FußballHenri Roemer verstorben: Zum Abschied eines Sportmanns

Fußball / Henri Roemer verstorben: Zum Abschied eines Sportmanns
Henri Roemer, wie man ihn kannte: Stets engagiert und mit neuen Ideen Foto: Le Quotidien

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Mit Henri Roemer verstarb in der Nacht zum Sonntag eine große Persönlichkeit des Luxemburger – aber auch des europäischen – Fußballs. Der engagierte Rechtswissenschaftler, DP-Politiker und Hotelier mit der sozialen Ader lebte für den Sport.

„Wenn sich eine Autotür öffnet, musst du einsteigen.“ Ein Zitat von Henri Roemer, welches das facettenreiche Leben des Wiltzers sehr gut beschreibt. Es stammt aus dem Jahr 2011. Gerade eben hatte der sportbegeisterte Ex-Präsident der FLF den Erfolg von Andy Schleck auf dem Galibier vor Ort verfolgt – und sich kurz darauf in den Wagen eines Rad-Rennstalls gesetzt, mit ausschließlich wildfremden Menschen um ihn herum, die ihn ohne größere Reklamationen aus dem Zielbereich heraus chauffierten.

Die Anekdote des ehemaligen Sportkommissars Robert Thillens ist nur ein Beispiel dafür, dass Roemer nie davor zurückschreckte, Chancen zu ergreifen. Ein Mann, der ihm gleich zu Beginn der Karriere eine dieser Pforten öffnete, war Gaston Thorn. Nach dem Ende seines Studiums in Rechtswissenschaften an der „Université libre de Bruxelles“ erhielt der junge DP-Politiker Roemer 1981 die Möglichkeit, einen Luxemburger Diplomatenposten im Pariser Konsulat anzunehmen. Reisen, Bekanntschaften und Lebenserfahrungen prägten die ersten Jahre. Eingefädelt wurde all dies u.a. durch die Hilfe des Parteivorsitzenden, der auch später eine große Rolle in der Karriere von Roemer spielen sollte. Bis 1988 blieb der gebürtige Wiltzer in der französischen Hauptstadt. 

Ein Jahr zuvor hatte Thorn den Generaldirektorposten von Radio Luxemburg und der Medienholding CLT übernommen – und damit auch Roemers Weg in die Niederlande geebnet. Gemeinsam mit Freddy Thyes sollte Roemer nach seiner Station in der Pariser Botschaft einen neuen Lebensabschnitt in der Medienbranche starten: Die Mission des späteren Generaldirektors von RTL4 war es, dem Sender RTL Véronique (später RTL4) dazu zu verhelfen, auf dem internationalen TV-Markt Fuß zu fassen. Roemer gilt heute in der Fernsehgeschichte als Pionier in der TV-Privatisierung. Eine Leidenschaft, die das Duo Roemer-Thyes später in „Die Erfolgsgeschichte von RTL 4“ niederschrieb.

Politisch blieb er seiner Partei stets treu – genau wie seine Ehefrau Maisy Berscheid, die später für die LSAP einen Platz im Gemeinderat einnahm. Obschon Roemer nie ein Mandat innehatte, gilt er in DP-Kreisen als eine treibende Kraft, die im Schatten der Volksvertreter die Fäden für Henri Grethen oder Gaston Thorn zog (dessen er 2013 in seinem Werk „Gaston Thorn, 1928-2007“ gedachte). Hinter den Kulissen spielte er bei der Regierungsbildung nach den Wahlen 2013 eine entscheidende Rolle. „Er verkörperte die Wiltzer DP“, sagte Chamber-Präsident Fernand Etgen. 

„Es auf eine andere Weise schaffen“

Die Karriere auf dem Fußballplatz endete derweil früher als erhofft. „Es war toll, ihm zuzusehen. Durch seine Größe war er kopfballstark und gleichzeitig eigentlich nur durch ein Foul vom Ball zu trennen“, beschrieb Etgen das Talent des Mittelstürmers. Als größter Erfolg bleibt der Meistertitel 1972 im Trikot der hauptstädtischen Aris. Roemer träumte, wie jedes Kind, als junger Fußballer von einer Profikarriere. Allerdings wurde die Laufbahn 1977 (ein paar Tage vor dem FLF-Auswärtsspiel in Wembley) mit einem Beinbruch jäh beendet: „Es war eine Art Auslöser. Ich habe mir geschworen, es auf eine andere Weise zu schaffen“, hatte der fünffache Nationalspieler (1972-1976) vor zehn Jahren in einem Gespräch mit glanzce.lu gesagt. Die Beweise dafür sind bekannt. Roemer war von 1998 bis 2004 Präsident des nationalen Fußballverbandes. In einer hochpolitischen Wahl setzte sich der gesellige Öslinger entgegen vieler Erwartungen gegen Schiedsrichter Roger Philippi, Politiker Laurent Mosar und Yves Bourgnon durch. 

