift wurde also am Samstag vollzogen?

Es ging Schlag auf Schlag. Es ist ja kein Geheimnis, dass es schon seit längerem Gespräche und Pläne gegeben hat. Am Anfang habe ich mich gefragt, ob das für mich selbst nicht zu schnell gehen würde, da ich einige Menschen im Vorfeld informieren wollte. Ich bin froh, dass ein neues Abenteuer für mich beginnt. 

Seit wann haben Sie sich in Wiltz fit gehalten?

Ende August. Nach einer gewissen Zeit bringt das individuelle Training nichts mehr. Ich war fit genug (lacht), aber ein Mannschaftstraining ist nicht ersetzbar. Der Verein hat mir auch früh deutlich gemacht, dass die Option auf einen Transfer bestehen würde. Ich wollte nicht gleich unterschreiben, aber aufgrund der komplizierten Lage hat sich nichts anderes für mich ergeben, sodass sich die Gespräche hier in Wiltz erneut verstärkt haben. 

Dabei ist es eigentlich kein Geheimnis: Sie haben mehrmals betont, nicht nach Luxemburg zurückkehren zu wollen. Woher kam der Sinneswandel?

Es war das Ergebnis von mehreren Gründen, angefangen mit der sanitären Situation. Viele Menschen aus  unterschiedlichsten Lebenslagen leiden aufgrund der Pandemie. Ich will nicht, dass es jetzt „der arme Fußballspieler“ heißt. Dennoch haben sich sowohl im Profi- als auch im Amateurbereich Dinge verändert, die verursacht haben, dass das Transferfenster in diesem Jahr anders aussah. Etliche Klubs hatten keinen Platz für Neuzugänge, da sie ihr Spielermaterial, das sie nicht behalten wollten, nicht losgeworden sind. So haben sich die Wochen und Monaten hingezogen. Es gab immer mal wieder Optionen, aus denen schließlich nichts geworden ist. An einem gewissen Punkt, als wieder Zuschauer in den Stadien zugelassen waren, blühte die Hoffnung wieder auf, dass sich die finanzielle Lage der Vereine verbessern und Platz für neue Spieler entstehen würde. Mit der zweiten Welle kam das dann auch wieder anders als erhofft.

Als die Zahlen wieder in die Höhe gingen, ist mir klar geworden, dass Wiltz durchaus eine Möglichkeit darstellen könnte. Ich habe mit dem Klub eine Einigung getroffen, von der beide Seiten profitieren werden. Momentan, aufgrund meiner persönlichen Lage (er wird im Dezember zum ersten Mal Vater), war es die beste Lösung. Ich bin immer offen mit dem Thema umgegangen. Aber ich habe keine Angst zu sagen, dass sich meine Lage geändert hat. Der Wechsel wird mit vielen Veränderungen verbunden sein. Ich werde weiter hart an mir arbeiten. Die Idee, noch einmal ins Ausland zu gehen, ist noch immer in meinem Kopf. Aber in erster Linie geht es jetzt erst mal darum, wieder Spaß am Fußball zu finden. Das war in den letzten Monaten nicht einfach. Die gesamte Situation, mit der Ungewissheit, was die Zukunft bringt, war schwer zu ertragen.

Bereuen Sie einen Ihrer Vereinswechsel?

Sicherlich gibt es die, wie es bei allen Menschen vorkommt. Ich bin ganz ehrlich: Ich habe im Mai einige Sachen abgelehnt. Im Nachhinein sage ich mir, dass meine Situation generell anders wäre, wenn ich das nicht getan hätte. Aber in jeder Situation öffnen sich wieder neue Türen. Ich bin niemand, der in der Vergangenheit hängen bleibt. Meine letzten beiden Jahre sind nicht glücklich verlaufen. Wenn dann eine Pandemie hinzukommt, schließen sich zusätzliche Türen. Es hätte nicht sein müssen, wenn ich vorher andere Entscheidungen getroffen hätte. Damit will ich mich nicht beschäftigen, sondern mich auf die Zukunft fokussieren. 

Eine Option war die Vertragsverlängerung in Lommel. Warum haben Sie dieses Angebot im Sommer ausgeschlagen?

Verschiedene Bedingungen, die damals für mich Priorität hatten, konnten nicht erfüllt werden. Es wird bestimmt viel darüber geredet … Aber es war nicht nur der finanzielle Aspekt, sondern auch der sportliche Bereich. Es hat nicht gepasst.

