Neues Maßnahmenpaket gegen CovidGesundheitsministerin wehrt sich gegen Kritiken

Neues Maßnahmenpaket gegen Covid / Gesundheitsministerin wehrt sich gegen Kritiken
Zu später Stunde stellte sich Gesundheitsministerin Paulette Lenert noch den Fragen der Journalisten, nachdem sie die neuen Maßnahmen im Parlament vorgestellt hatte Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Es war mit einer Mischung aus Rechtfertigungen und Erklärungen, mit denen Gesundheitsministerin Paulette Lenert am Montagabend bei einer am Nachmittag einberufenen Pressekonferenz aufwartete. Einerseits wehrte sie sich gegen die Kritik der letzten Wochen, gestand andererseits aber auch ein, dass die Zeit des Handelns nun gekommen sei.

„Rückblickend sind wir der Meinung, dass es vor zwei Wochen unverantwortlich gewesen wäre, drastische Maßnahmen zu ergreifen“: Mit diesen Worten hat Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) am Montagabend auf die Kritiken der letzten Tage reagiert.

Zu spät habe die Regierung reagiert, zu zögerlich sei ihre Reaktion zunächst ausgefallen. Dabei seien die beunruhigenden Entwicklungen durchaus absehbar gewesen, so der Vorwurf.

Dem aber hielt die Gesundheitsministerin Schlüsselfaktoren entgegen, die sich vor zwei Wochen noch allesamt in einem angemessenen Rahmen bewegten. „Am 10. Oktober etwa waren alle Indikatoren noch beruhigend. Auch der Bericht der Taskforce ging zu diesem Zeitpunkt noch von einer stabilen, linearen Kurve aus“, betonte Lenert im Anschluss an ihren Auftritt vor dem parlamentarischen Gesundheitsausschuss.

Drastische Maßnahmen hätten zu diesem Zeitpunkt auf reiner Spekulation basiert. „Ich weiß auch nicht, wie ich diese Entscheidungen hätte begründen können. Ich wäre sicher in Erklärungsnot geraten“, gab Lenert freimütig zu Protokoll, während sie die Entwicklungen der letzten zwei Wochen noch mal im Detail Revue passieren ließ. Dabei verwies sie zunächst auch auf den Umstand, dass in Luxemburg zuvor schon strengere Regeln angewandt wurden als in den Nachbarländern. Man habe den Bürgern durchgehend viel abverlangt, um eine Streuung des Virus zu vermeiden, so Lenert. Dafür sei man zu einem gewissen Zeitpunkt sogar kritisiert worden. 

Ein öffentlicher Weckruf

Erst vor zehn Tagen, um den 16. und 17. Oktober also, hätten erste Indizien dafür vorgelegen, dass die Situation zu entgleiten drohe. Anlass genug für die Regierung, die Bürger in einem öffentlichen Aufruf um mehr Wachsamkeit im Umgang mit dem Virus zu bitten. Richtig beunruhigend aber wurde die Lage erst am 22. Oktober, als Stichproben aus den Kläranlagen auf eine hohe Dunkelziffer deuteten, was die Zahl der Neu-Infektionen angeht.

Genau diese Dunkelziffer bereitet den Gesundheitsbehörden immer noch große Sorgen. Aus den Analysen der Kläranlagen wissen die Experten nur, dass das Virus inzwischen durchgehend im ganzen Land präsent ist. Genaueres aber lässt sich nicht sagen, weswegen die Ministerin zur absoluten Vorsicht mahnt und auf Nummer sicher geht – in der Hoffnung, dass die Situation nicht außer Kontrolle gerät und die Kurve demnächst wieder linearer verläuft, wenn auch auf hohem Niveau.

„Wir müssen die Situation in den nächsten Tagen aus nächster Nähe verfolgen“, so Lenert. Aktuell kann die Regierung nur davon ausgehen, dass die Zahlen in den letzten Tagen doch nicht exponentiell explodiert seien. Dennoch sei die Situation immer noch beunruhigend, wenn nicht sogar alarmierend. „Wir können es uns nicht erlauben, noch lange abzuwarten. Nun müssen wir drastische Maßnahmen ergreifen“, schlussfolgerte die Gesundheitsministerin. „Wir können nicht mehr ausmachen, wo sich die Leute anstecken“, so Lenert. Deshalb sei es nun an der Zeit, Maßnahmen zu ergreifen, die ein globales Ziel verfolgen: die Zahl der Kontakte möglichst durchgehend zu begrenzen. „Wir versuchen nun an Schrauben zu drehen, die möglichst große Auswirkungen haben und die zwischenmenschlichen Interaktionen auf ein Minimum reduzieren“, erklärte die Ministerin.

