TschechienCovid-Chaos in Prag: Mitten in der zweiten Welle wechselt der Gesundheitsminister

Tschechien / Covid-Chaos in Prag: Mitten in der zweiten Welle wechselt der Gesundheitsminister
Am Sonntag besuchte Regierungschef Andrej Babis (r.) ein fertiggestelltes Feldkrankenhaus in den Hallen des Letòan-Ausstellungszentrums in Prag Foto: Michal Krumphanzl/CTK/dpa

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Tschechiens Regierungschef Andrej Babiš will seinen erst kürzlich installierten Gesundheitsminister Roman Prymula auswechseln. Der Minister war ohne Maske in einem Restaurant angetroffen worden und hatte somit gegen eigene erlassene Regeln verstoßen. Dabei steigen die Infektionszahlen in der Republik so rasant wie in kaum einem anderen Mitgliedsland. Babiš hofft auf ein Wunder oder auf verschärfte Maßnahmen.

Fehler macht jeder. Der des erst Anfang Oktober in Prag nominierten Gesundheitsministers Roman Prymula war es, ohne eine Mund-Nasen-Schutzmaske beim Verlassen eines hauptstädtischen Restaurants angetroffen zu werden. Das Boulevardblatt blesk (Blitz) veröffentlichte Fotos von Prymula in Begleitung des ANO-Vizes Jaroslav Faltýnek. Premier Andrej Babiš zog nach der Veröffentlichung die Notbremse und legte sowohl dem Minister als auch seinem Parteifreund den Rücktritt nahe.

Prymula lehnte indes einen Rücktritt angesichts der dramatischen Neuinfektionswerte von Corona so lange ab, bis ein kompetenter Nachfolger gefunden wird. Der könnte es nun in der Person des international anerkannten Kinderhämatologen Jan Blatný sein. Die Personalie soll noch heute von Staatspräsidenten Miloš Zeman bestätigt werden.

Ministerroulette zeigt Hilflosigkeit

Drei Minister innerhalb eines Monats – der häufige Wechsel an der Spitze der Gesundheitsadministration wird von vielen in Tschechien als ein Ausdruck der Hilfslosigkeit gegenüber dem neuen Ausbrechen der Pandemie gewertet. In der Tat steigen die Zahlen der Neuinfektionen rasant. Allein am Sonntag wurden 7.301 neue Fälle gemeldet – am Wochenende werden wegen geschlossener Ämter stets weniger Patienten gemeldet als an den übrigen Wochentagen. Man darf also von deutlich mehr Neuinfektionen ausgehen. In der vergangenen Woche wurde ein täglicher Wert von über 15.000 Neuinfektionen mehrfach überschritten. Tschechien zeigt europaweit den höchsten Inzidenzwert pro 100.000 Einwohner.

Dennoch versuchte Premier Babiš zunächst, die Situation herunterzuspielen und erklärte, er sehe keine Notwendigkeit für einen neuen landesweiten Lockdown. Im Gegensatz zu dieser Aussage verschärfte die Regierung am vergangenen Freitag jedoch die Sicherheitsmaßnahmen.

Bewegungsfreiheit eingeschränkt

Mit dem Erlass vom 22. Oktober verfügte die Regierung, dass nicht zwingend notwendige Reisen innerhalb der Republik zu unterlassen sind. Ausnahmen sind nur Fahrten zur und von der Arbeit, aus dringenden gesundheitlichen Gründen sowie zur täglichen Versorgung. Alle Geschäfte, die nicht zur Befriedigung der Grundbedürfnisse dienen, bleiben bis mindestens 3. November geschlossen. Ebenso schließen Fitnessstudios und Schwimmbäder.

Mehr als zwei Personen, die nicht einem gemeinsamen Haushalt angehören, dürfen sich in der Öffentlichkeit nicht mehr treffen. Landesweit gilt eine Maskenpflicht. Ob die Maßnahmen greifen werden, ist allerdings ungewiss. Krankenhäuser und Gesundheitsämter sind bereits jetzt am Limit angekommen, Notlazarette werden eingerichtet. So unter anderem in den Messehallen von Brno, wo man beginnt, Covid-Intensivbetten aufzustellen.

Der scheidende Gesundheitsminister Roman Prymula galt als besonnen und umsichtig. Für seinen Einsatz bei der Bekämpfung der ersten Corona-Welle im März des Jahres wollte Präsident Zeman den früheren Direktor der Militärmedizinischen Akademie Hradec Králove am 28. Oktober, dem Nationalfeiertag, mit einem Orden ehren. Wegen der Pandemie wurde die Veranstaltung allerdings verschoben. Zudem ist fraglich, ob Prymula mit seiner jetzigen Abberufung als Minister noch auszeichnungswürdig bleibt.

Hat Babiš ein Konzept?

Etliche Beobachter vertreten die Auffassung, dass eine Disziplinierung Prymulas wegen des Restaurant-Vorfalls völlig genügt hätte. Den Minister sogleich auszuwechseln, halten sie für eine Konzeptlosigkeit des Premiers. Zwar hatte die Regierung im ersten Quartal bei Ausbruch der Pandemie rasch gehandelt, dann aber die Zügel – wie so häufig in Prag üblich – schleifen lassen. Die jetzt geradezu hektischen Reaktionen zeigen, dass die Regierung dem aktuellen Geschehen hilflos gegenübersteht.