Nachfolger wurde bekanntlich der aktuelle Amtsinhaber Paul Philipp, den Roemer damals in einem mediatisierten Spektakel als FLF-Nationaltrainer durch Allan Simonsen hatte ersetzen lassen. Roemer hatte dadurch die 16-jährige Ära Philipp beendet. 

Der Sportfunktionär verfolgte aber stets größere Ziele als eine reine FLF-Karriere: 2001 war er bereits in der juristischen Kommission der FIFA aufgenommen worden. Der Fußballfanatiker galt in internationalen Kreisen stets als optimal vernetzt und profitierte als Polyglott von einem guten Ansehen. 2004 wurde er nach dem Ende seiner Aktivitäten bei der FLF ganz nah an die Spitze des europäischen Verbandes katapultiert: Der verstorbene UEFA-Präsident Lennart Johansson besetzte einen neu geschaffenen Posten mit dem Luxemburger als seinem Berater und Assistenten. „Seine Sprachkenntnisse waren seine Waffe“, formulierte es Thillens. 

„Ihn kannte einfach jeder“

Roemer hatte dadurch Büros in Nyon, Brüssel und in Wiltz. Seine Begegnungen waren so vielfältig wie seine Karriere. Bill Clinton, Frank Beckenbauer, Michel Platini, Nelson Mandela, Yasser Arafat, François Mitterand … Fotos und Anekdoten von Roemers Begegnungen, die das Büro in seinem Hotel „Aux Anciennes Tanneries“ zieren, gibt es zu Hunderten. Roemer liebte das Leben, Gesellschaft, Sport und Spaghetti Bolognese. „Ich habe in meinem Leben bereits 500 Kilogramm abgenommen – aber auch zugenommen“, hatte er vor versammelter Mannschaft bei einer seiner zahlreichen Fastenkuren in Mülheim (D) verkündet. Er war aber auch ein spitzfindiger und knallharter Geschäftsmann. Mehrere Bauprojekte im Wiltzer Stadtkern gehören ebenso zu seinen Aktivitäten der letzten Jahre. Gleichzeitig mangelte es bei Roemer nie an sozialem Engagement: Als langjähriger Präsident war er hautnah in den Bau des Wiltzer Kinderhauses involviert.

Der zweifache Familienvater galt als Tausendsassa und war über die Landesgrenzen hinaus bekannt wie ein bunter Hund. „Er war ein paar Jahre älter als ich. Bereits zu Schulzeiten, im Diekircher Lyzeum, kannte ihn trotzdem jeder. Er war eine Art ’Seigneur’. Er hat sich bei allem durchgesetzt“, erinnerte sich Thillens. Diesen Willen hob auch Etgen hervor: „Er hat sich nie beschwert, auch wenn es ihm körperlich nicht gut ging, hat er sich weder von Politik noch von Fußball abbringen lassen.“

Obschon gesundheitlich angeschlagen und in den letzten Wochen an den Rollstuhl gefesselt, ließ es sich der 68-Jährige vor vierzehn Tagen nicht nehmen, ein letztes Mal an der Sitzung des „Comité d’administration“ des Golf de Clervaux beizuwohnen. Genauso engagiert war das Vorstandsmitglied des FC Wiltz noch bis zuletzt: Hätten ihm die Ärzte nicht vom Stadionbesuch abgeraten, wäre er am vergangenen Mittwoch noch im „Pëtz“ anzutreffen gewesen. „Er war ein Stück Wiltz“, meinte Michael Schenk, Präsident des Fußballklubs. „Er passte nicht immer in jedermanns Raster, aber das bedeutet nicht, dass er immer unrecht hatte …“ 


Alles, was ich will, das habe ich. Man muss nur wissen, wie man es erreicht. Es gibt keine Probleme, es gibt nur Lösungen, die man irgendwie finden muss.“ Henri Roemer (1951-2020, glanzce.lu)