Klangwelten„In the Ether“: Die neunte Platte der Deftones

Klangwelten / „In the Ether“: Die neunte Platte der Deftones
Deftones – Ohms

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Wer es sich einfach machen will, misst die Qualität einer Deftones-Platte auf die mehr oder weniger funktionierende Chemie zwischen Gitarrist Stephen Carpenter und Sänger Chino Moreno. Während Carpenter gemeinhin als Metalhead gilt, der für die brachialen Riffs verantwortlich zeichnet, wird Moreno als experimentierfreudiger Romantiker gehandelt, dessen schwebende Stimme auch im New-Wave-Kontext funktioniert – wenn er denn sein durch Mark und Bein gehendes Gekeife unterlässt.

Im Vorfeld der neunten Deftones-Platte „Ohms“ wurde von einem weitaus lauteren, aggressiveren Album gesprochen – was seitens der Musikpresse als unmissverständliches Verkaufsargument gehandhabt wurde, ganz als ob diese Härte in der Deftones-Welt automatisch die besseren Platten kennzeichnen würde. Effektiv sind die Deftones immer dann am besten, wenn Morenos Melodieverständnis auf Carpenters schneidende Riffs trifft; Frank Delgados atmosphärische Synthies und die synkopierten, stets intelligenten Schlagzeugmuster von Abe Cunningham sind aber für den Bandsound genauso wesentlich, was im Opener „Genesis“ perfekt durchscheint: Ein fies surrendes, bedrohliches Keyboard wird schnell von einer an „Change (In the House of Flies)“ erinnernden Gitarre begleitet, bevor Morendo seine stimmliche Bandbreite während eines im besten Sinne klassischen Deftones-Tracks unter Beweis stellt.

Das anschließende „Ceremony“ besticht durch seine intelligenten melodischen Brüche und hätte auch seinen Platz auf „Diamond Eyes“ gehabt, Carpenters Gitarrenarbeit zwischen basslastigen, groovigen Riffs und kristallinen, schwebenden Arpeggi ist beeindruckend wie je. „Urantia“ beginnt wie ein Thrash-Metal-Fest, wird aber nach einer halben Minute von einem New-Wave-Segment abgelöst. Wenn das Thrash-Riff wenig später zurückkehrt, klingt der Song plötzlich nach Faith No More – wie auch auf dem darauffolgenden „Error“ steht hier nicht die etwas abgenutzte Laut-Leise-Dynamik im Zentrum, die Deftones setzen vielmehr auf die Hybridisierung sich gegenseitig bereichernder Klangwelten.

Laut Chino Moreno war Stephen Carpenter beim Vorgänger „Gore“ weniger intensiv am Songwriting-Prozess beteiligt – „Ohms“ ist im Gegensatz wieder eine Platte, auf der Morenos Experimentierfreudigkeit von Carpenters harten Riffs abgesteckt wird. Was die Platte so an Dynamik gewinnt – Albumhighlight „The Spell of Mathematics“ kombiniert Morenos Vorliebe für verkopft-schwelgerisches Songwriting mit unheilvollen Synthies, Carpenters einfallsreichen Gitarren, einem scheppernden Schlagzeug und einem tiefen, verzerrten Bass, der an Brian Cook von Russian Circles erinnert – verliert sie manchmal an Abwechslungsreichtum: So ausgezeichnet Tracks wie das ätherische „Pompeji“ oder das treibende „This Link Is Dead“ auch sind, irgendwie hat man den Eindruck, sie schon mal in ähnlicher Form gehört zu haben. Dass die Deftones sich auf Platte neun nicht integral neu erfinden, sondern sich stattdessen auf starkes Songwriting und subtile Erweiterungen des Bandsounds fokussieren, kann man ihnen jedoch nicht wirklich übelnehmen. (Jeff Schinker)

Anspieltipps: Genesis, Ceremoy, The Spell of Mathematics, Ohms
Bewertung: 8/10