Dennoch bestehe nach wie vor ein Risiko, dass die Situation außer Kontrolle gerät, wie die Gesundheitsministerin offen zugab. Grauzonen gebe es nun mal keine in einer Pandemie, so Lenert. „Entweder man hat das Geschehen unter Kontrolle und verwendet all seine Bemühungen darauf, dass es so bleibt. Oder das Geschehen gerät außer Kontrolle, nimmt exponentielle Züge an und gerät in Sphären, die wir nicht mehr bewältigen können“, gab die Politikerin zu bedenken.

Nun sei man von diesem Punkt noch etwas entfernt. Dennoch sei nun ein Paradigmenwechsel angebracht, um die Zahlen wieder unter Kontrolle zu bekommen. „Was wir auf keinen Fall wollen, ist ein Lockdown“, mahnte Lenert. Es sei der Regierung viel daran gelegen, ein Maximum an Normalität aufrecht zu erhalten.  Was den Handlungsspielraum der Regierung weiter eingrenze: „Es bleiben uns keine 100.000 Möglichkeiten“, gab Lenert zu bedenken. „Weiter so zu tun, als wäre nichts, ist auch keine Lösung. Dafür ist das Risiko, Stand heute, einfach zu hoch. Also bleibt uns nur noch der Mittelweg“, so die Ministerin. Und dieser bestehe nun darin, die Kontakte und zwischenmenschlichen Interaktionen zu beschränken.

Vier gewinnt im Kampf gegen Corona

Somit gilt sowohl im privaten als auch im öffentlichen Bereich eine Faustregel: Künftig können nur noch vier Personen zusammenkommen, ohne dass weitere Maßnahmen ergriffen werden müssen. Diese einfache Regel soll in sämtlichen Lebenslagen als Ausgangspunkt dienen, so Lenert. Sei es nun im privaten Bereich, im Restaurant oder Café, bei kulturellen Veranstaltungen, im Sport oder beim Ausüben einer Freizeitaktivität.

Egal, ob drinnen oder draußen: Betroffen ist jede einzelne Zusammenkunft zwischen Menschen. Ab vier Personen muss eine Maske getragen werden, ab zehn Personen wird zusätzlich ein Mindestabstand von zwei Metern erforderlich. Bei Veranstaltungen sind bis zu 100 Personen zugelassen, allerdings müssen diese alle sitzen, den Mindestabstand wahren und Maske tragen.

 „Wir setzen auf Risikobegrenzung“, unterstrich die Gesundheitsministerin. Auch will die Regierung ein Maximum an Normalität im Alltag bewahren, weshalb größere Veranstaltungen nicht gleich abgesagt werden müssen. Allerdings müssen sich diese Veranstaltungen auf ihre Kernaktivität konzentrieren. Nebenaktivitäten, wie etwa ein Buffet oder ein Drink bei einer Konferenz, sind nicht zugelassen.

Die Ausgangssperre

In diesen Momenten nämlich steige die Unachtsamkeit der Menschen und damit die Gefahr einer Infektion. Dabei geht es der Regierung vor allem darum, Risikoaktivitäten in ihrer Quantität zu begrenzen. Ein Grundgedanke, der auch hinter der Ausgangssperre zwischen 23 und 6 Uhr steckt: Je weniger Aktivitäten, desto weniger Kontakte. Und je weniger Interaktionen, desto geringer auch das Risiko einer Infektion. Auch müsse man bedenken, dass ab diesem Zeitpunkt manchmal auch der Alkoholpegel steigt und die Menschen etwas lockerer miteinander umgingen, so Lenert.

Die Ausgangssperre greift denn auch um Punkt 23 Uhr. In anderen Worten: Dann muss auch jeder zu Hause sein. Ausnahmen gelten beim Weg von und zur Arbeit, bei einer Reiserückkehr oder der Durchfahrt sowie fürs Gassigehen mit einem Haustier. Im Umkehrschluss müssen aber auch Restaurants und Gaststätten um Punkt 23 Uhr schließen. Die Gäste müssen dafür sorgen, noch rechtzeitig den Heimweg anzutreten. Außerdem ist die Zahl der zugelassenen Gäste auf 100 begrenzt.

Sport, Handel und Strafen

Im Sport gelten die gleichen Regeln wie bei anderen Zusammenkünften: Bis zu vier Personen können ohne weitere Maßnahmen miteinander trainieren. Inklusive Trainer. Steigt die Zahl, müssen wiederum Masken getragen werden. Ab zehn Personen wird zusätzlich ein Mindestabstand erforderlich. Ziel ist es aber auch im Sport, Kontakte so weit es geht zu reduzieren. Für die nächsten Tage hat die Gesundheitsministerin eine Pressekonferenz angekündigt, bei der Sportminister Dan Kersch weitere Präzisierungen liefern wird. Es bleibt aber dabei, dass mit Ausnahme der höchsten Ligen sämtliche Begegnungen zunächst abgesagt wurden.