Sie haben es bereits angesprochen: Der Traum, noch einmal ins Ausland zu gehen, ist dadurch also nicht geplatzt?

Ja. Dementsprechend ist auch die Einigung mit dem Klub ausgefallen. Sollte sich die Möglichkeit ergeben, wird mir hier niemand Steine in den Weg legen. Die Vereinsverantwortlichen kenne ich seit langem und das Vertrauen beiderseits ist groß. Jeder kennt meine Ambitionen. Aber in einer ersten Phase will ich mir nicht zu viele Gedanken darüber machen, was die Zukunft parat hält – sowohl privat als auch beruflich und sportlich. 

Was erwartet Sie denn jetzt in beruflicher Hinsicht?

Die Möglichkeit besteht jetzt, einer geregelten Arbeit nachzugehen. Bis jetzt habe ich diesen Alltag noch nicht kennengelernt. Es sind noch keine Entscheidungen gefallen, aber ich werde mich damit auseinandersetzen. Ich habe großen Respekt vor dieser Veränderung. Trotzdem freue ich mich darauf. Ich habe einen Abschluss in „économie sociale“, was mir wohl ein breites Feld öffnet. 

Welchen Einfluss hatte Ihr Freund (und Wiltz-Torwart) Ralph Schon bei der Unterschrift in Wiltz?

Ich habe mich zuallererst bei ihm über die Trainingsbedingungen und das Niveau informiert, ob das für mich überhaupt sinnvoll wäre. Wir verstehen uns privat hervorragend. Ich bin überzeugt, dass die Vereinsverantwortlichen ihn auch damit beauftragt hatten, auf mich einzureden. Ich muss sagen, dass er das auf eine sehr charmante Weise gelöst hat. Ich bin ihm dankbar. Er hat mich nicht unter Druck gesetzt. 

Wie groß ist der Druck auf einen Spieler, der aus dem Ausland kommt?

Meine Ambition ist, jedes Spiel zu bestreiten. Ich komme aus dem Profibereich. Ich denke, dass ich auf meine Einsatzzeit kommen muss, ohne überheblich zu wirken – wenn der Weg noch irgendwann woanders hinführen soll. Wiltz ist für mich auch eine Herzensangelegenheit. Ich habe mit keinem anderen Verein in Luxemburg Gespräche geführt. Der Klub kann sicherlich eine interessante Rolle spielen. 

Wie fühlen Sie sich, nachdem Sie seit März nur noch in der Nationalmannschaft Spielpraxis sammeln konnten?

Mein letztes Spiel war im September gegen Saarbrücken. Seitdem gab es keine Möglichkeit mehr. Der letzte offizielle Termin mit Lommel war am 28. Februar. Das ist eine lange Zeit – und auch in Wiltz werden keine Geschenke verteilt. Ich muss mich bestmöglich auf die anstehenden Aufgaben vorberieten, aber ich habe endlich wieder ein klares Ziel vor Augen. 

Wie hat Nationaltrainer Luc Holtz auf Ihren Transfer reagiert?

Ich habe ihn natürlich über meine Wahl informiert. Aus privater und persönlicher Sicht kann er meine Entscheidung nachvollziehen. Andererseits wird es sportlich dadurch nicht einfacher für mich, wieder einen Platz in der Nationalmannschaft zu bekommen. Ich bin froh, dass sich die Tür zur FLF-Auswahl nicht schließt. Es wird, wie in der Vergangenheit, nur über Leistung gehen. Der Trainer weiß, wozu ich in der Lage bin. Dass die Nationalmannschaft einen großen Platz in meinem Herzen einnimmt, ist kein Geheimnis, sondern nach acht Jahren eigentlich normal. Im Oktober und jetzt im November wurde ich zum ersten Mal nicht berufen. Im März wird es sicherlich deutlich mehr Gründe für eine Berufung geben als heute. Die Realität ist allerdings, dass immer mehr Spieler im Ausland unter Vertrag sind und besonders auf meiner Position große Konkurrenz herrscht. Ich drücke den Jungs nach wie vor die Daumen und hoffe, dass wir in zehn Tagen immer noch auf Platz eins stehen. Ich fühle mich weiterhin wie ein Teil des Teams und wünsche der Mannschaft nur das Beste. Ich werde jedenfalls hart arbeiten, um in Zukunft wieder ein aktiver Bestandteil zu sein.