Älteste BalkanbaustelleSerbien feiert die Vollendung des Belgrader Doms

Älteste Balkanbaustelle / Serbien feiert die Vollendung des Belgrader Doms
Vergangene Woche wurden noch Baugerüste im Inneren des Domes abgebaut Foto: Oliver Bunic/AFP

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Was lange währt, wird doch noch fertig: 85 Jahre nach der Grundsteinlegung werden die serbisch-orthodoxen Christen am heutigen Donnerstag die Vollendung des Doms des Heiligen Sava in Belgrad feiern. Vor allem Kriege hatten die Fertigstellung des monumentalen Gotteshauses immer wieder verzögert.

Das Ende der ältesten Dauerbaustelle auf dem Balkan kommt in Sicht. Hektisch verlegen Arbeiter vor dem wuchtigen Kuppelbau in Serbiens Hauptstadt Belgrad die letzten Pflastersteine. Neugierige Gläubige drängeln sich in der Eingangshalle des Doms des Heiligen Sava, um schon vor der heute steigenden Feier zur Fertigstellung des Gotteshauses einen Blick auf die glitzernde Pracht des 15.000 Quadratmeter großen Mosaiks zu erhaschen: Blattgold und das Funkeln von 50 Millionen verlegten Glassteinchen tauchen die 77 Meter hohe Kuppel in einen betörend güldenen Schein.

Was lange währt, wird doch noch fertig: 85 Jahre nach der Grundsteinlegung feiert Serbien das Ende des Baumarathons an einem der größten orthodoxen Gotteshäuser der Welt. Der Tempel sehe „besser und schöner“ aus als die in eine Moschee umgewandelte Hagia Sophia in Istanbul, jubiliert der allgewaltige Präsident Aleksandar Vucic: „Der Dom wird die neue Hagia Sophia sein!“

Es waren Krieg und Serbiens bewegte Geschichte im 20. Jahrhundert, die die Arbeiten an dem gedrungenen Monumentalbau immer wieder unterbrachen. Die Idee zum Bau einer Gedenkkirche für den Begründer der serbisch-orthodoxen Kirche entstand bereits 1895: Ein Förderverein schlug damals den Dombau auf einer Anhöhe vor, auf der während der Osmanenherrschaft angeblich die Gebeine des Heiligen Sava verbrannt wurden.

Nicht nur der Erste Weltkrieg (1914-1918) sollte im neuen Königreich Jugoslawien für erste Verzögerungen bei der Realisierung des Großprojekts sorgen. Zwei Architekturwettbewerbe wurden von heftigem Streit über die eingereichten Entwürfe begleitet. Schließlich sprach König Aleksandar ein Machtwort und bestellte einen Fusionsentwurf von zwei Architekten, der sich am neobyzantinischen Stil und der Hagia Sophia orientierte.

1935 erfolgte die Grundsteinlegung. Doch bis zum Einmarsch der deutschen Wehrmacht 1941 konnten nur das Fundament und die Grundmauern fertiggestellt werden. Die deutschen Besatzer zerstörten fast die komplette Baudokumentation samt Statikberechnungen: Nur den Entwurf konnte der Architekt Aleksandar Deroko rechtzeitig in seinem Keller vergraben.

Tito hatte kein Interesse am Dombau

Nach Kriegsende hatten Jugoslawiens neue sozialistische Machthaber an dem Dombau keinerlei Interesse. Das Gelände wurde fortan als Parkplatz und von Zirkustruppen genutzt. Erst nach dem Tod von Staatslenker Jozip Broz Tito erhielt die Kirche 1985 grünes Licht für die Fortsetzung der nun in Stahlbeton ausgeführten Bauarbeiten. Die vor dem Krieg gelegten Fundamente mussten kräftig verstärkt werden, bevor 1989 die Kuppel installiert werden konnte.

Während der Jugoslawienkriege (1991-1995) und UN-Sanktionen wurde die Bauarbeiten an dem Rohbau nur noch sporadisch fortgesetzt, bevor sie 1996 gänzlich zum Erliegen kamen. Erst nach dem Kosovokrieg (1999) wurde der Kirchenbau im April 2000 erneut aufgenommen und 2004 die Außenansicht des mit weißem Marmor verschalten Doms beendet. Die kahlen Betonwände verbreiteten im Dominnern jedoch noch lange die Atmosphäre einer Tiefgarage.

Mit Sonderbriefmarken, Spendengeldern, Hilfen aus Russland (siehe Kasten) und Staatssubventionen gelang es der Kirche, den kostspieligen Innenausbau zu finanzieren. Allein in den letzten drei Jahren hat der Staat 43 Millionen Euro in das Prestigeprojekt gepumpt: Dass Belgrad auf dem Höhepunkt der Corona-Krise erneut Millionen für den Dom bewilligte, stieß angesichts des desolaten Zustands vieler Krankenhäuser auch auf Kritik. Doch von Misstönen ist vor den Feiern zur Vollendung des Gotteshauses keine Rede mehr. „Der Dom ist unser Stolz“, versichert Patriarch Irinej.

Russische Bruderhilfe

„Ohne Russland würden wir noch hundert Jahre bauen“, ist sich Patriarch Irinej sicher. Tatsächlich hatte die Akademie für Schöne Künste in St. Petersburg die Federführung des ersten Architektenwettbewerb 1905 – und lehnte alle Entwürfe ab. Als Folge der Oktoberrevolution emigrierten nicht nur russische Architekten ins Exil nach Serbien, sondern wurde der Dom größer konzipiert als erst geplant: In Belgrad sollte das neue Zentrum der Orthodoxie entstehen. Beim Innenausbau des Doms übernahm Moskau zehn Millionen Euro der Kosten des von einem russischen Künstler realisierten Mosaiks. Einen Stein hatte Wladimir Putin 2011 selbst gelegt. Doch bei der Feier heute fehlt der ursprünglich in Belgrad erwartete Kremlchef. Spekulationen, dass Putin wegen seines neuen US-Schmusekurses verstimmt sei, weist Präsident Vucic zurück: Putin sei wegen der Corona-Krise verhindert, aber könne „es kaum erwarten, zu kommen“.      tro