Sorgen bereiten den Behörden auch die Großeinkaufsflächen ab 400 Quadratmetern. Deshalb gilt für diese Bereiche nun eine Faustregel von einem Kunden pro zehn Quadratmeter. Das erlaube es den Betreibern, den Zulauf etwas in Grenzen zu halten. Die gleiche Regel wird etwa auch vom deutschen Robert-Koch-Institut empfohlen.

Angehoben werden die Strafen und Bußgelder. Bislang waren beim kleinsten Vergehen 25 Euro fällig. Um den Ernst der Lage widerzuspiegeln, drohen künftig aber Strafen zwischen 100 und 500 Euro. Wer zum Beispiel gegen die Ausgangsbeschränkungen verstößt, muss mit einem Bußgeld von 145 Euro rechnen. Unternehmen, Restaurantbetreiber und Gastwirte müssen noch tiefer in die Tasche greifen.

Eine weitere Neuerung betrifft den „Prêt de main-d’oeuvre“ – mit dieser Maßnahme verschafft sich die Regierung die Möglichkeit, Menschen in die Bekämpfung der Pandemie einzubinden, die nicht als Staatsfunktionäre angestellt sind. Erstes Ziel dabei sei explizit die Luxair, hier sollen Mitarbeiter nach einer kurzen Schulung das Team des Contact-Tracing verstärken. Eine ähnliche Vorgehensweise könne sich die Ministerin auch in anderen Bereichen vorstellen.

Sämtliche Neuerungen treten in Kraft, wenn die entsprechenden Texte vom Parlament verabschiedet wurden. Wann dies der Fall ist, kann die Ministerin noch nicht mit allerletzter Sicherheit sagen. Noch stehe auch das Gutachten des Staatsrates aus. Doch die Chamber sei bereit, sofort abzustimmen.

Conzemius
2. November 2020 - 9.39

Bravo Madame Lehnert ! Loosst Iech net veronsecheren. Top Leeschtung awer passt och op Aer Gesondheet op ??

de Schmatt.
1. November 2020 - 10.10

Unsere Gesundheitsministerin leistet eine hervorragene Arbeit und verdient unsere aller Anerkennung und Dank. Aber es gibt immer welche, denen man es nicht recht machen kann, den ewigen Nörglern und Besserwissern. Frau Lenert redet nicht nur, sie handelt auch, übernimmt Verantwortung und steht ihre/n Mann/Frau. Was können die Verantwortlichen dafür, wenn viele Bürger die Vorschriften nicht respektieren und die Regeln nicht einhalten, wenn die vermeintlich persönliche Freiheit wichtiger ist als Solidarität ? Wir sind mit einem tödlichen Virus konfrontiert dessen Bekämpfung uns allen Opfern abverlangt. Wir haben die Wahl zwischen Pest und Cholera.

HTK
27. Oktober 2020 - 13.51

@Rosie, Danke aber das wusste ich schon.Viren brauchen einen Wirt,also Zellen um sich zu vermehren da sie selbst praktisch nur aus DNA bestehen und keine Zellteilung betreiben wie die Bakterien.Wenn sie aber wie erwähnt lange auf verschiedenen Medien überleben können und wenn diese Medien aus Zellen bestehen die eventuell in Kläranlagen vorhanden sind,dann ja dann....

Rosie
27. Oktober 2020 - 12.09

@HTK "Könnte es sein,dass sich das Virus im Medium Klärschlamm vermehren kann?" Nein, es sind Viren, keine Bakterien.

J.Scholer
27. Oktober 2020 - 10.28

Eine schwache Regierung argumentiert , eine starke Regierung handelt. Wobei das Argumentieren dient keine Wahlstimmen zu verlieren, nur unbedingt von Nutzen ist.Das Handeln den Bürger zwar schmerzt, einschränkt , aber von Nutzen ist.

Schroeder Jos
27. Oktober 2020 - 9.24

Gute Arbeit Frau Lenert. Hoffentlich hält sich die Bevölkerung an die Vorgaben. Verstehe die dauernde Kritik der Opposition nicht.

HTK
27. Oktober 2020 - 8.42

...,daß die Zeit des Handelns gekommen sei." Das ist kein Geständnis,sondern eine Feststellung.Wenn die "mündigen Bürger" zweimal pro Tag erinnert werden müssen sich an die Regeln zu halten,wird das wohl nicht die Schuld der Regierung sein. Zu den Kläranlagen eine Laienfrage an die Spezialisten: Könnte es sein,dass sich das Virus im Medium Klärschlamm vermehren kann?? In diesem Falle wären diese Messungen Makulatur.